Jedes Jahr ziehen in Österreich auch an den fleißigsten Kinogehern unzählige gute europäische Filme unbemerkt vorüber, da diese zwar auf so manchem renommierten Festival Preise abräumen, jedoch auf dem harten Weg in den regulären Kinobetrieb gnadenlos scheitern. Sie finden keinen Verleih und bleiben großteils ungesehen. Das ist unsagbar schade.
Einmal mehr bietet nun das Crossing Europe Festival vom 23. bis 28. April die Chance, einige dieser Filmperlen doch noch auf der großen Leinwand zu sehen. Der Blick in das Programm bestätigt: Ein Ausflug nach Linz lohnt sich dafür allemal. Nicht weniger als 160 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme bescheren den Zuschauern eine schöne Qual der Wahl. Die Reise führt uns quer durch das europäische Filmschaffen, wobei nicht nur französische oder niederländische Filme auf dem Spielplan stehen, sondern auch Beiträge aus Ländern, die manch einer von uns auf der Landkarte wohl nicht so schnell lokalisieren könnte, wie Georgien oder Moldawien.
Der Fokus liegt wie immer auf dem künstlerischen AutorInnenkino sowie auf dem Regienachwuchs. Zu sehen gibt es viel Beeindruckendes, viel Schönes, aber vor allem auch viele unbequeme Wahrheiten und Schreckensbilder. Dabei ist jeder Film für sich ein starkes Statement zu dem Europa, in dem wir heute leben. Die Grenzen innerhalb dieses Europas sowie die Grenzen in den Köpfen der Menschen – so betont Festivalleiterin Christine Dollhofer – möchte das Crossing Europe mit der Kraft des Kinos niederreißen.
Chrieg (Simon Jaquemet, 24.04., 26.04.)
Autoportretul unei fete cuminti (Ana Lungu, 25.04., 27.04.)
Belye Nochi Pochtalona Alekseya Tryapitsyna (Andrei Konchalovsky, 26.04.)
Edens Edge-Three Shorts on the Californian Desert (Leo Calice, Gerhard Treml, 25.04.)
El Camino Mas Largo Para Volver A Casa (Sergi Perez, 26.04., 27.04.)
Jak Calkowicie Zniknac (Przemyslaw Wojcieszek, 26.04., 27.04.)
La Isla Minima (Alberto Rodriguez, 28.04.)
Letters to Max (Eric Baudelaire, 25.04., 28.04.)
Während die Programmschiene „European Panorama“ herausragende Arbeiten der vergangenen Festivalsaison präsentiert, ringen die Spiel- und Dokumentarfilme in den Wettbewerbs-Sektionen um die Gunst der Jury und des Publikums. Auch in der Sektion „Local Artist“, in der die Aufmerksamkeit auf das oberösterreichische Filmschaffen gelenkt wird, gibt es Preise zu vergeben, so etwa für das beste Musikvideo. Nicht außer Acht lassen sollte man das „Tribute“, das dem begnadeten russischen Filmemacher Sergei Loznitsa gewidmet ist, oder die neue Festivalsektion „Cinema Next Europe“, die eine breite Plattform für den jungen europäischen Filmnachwuchs bietet.
Thematisch trifft man beim Crossing Europe wie immer auf so einiges, das unter die Haut geht. Neben zerfallenen Gesellschaften, Folgen der Wirtschaftskrise, Kriegsnachwehen, Heimatlosigkeit oder dem Kampf um das Wohnrecht, ist es vor allem der mehr oder weniger freiwillige Rückzug aus der Gesellschaft, den viele Filme thematisieren: Ein obdachloser Straßenkünstler (Perekrestok), Aussteigerfamilien (Stále Spolu, Vie Sauvage), wahrgewordene Utopien (Von hier aus, Hide and Seek) oder eine Gruppe von Menschen, die loszieht, um sich in der argentinischen Wildnis auf das Ende der Welt vorzubereiten (Parabellum).
Gut vertreten sind außerdem Filme mit Coming-of-Age-Thematik, in denen junge Menschen zwischen Leichtsinn, Orientierungslosigkeit und dem Wunsch nach Zugehörigkeit ihren Weg suchen (Cure – The Life of Another, Varvari, Tussen 10 en 12). Dass dabei mitunter recht missliche Lagen entstehen, das zeigt Simon Jaquemets Film Chrieg auf vermutlich sehr verstörende Weise. Chrieg wurde bereits mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet.
Maidan (Sergei Loznitsa, 24.04., 26.04.)
Onno de Onwetende (Viktor van der Valk, 28.04.)
Stále Spolu (Eva Tomanová, 24.04., 26.04.)
The Visit (Michael Madsen, 23.04., 28.04.)
Tussen 10 en 12 (Peter Hoogendoorn, 24.04., 26.04.)
Varvari (Ivan Ikic, 23.04., 24.04.)
Vie sauvage (Cédric Kahn, 23.04., 27.04.)
Welp (Jonas Govaerts, 23.04., 24.04.)
Auch ein Alien-Film wird heuer wieder mit dabei sein. Dieser tarnt sich diesmal allerdings als unterhaltsamer Dokumentarfilm mit spektakulären Bildern. The Visit von Michael Madsen entführt uns in das Office of Outer Space Affairs in der Wiener UNO-City und lässt uns ein potentielles Zusammentreffen zwischen der Menschheit und intelligentem extraterrestrischem Leben aus der Perspektive der Aliens erfahren. The Visit wurde vor wenigen Wochen beim Sundance Festival uraufgeführt.
Zuletzt erwähnt sei die „Nachtsicht“, in der Markus Keuschnigg, Gründer des /slash Filmfestivals, fünf aktuelle Beiträge zum Horrorgenre auf das Publikum loslässt. Wie immer werden hier die Grenzen des Erträglichen strapaziert und die Lager gespalten. Wer dennoch der Lust am Grauen frönen möchte, darf dabei zusehen, wie Pfadfinder in einem belgischen Wäldchen von einer gar scheußlichen Kreatur dezimiert werden (Welp) oder ein Modefotograf in einem geheimen Sexklub nach der Erfüllung seiner abartigsten Fantasien sucht (German Angst). Die Filme der „Nachtsicht“ gastieren im Anschluss ans Crossing Europe auch heuer wieder beim /slash einhalb im Wiener Filmcasino.
Weitere Informationen zum Programm und zum Ticketkauf findet ihr auf der offiziellen Homepage.