Vor 200 Jahren wurde in Cuxhaven ein Seebad nach englischem Vorbild eröffnet. Aus diesem Anlass werden derzeit in der Reihe „Junge Fotografie im Schloss Ritzebüttel" drei Arbeiten zum Thema „Seebäder" gezeigt. Timo Jaworr ging in einem ägyptischen Badeort auf Spurensuche, während sich Laura Stöckel und Janina Ahrendt mit dem Seebad Cuxhaven und seiner Landschaft beschäftigten.
Ausstellungsbeschreibung
„Die ganze Küste der Ostsee ist mir unbekannt, und ich für mein Teil würde sie dazu nicht wählen, solange nur noch ein Fleckchen an der Nordsee übrig wäre, das dazu taugte, weil dort das unbeschreiblich große Schauspiel der Ebbe und Flut, wo nicht fehlt, doch nicht in der Majestät beobachtet werden kann, in welcher es sich an der Nordsee zeigt. [...]"
so forderte der Schriftsteller und Philosoph Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) bereits 1793 in seinem Aufsatz „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad", in Ritzebüttel, auf Neuwerk oder in Cuxhaven ein Seebad nach englischem Vorbild zu gründen. Aber erst der Hamburger Senator Amandus Augustus Abendroth (1767-1842), der von 1809- 1811 und ein zweites Mal von 1814-1821 als Amtmann in dem damals noch zu Hamburg gehörendem Ritzebüttel tätig war, setzte Lichtenbergs Vorschlag vor 200 Jahren am 24. Juni 1816 um.
Ein Anfang war gemacht und Cuxhaven, heute die drittgrößte Stadt an der deutschen Nordseeküste kann sich seitdem mit dem Qualitätsmerkmal „Seebad" schmücken und gehört zu den ältesten Seebädern Deutschlands. Kamen im ersten Jahr nach der Gründung stolze 295 Gäste, um sich beim rauen Nordseeklima zu erholen, so konnte Cuxhaven im letzten Jahr 3,5 Millionen Übernachtungen und eine halbe Million Tagesgäste verzeichnen.
Junge FotografieDie Reihe „Junge Fotografie im Schloss Ritzebüttel" in Cuxhaven hat sich in ihrer sechsten Ausgabe somit als Ausstellungsthema „Seebäder" gesetzt. Neben dem Fotojournalisten Timo Jaworr, der in einem ägyptischen Badeort auf Spurensuche ging, hat die Hamburger
Kuratorin Erle Bessert zwei junge Fotografinnen, die beide aus Cuxhaven stammen, ausgesucht: Laura Stöckel - sie lebt und arbeitet noch in ihrer Geburtstadt - und Janina Ahrendt zeigen ihre ganz persönliche Sicht von der Stadt an der Elbmündung. Das Seebad Cuxhaven ist geprägt durch seine Landschaft, die Menschen von weither anzieht. Was viele nicht sehen: Wie beeinflusst das Wasser das Leben der Menschen und wie beeinflussen sie das Wasser? Im Rahmen ihres Fotoessays reiste die Fotografin Janina Ahrendt zurück in ihre Heimat.
Janina Ahrendt (geb. 1992) hat ihr Studium mit einem BA im Bereich Fotografie an der Fachhochschule Dortmund bei den Professoren Dirk Gebhardt und Kai Jünemann abgeschlossen und studiert seit September 2015 an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. In ihrer neuen extra für die Ausstellung erstellten Arbeit beschäftigt Janina Ahrendt sich mit den unterschiedlichen Menschen aus und in Cuxhaven. Unabhängig deren
Bekanntheitsgrads, des Alters oder Einstellung zu Cuxhaven stellt sie in kurzen Bilder- Geschichten verschiedene Charaktere vor. Wer sind die Personen? Wie wurden und werden sie durch die flache Landschaft und dem weiten Horizont geprägt? Warum kommen Besucher nach Cuxhaven, um ihren Urlaub in der Stadt am Meer zu verbringen, aber auch
was hält sie dort? In ihren Bildern - einem Mix aus Porträts, Landschaften und Stillleben zeigt Janina Ahrendt, beeinflusst durch die persönliche Beziehung - Kindheit und Jugend in Cuxhaven - einen einzigartigen Blick auf die Menschen und Orte. Ein kleines Begleitheft mit kurzen Interviews gibt Auskunft über die Porträtierten.
Auch Laura Stöckel (geb. 1988) zeigt neue Arbeiten. Seit Beendigung ihrer Ausbildung bei dem Hamburger Fotografen Philipp Schmitz lebt sie wieder in Cuxhaven und arbeitet als Freie Fotografin. In der Kunst beschäftigt sich Laura Stöckel hauptsächlich mit dem Thema Imperfection: Das vermeintlich nicht so schöne, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich einfach von den Farben und Strukturen faszinieren zu lassen. Dabei will sie eine andere Sichtweise
auf ganz alltägliche Dinge, die auf ihre eigene Art besonders sind, zeigen, denn oft sind es die Gegensätze, das nicht Zusammenpassende, die beim Betrachter einen zweiten Blick fordern.
Die beiden Fotoserien haben einen direkten Bezug zu ihrer Heimatstadt: eine Porträtserie von Cuxhavener Bürger/innen und deren Lieblingsorte in der Stadt sowie in Gegenüberstellung zu historischem Bildmaterial beliebter Postkartenmotive eine Schwarz- Weiß-Serie von den nicht immer so ganz perfekten Orten des Seebades, oftmals fernab der üblichen Touristenwege, wie der Kugelbake und dem Feuerschiff Elbe 1.
Der Fotojournalist Timo Jaworr (geb. 1981 in Frankfurt am Main) studierte zunächst Sportwissenschaften in Mainz, Darmstadt und Frankfurt und ist seit September 2012 für das Studium Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover eingeschrieben. Seit 2005 ist er zudem als freiberuflicher Journalist (Bild und Text) tätig und absolvierte u. a. ein Praktikum als Fotograf beim The Irrawaddy, Yangon / Myanmar.
Timo Jaworr stellt seine Fotoserie „Lost in Paradise" (2013), einer ganz anderen Art von „Seebad" speziell für den Pauschaltourismus, aus. Die ägyptische Küstenstadt Hurghada mit einer Einwohnerzahl von ca. 160 000 Menschen - die weltberühmten Kulturschätze von Luxor sind nur einen Tagesausflug entfernt - ist der größte Urlaubsort am Roten Meer und vor allem bekannt für die Tauchreviere.
Bis vor kurzem wurde der Ort ganzjährig von Touristen überrannt, die nach ihrer Ankunft vom Flughafen aus mit Kleinbussen auf die verschiedenen Hotelanlagen verteilt und mit einem All inclusive-Paket ausgestattet wurden. Kaum einer dieser Urlauber verließ die Hotelanlagen, die seit den 80er Jahren entlang der ca. 30 Kilometerlangen Küste entstanden sind. Wie kleine voll ausgestattete Städte mit einer Rundumversorgung von eigenem Strandabschnitt und Supermarkt, den Wellness- und Fitnessangeboten ragen die Hotelburgen abgeschottet vom Rest der Stadt hervor.
Die Arbeit „Lost in Paradise" ist eine fotografische Spurensuche abseits der typischen Urlaubsromantik. Der Fokus liegt auf der unbeachteten Seite des vermeintlichem Paradieses: die Brüche, Widersprüche und Ungereimtheiten. Die das Stadtbild auf den anderen Seiten der Hotelmauern prägenden Baustellen bilden dabei einen markanten Teil der Serie, genauso die skurrilen Situationen, die sich durch das Aufeinandertreffen der erschaffenen Urlaubswelt mit der Realität ergeben sowie Ausschnitte aus der scheinbar so perfekten Urlaubsidylle. „Lost in Paradise" ist eine subjektive Wahrnehmung vom Geist des Urlaubsparadieses Hurghada.
Wann und wo
4. September bis 16. Oktober 2016
Veröffentlicht am 30. September 2016