Auf den christlich-sozialen Spickzetteln hatte man sich dazu die einfallsreiche Alliteration „Schießbefehl und Stacheldraht“ notiert.
Diese Phrase kam nämlich in den lautstarken Erklärungen beider Bayern vor. Auch im weiteren Verlauf sind die Statements annähernd identisch: Die Linkspartei ist eine Gefahr für die Demokratie, sie soll stärker vom Verfassungsschutz überprüft und gegebenenfalls verboten werden. Sie beherbergt Extremisten aus einem breiten Spektrum kommunistischer und sozialistischer Herkunft und muss mit derselben Entschlossenheit bekämpft werden, wie rechtsextreme Parteien.
Zwanghafte Verbots-Fantasien: Alexander Dobrindts Zyklus
Alle paar Monate bricht es aus Alexander Dobrindt heraus. Mit zwanghafter Pünktlichkeit fordert der CSU-Generalsekretär dann ein Verbot der Linkspartei. Alleine in diesem Jahr geschah dies bereits zum dritten Mal. Dobrindt hatte am 5.Januar, am 7.August und zuletzt heute dazu aufgerufen, DIE LINKE verstärkt durch den Verfassungsschutz beobachten und in der Folge verbieten zu lassen.
Die Begriffsergänzung „natürlich“ wählt Dobrindt mit Bedacht. Die Forderung nach bloßem Patriotismus würde ihn ansonsten zu sehr in die Nähe von Nationalismus und Chauvinismus befördern. Selbst in den eigenen Reihen ist der nationale Kurs des Generalsekretärs umstritten. Sein Partei-Kollege Manfred Weber sieht in der CSU einen ernsten Konflikt, wenn Dobrindt „Rechtspopulisten nachläuft“ und befürchtet, dass die „CSU deshalb in der Europapolitik nicht mehr ernst genommen wird“.
Auch in Bezug auf die „gemeinsame Freude“ geht Dobrindt höchst selektiv vor und schließt weite Teile der Bevölkerung aus seiner idealen Volksgemeinschaft aus. Die betrifft nicht nur die gut fünf Millionen Wähler der Linkspartei sondern ebenso die Anhänger der Grünen. Alexander Dobrindt im November 2010: “Die Grünen sind keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinwerfern und Brandstiftern“.
Und auch die rund vier Millionen Muslime gehören nach dem Weltbild des dreifachen Schützenkönigs nicht zur Gemeinschaft, die sich am Tag der deutschen Einheit freuen soll. Dobrindt hierzu im Oktober 2010: “Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, agitieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben“.
Stellt sich die Frage, ob Alexander Dobrindt außerhalb von Bayern überhaupt jemanden zum gemeinsamen Freuen entdecken kann. Seine konkrete Formulierung: „Es ist skandalös und eine Verhöhnung der Opfer, wenn die Linkspartei 50 Jahre nach dem Mauerbau immer noch Schießbefehl und Stacheldraht rechtfertigt“ zeigt, dass er sich immerhin auf Gemeinsamkeiten mit einem seiner Parteifreunde verlassen kann:
Joachim Herrmann: Entschlossen gegen Links im Dienste der Verfassung
Der bayerische Innenminister sagt zum Tag der deutschen Einheit: „Es ist erschreckend, wie große Teile der Linkspartei nach wie vor noch Stacheldraht und Schießbefehl zu rechtfertigen suchen“.
Die Statements von Dobrindt und Herrmann entstammen, wenn nicht sogar ein und derselben Feder, dann doch zumindest einer identischen Geisteshaltung und Wortwahl.
Sie beherbergt nach wie vor „Extremisten aus eine breiten Spektrum kommunistischer und sozialistischer Herkunft“ und man muss ihr mit „derselben Entschlossenheit und Wachsamkeit entgegentreten“ wie den „Rechtsextremisten“.
Abschließend fordert er, dass man sich am Tag der deutschen Einheit „den Wert von Freiheit und Freiheitsrechten in Deutschland und Europa wieder stärker bewusst machen“ soll.
Rollt man das Feld von hinten auf, dann fällt zunächst auf, dass sich gerade die Besinnung auf Freiheit zu einem kräftigen Schlag ins Kontor der CSU entwickeln kann. Die Forderung nach Entschlossenheit und Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremen wirft die Frage auf, ob hiermit wohl beispielhaft die hartnäckige Weigerung von Parteifreund und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gemeint ist, über ein Verbot der NPD auch nur nachzudenken.
Bleibt der zentrale Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit gegenüber der Linkspartei. Zur Bewertung dieser Position sollte man einen Blick auf die bisherigen „politischen Leistungen“ des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann werfen. Unter seiner Verantwortung kamen in Bayern nämlich unter anderem die folgenden Gesetze, Regelungen und Vorschläge zustande:
- Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Demonstrationen.
- Kostenübernahme der Ausgaben für Polizeieinsätze durch Demonstranten.
- Erweiterte Befugnisse bayerischer Ermittler zum legalen Eindringen in private Wohnungen, um dort Überwachungsprogramme auf Computern zu installieren.
- Verstärkte Überwachung des Internet und Vorratsdatenspeicherung.
- Bayerisches Asylrecht, in dem festgelegt wird, dass die Unterbringung von Betroffenen deren Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern soll.
- Ächtung von Computerspielen als „Tötungstrainingssoftware“ und die Forderung nach deren Verbot.
- Burka-Verbot im öffentlichen Dienst.
Mit anderen Worten: Der Mann, der sich hier so entschieden für Freiheit und Freiheitsrechte in Deutschland und Europa einsetzt, der in der Linkspartei einen Verfassungsfeind erkennt und der befürchtet, dass DIE LINKE eine Gefahr für Gesellschaft und Demokratie darstellt, bewegt sich selber permanent am äußersten Rand der verfassungsmäßigen Legalität.
Es wäre insofern angemessen, wenn der Verfassungsschutz seine Aufgaben ernst genug nehmen würde, um Politiker wie Alexander Dobrindt und Joachim Herrmann unter ständige Beobachtung zu stellen. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch einmal über ein Verbot der CSU nachdenken.
Die Verfassung ist kein dehnbares Instrument zur Rechtfertigung politischer Rechtsbrüche, freiheitsfeindlicher Forderungen, als „natürlich“ verbrämter nationaler Gesinnungen oder auf persönlicher Sublimierung basierender Allmachtsfantasien. Sie ist, auch wenn dies in Bayern noch nicht verinnerlicht wurde, die verbindliche Rechtsgrundlage unserer Gesellschaft und steht nicht im Widerspruch zur Forderung der Linkspartei nach sozialistischer Demokratie.