curated by vienna – Ein einzigartiges Projekt

curated by vienna – Ein einzigartiges Projekt

Eva Maria Stadler (c) Lukas Beck

Wie beschreiben Sie rückblickend Ihre Rolle als Chefkuratorin?

Tatsächlich ist mir im Rahmen des Projektes curated by _vienna als Kuratorin eine besondere Rolle zugekommen. Denn dieses Mal habe ich ja gar keine Ausstellung kuratiert, sondern bin einen Schritt zurückgetreten und habe gemeinsam mit den Galerien und mit dem Team von departure ein Thema entwickelt, das die Grundlage für die diesjährige Ausgabe von curated by _vienna bildete. Das bedeutet, dass man quasi über die Bande denken muss. Es ging darum, ein Thema zu entwickeln, das einen möglichst großen Freiraum bietet, und dennoch einen Zusammenhalt erkennen lässt.

Wie kam es zur Ausformulierung des diesjährigen Titels “Kunst oder Leben. Ästhetik und Biopolitik”?

In den gemeinsamen Diskussionen tauchte bald der Begriff der Arbeit auf. Die Arbeit selbst zum Thema zu machen, erschien mir jedoch ein bisschen zu kurz gegriffen. Schließlich geht es nicht um die Frage, was die Kunst über Arbeit sagen kann, sondern welche Rolle sie selbst in Arbeitsprozessen einnimmt, und dadurch relevante Aussagen treffen kann. Und dann ist man gleich bei dem Problem, dass ästhetische und produktionsbedingte Fragestellungen in eins fallen.
Die Avantgarden des 20. Jahrhunderts zeigten mit einer Reihe von Reformbewegungen ganz deutlich, dass sie sich von der Zusammenführung von Kunst und Leben einiges versprachen. Das kleine Wörtchen „oder“ im Titel wirkt an einer Stelle trennend, wo man eine Wahl gar nicht mehr für möglich hält. Wie sollte man sich für Kunst oder Leben entscheiden können? Nun bietet das trennende „oder“ Möglichkeiten über Produktionsformen anders nachzudenken. Mit dem Begriff der Biopolitik, der von dem französischen Philosophen Michel Foucault geprägt wurde verweisen wir auf die Verquickungen von den so genannten Technologien des Selbst mit ästhetischen Formen der Darstellung.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Kuratorinnen und Kuratoren ausgesucht?

Die meisten Galerien laden selbst die Kuratoren oder Kuratorinnen ein, mit denen sie arbeiten möchten. Ich habe auch ein paar Vorschläge gemacht, und bin dabei vom jeweiligen Programm der Galerie ausgegangen.

Welches Ziel verfolgt departure mit diesem Projekt konkret?

Das Format curated by_vienna ist einzigartig, es geht auf erste Initiativen der Galerien in den 90er Jahren zurück, und war von Beginn an bestrebt, Kontakte zu internationalen Kuratoren und Kuratorinnen aufzubauen, um so etwas wie eine gemeinsame Diskursebene zu schaffen. Das Besondere an dem Projekt ist die inhaltliche Schwerpunktsetzung. Gegenüber reiner Marketingstrategien ein erfrischendes Angebot, denke ich.

Bereits zum 4. Mal in Folge wurden die kuratierten Ausstellungen in den Galerien durchgeführt. Konnte dabei das formulierte Ziel einmal evaluiert werden oder hat sich die Zielsetzung im Laufe der Jahre verändert?

Ja, die Zielsetzungen haben sich jeweils verändert. Im ersten Jahr hat man Kurator_innen eingeladen, in mehreren Galerien eine Ausstellung zu machen, im darauf folgenden Jahr machte man das Verhältnis von Kunst und Film zum Thema und im letzten Jahr bildete die Region Südosteuropa einen geografischen Rahmen, mit dem man sich auseinandersetze. In diesem Jahr haben wir das erste Mal einen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt. Das Besondere daran ist die Tatsache, dass sich 22 Galerien und noch einmal 22 Kurato_innen mit einem Thema beschäftigen und versuchen ein gemeinsames Projekt zustande zu bringen.

Warum ist es für Galeristinnen und Galeristen interessant eine Ausstellung von fremder Hand kuratieren zu lassen?

Üblicherweise arbeiten Kuratoren in Kunstvereinen, Kunsthallen oder Museen. Galerien erarbeiten ihr Programm in enger Zusammenarbeit mit Künstlern und Künstlerinnen, wobei es in erster Linie um die Präsentation dieser Künstler geht. Mehr und mehr rücken nun aber die Hintergründe und Kontexte einer künstlerischen Arbeit in den Mittelpunkt des Interesses. Auch Sammler wissen gerne mehr über Zusammenhänge von unterschiedlichen künstlerischen Arbeiten, und diese Zusammenhänge herzustellen ist die Aufgabe der Kuratoren.

Gibt es über diese jährlichen Ausstellungen hinaus andauernde Kontakte zwischen den Galeristinnen und Galeristen und den Kuratierenden?

Das ist natürlich individuell verschieden, aber ich kenne einige Geschichten von Künstlern, die zum Beispiel in einer curated by_vienna Ausstellung gezeigt wurden, und die dann in das Programm der Galerie übernommen worden sind, oder von Kuratoren, die wiederholt mit Künstler_innen einzelner Galerien zusammenarbeiten, und dadurch natürlich die besagten Netzwerke herstellen, von denen wir glauben, dass sie produktiv sind.

Ein Kurator bezeichnete den Kulturstandort Wien als “last fortress” – denn er kenne keine andere Stadt auf der Welt, die ein Projekt wie dieses finanziell unterstützen würde. Haben Sie eine ähnliche Wahrnehmung?

Wir haben ein qualitativ sehr hochwertiges Fördersystem, das zeichnet Österreich und Wien aus. Das Interessante ist dabei, dass ganz gezielt Projekte gefördert werden, wie in diesem Fall ein Kooperationsprojekt von Galerien und Kurator_innen, und nicht mittels ein laues Gießkannensystems, bei dem es nie genug für alle gibt. Die Kreativagentur departure wurde nicht zuletzt genau deshalb ins Leben gerufen, weil hier ein differenziertes Fördermodell wirksam werden kann. Aber natürlich gibt es auch in anderen Ländern tolle Fördereinrichtungen, wie die zahlreichen Stiftungen in Deutschland oder in der Schweiz, wo zum Beispiel auch viel mehr für die Kunstproduktion, aber auch für die kunsttheoretische Arbeit getan wird als dies in Österreich der Fall ist.

Welche Signalwirkung kann von dem Projekt curated_by ausgehen? Oder anders gefragt: Welche Außenwirkung trauen Sie diesem Projekt zu?

Auf Grund der Einzigartigkeit des Projektes ist es international bereits jetzt schon sehr gut bekannt. Alle Beteiligten erzählen von einem äußerst positivem Feedback auf curated by_vienna. Das Ziel ist natürlich, dass sich curated by_vienna inmitten zahlreicher Biennalen und Festivals einen markanten Stellenwert verschaffen kann, der nicht allein den Gesetzen des Städtemarketings gehorcht, sondern der durch seine inhaltliche Positionierung besticht.

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