Cyberwar: Deutschland gefällt das!

Erstellt am 8. Februar 2011 von Ppq @ppqblog


In der eingebildeten Internet-Welt der Generation Schäuble schickt Facebook-Gründer Zuckerberg morgens um vier Bewaffnete, die unschuldige Twitterer zu verschärften Verhören abholen. Für Richling, viele Jahre als heller Kopf verkannt, ein Horror: Facebook oder Wikileaks seien faszinierend, «weil wir glauben, alles wissen zu können», doch man müsse sich immer fragen: Wie kann das missbraucht werden?
Das ist die ganz große Frage. Wie missbraucht man all die Emailadressen, die Nicknames, Lieferandressen für Amazonbücher, Fotos von Parties und kleinen Youtube-Filme, auf denen außer Wackeln nicht viel zu erkennen ist? Wie menschenrechtsverletzend sind unfreiwillige empfangene Gewinnmitteilungen aus Nigeria, wie lebensbedrohend Einladungen, "Schweizer Makkenuren billich" zu kaufen und wie viel ist die Freiheit durch Kreditkartenbetrug im Netz mehr bedroht als durch Kreditkartenbetrug im echten Leben?
Dazu ist auch dem Kabarettisten offenbar auch nichts Richtiges eingefallen. Er zucke zusammen, versucht es Richling mit dem üblichen Schreckgespenst, wenn er sehe, "dass man bei Facebook mit ein paar Klicks «sofort weiß, mit wem Sie wie befreundet sind, und wen Sie alles kennen". Ching Chon aus China kann so herausfinden, dass Horst Müller aus Perleberg bei Susi Kiu aus dem Prenzelberg auf "Gefällt mir" geklickt hat. Wenn da nicht die Intimsphäre in akuter Gefahr ist.
Richling, das alte Europa unter den Humorschaffenden im elektronischen Raum, ist besorgt. Aus einer gewissen Naivität heraus werde dort «alles entblößt - und es gibt keine Geheimnisse mehr». Richling ist zum Glück nicht naiv, er behält seine Freunde im Unterschied für sich und macht nur seine Ansichten öffentlich.
Eine kluge Strategie, der auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière folgt. Sicherer so, weiß der Mann, der Ende November mit Deutschlands bisher erfolgreichster Terrordrohung bekannt wurde. 70 Tage und eine live ins Internet übertragene Entwarnung später legt de Maiziere jetzt nach.
Diesmal gelte es, vor "Cyber-Angriffen im Internet" zu warnen. Derzeit, so hat der frühere Experte für die Entsorgung von Landesbanken gezählt, werde "das deutsche Internet", eine Art in Politikergehirnen existierendes Unternetz der weltweiten "Datenautobahnen" (Helmut Kohl), "ungefähr alle zwei bis drei Sekunden" angegriffen. Ausgeführt würden die Attacken von "Privaten, Staaten, vom wem auch immer" (de Maizière), unkt der CDU-Mann, der es offenbar nicht mal annähernd genau weiß. Aber er geht vom schlimmsten aus: "von der Beteiligung von Nachrichtendiensten anderer Länder", allerdings leider "ohne es sicher beweisen zu können".
Ein unsicherer Beweis war früher, in der guten alten Zeit vor Facebook, gar keiner. Heute ist er Leitschnur staatlichen Handelns. De Maizière schliesst nicht aus, dass ganz Deutschland durch einen Angriff aus dem Internet lahmgelegt werden könnte - entgegen allem, was dagegen spricht, kann auch der höchste deutsche Warner allem Anschein nach nicht in die Zukunft schauen.
Da kommt es auf Sicherheit doppelt an. Getreu dem Leitbild seines Amtsvorgängers, der trocken formuliert hatte, das Internet sei "das neue Kommunikationsmittel und Verbrecher benutzen es" (Video oben), will de Maiziere zum Schutz vor den, was man nicht weiß, ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum gründen. Dort sollen unter der Führung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) lauter Behörden wie der Verfassungsschutz, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das Blogampelamt und die Landeszensurbehörden ein neues Betätigungsfeld finden. Alle abgefangenen Daten könnten, träumt de Maiziere in der "Welt", über eine "Schnittstelle zur Wirtschaft" direkt weitergeleitet werden.
Ilse Aigner, bekannt geworden durch ihren Kampf gegen das menschenverachtende Programm "Google Street View", macht indes gegen die offenbar übliche Praxis Front, "dass Onlineshops ihre Kundendaten ohne Zustimmung der Betroffenen ins Netz stellen" (Aigner), wo sie jeder sehen könne. So habe die Deutsche Telekom Millionen von Namen, Adressen und teilweise sogar Berufsbezeichnungen unschuldiger Verbraucher in sogenannten "Telefonbüchern" sowohl gedruckt als auch im Internet verfügbar gemacht. Dadurch könne jeder die Betroffenen einfach so anrufen. Aigner verlangt deshalb eine Erweiterung des Verbandsklagerechts, «damit Verbraucherschutzorganisationen auch bei verbraucherbezogenen Datenschutzverstößen gerichtlich vorgehen können».
Immer mehr Krankheiten weltweit: Schuld ist nur das Internet.