Ein weiterer perfekter Tag begann in Sant Antoni de Portmany mit tiefblauem Himmel und Sonnenschein. Nach einem ausgiebigen Frühstück nahm ich mir diesmal maximal Zeit zum Ausruhen vor dem Sturm. Ich nahm mir diesmal fest vor, nicht wie irgendein Hobbysportler (nothing wrong with that) als dummes Schaf ohne Plan an den Start zu gehen und „im Schlafwagen den Sinn meines Lebens zu überdenken, während vorn die Post abgeht“ (Zitat Faris). Interessanterweise wird später Sportfreund Gunter Stecher direkt neben uns an der Startlinie stehen und den Start filmen und man kann recht gut erkennen, dass ich diesmal keine Sekunde zögerte und direkt den Weg nach vorn anstrebte.
Also alles nochmal durchgehen: Startnummer am Startnummernband, zweite Startnummer an den Lenker, Klebe-Startnummern links, mitte, rechts an den Helm, Tatoo 1 & 2 an die Oberarme, Tatoo #3 an die linke Wade (Agegroup). Einen weiteren Sticker an die Sattelstütze und einen an die Transition Bag. Die Kabelbinder entpuppen sich als zu klein, aber ich habe ja die freundlichen Spanier im Radladen im Hotel, die mich mit größeren „bridas“ versorgen (wieder ein neues, spanisches Wort gelernt). Dann nochmal eine Kleinigkeit zum späten Mittagessen, alles verpacken und die paar Kilometer rüber zum Traumstrand von Cala Bassa. Dort ist naturgegeben schon die Hölle los, da ja analog die Junioren und Para-Triathleten früh starten. Dann ab 14:00 Uhr die Elite & U23. Den Start bekomme ich gerade noch mit und freue mich, dass wir hier wenigstens 3 Starter aus Deutschland haben (der Deutsche Meister Jens Roth, Hannes Wolpert und Tom Kerner). Und ich freue mich umso mehr, als Jens (allerdings zusammen mit einem Spanier) zuerst aus den Fluten steigt (nicht so überraschend), aber Hannes unweit dahinter (sehr stark!). Durch die kurzen Wege und vielen Runden (4 Bike- und 3 Laufrunden) kann man die Athleten unheimlich oft sehen und anfeuern. Zu Beginn reicht es noch für ein paar Facebook Live-Videos, später muss ich dann selbst einchecken und mich warm machen.
Nach diesmal ausgiebigem Warmlaufen und Gymnastik bleibt auch noch genug Zeit zum Warmschwimmen. Das ist echt ein Traum! Alles total unkompliziert (Spanien halt) ohne 35.000 Regeln, und trotzdem klappt alles wie am Schnürchen. Auf die Sekunde genau wird gestartet in mehreren Startwellen. Die erste um Punkt 16:00 Uhr, wir in der dritten Welle um 16:08 Uhr (ja, liebe Organisatoren, da sind vier (4) Minuten dazwischen bei einem Meisterschaftsrennen! Das garantiert, dass man nicht durch Dutzende Athleten durchschwimmen muss). Gleich geht’s richtig zur Sache und das Schwimmen macht so unendlich viel Spaß trotz der Keulerei. Unter uns der sandige Boden, dann Seegras, dann Felsen und zum Schluss nur noch das tiefe Blau – ein Traum! Ich komme ganz gut weg und bin in einer kleinen Gruppe. Irgendwann sehe ich den Italiener Gianni Sartori neben mir (der beim Duathlon ein paar Sekunden direkt vor mir ins Ziel kam). Ich denke mir „Shit, jetzt kann der Typ auch noch schwimmen!“. Nach der zweiten Wendeboje erwische ich richtig gute Füße. Ein groß-gewachsener Russe mit einem Brutalo-Beinschlag. Dadurch sehe ich aber gar nichts mehr nach vorne – jetzt direkt gegen die Sonne – und entscheide mich dafür, ihm blind zu vertrauen. Dann raus, über den Strand. Gunter, Sandrine und die versammelte deutsche Fan-Truppe feuern an. Ich lege einen ziemlich flotten Wechsel hin und befinde mich direkt bei „meinem“ Russen. Der legt ein flottes Tempo vor, aber ich kann ihm folgen. In der Folge arbeiten wir gut zusammen und überholen gerade nach der Hälfte der ersten Radrunde Bernd Übersezig, der gewohnt schnell geschwommen ist. Leider fährt mein Russe genau in diesem Moment rechts ran mit einem Defekt. Überhaupt sollte ich recht behalten und auf DIESER Strecke wimmelt es nur so von Rad-Defekten. Dutzende Athleten stehen irgendwo an der Strecke beim Flicken. Die vier Radrunden vergehen wie im Fluge, obwohl die Strecke schon sehr überfüllt war und man manchmal beim Überholen „höflich warten“ oder aber grenzwertig aggressiv vorbeidonnern musste. Sorry, boys & girls! Allein rolle ich in die Wechselzone und bekomme – trotz Socken anziehen – einen flotten Wechsel hin.
Perfekte Organisation aus meiner Sicht: Direkt nach der T2 gibt es eine Verpflegungsstelle. Runter vom Rad bin ich immer extrem froh, wenn ich gleich mal meine Birne sauber waschen und kühlen kann. Außerdem gibt es hier bei den Europameisterschaften wie im Weltcup „bottled water“. Das ist zwar aus Öko-Sicht fragwürdig (Müll), aber aus Athleten-Sicht perfekt. Da geht nämlich nicht die Hälfte des Bechers verloren, sondern du hast die ganzen 250 ml zum Kühlen und Trinken. Die Strecke führt direkt über den Strand (mit vielen Zuschauern und wieder Anfeuerung von Sandrine und Gunter. Unser dritter deutscher M50-Mann, Urban Scheld, steht auch schon im frischen Hemd da und ich weiß, dass er wohl auch einen Defekt hatte. Schade. Er ist stark geschwommen und direkt mit mir auf’s Rad.
Die Laufstrecke ist extrem crossig – vom Allerfeinsten. Hier muss man nicht nur Straße schnell laufen können – hier will jeder Schritt auf den scharfkantigen Felsen wohl überlegt und -gesetzt sein. Sonst ganz schnell – ritsch-ratsch – Bänder ab (da kenne ich mich ja aus). Die erste Laufrunde ist noch recht einsam, aber in der zweiten und dritten Runde füllt sich die Strecke.
Zum Schluss hole ich gerade noch einen schnellen Spanier ein (M40, also entspannt). Kurz vor der engen Rechts/Links-Schikane (100 m zum Ziel) geht es rechts ins Ziel und links auf die nächste Laufrunde. So, wie der läuft, bin ich mir sicher, dass er auch ins Ziel läuft. Aber irgendwie hat er bereits die letzten Gehirnzellen abgeschaltet und läuft GANZ RECHTS in die Wechselzone. Er wird zwar sofort von der netten Dame abgefangen, aber wir sparen uns so den Zielsprint und ich bin vor ihm im Ziel.
Das war ein rundherum genialer Wettkampf. Im Gegensatz zu Dienstag habe ich heute alles gegeben und bin komplett zufrieden mit mir und meiner Leistung. Außerdem bin ich froh, überhaupt heil und ohne mechanischen Defekt durchgekommen zu sein. Jetzt erstmal runter kühlen. Aber selbst das geht recht flugs, denn es war gar nicht mehr so arg heiß und der kühlende Westwind blies uns gerade auf den schnellen Streckenabschnitten ins Gesicht.
Nach und nach kommen die Anderen ins Ziel. Aber obwohl der Belgier Didier Vandenbosch behauptet hatte, er könne nicht gut schwimmen und er mich nie überholt hat, ist er jetzt schon im Ziel. Er erzählt mir auch, wie der Franzose Stephane Carron und der berüchtigte Tscheche Tomas Klimek direkt nach ihm ins Ziel kamen. Komisch, denn Natalie aus der Burglengenfeld-Gang hatte mir immer sehr präzise die Platzierungen durchgesagt und mich auf Platz 3. Schade, also wieder keine Medaille. Später treffe ich Urban Scheld und er sagt mir, dass Didier fast 4 Minuten nach uns aus dem Wasser kam, er entsprechend spät an ihm auf dem Rad vorbeikam und er immer hinter mir gewesen wäre. Er schlägt vor, dass ich ihn mal persönlich darauf ansprechen solle, da er ein fairer Sportsmann sei. Da ich ihn aber nicht mehr sehe und genau in diesem Moment die versammelte „Technical Delegation“ neben mir steht, spreche ich den Head Referee darauf an. Später schickt mir Urban eine Message, dass er Didier darauf angesprochen hat und dieser ganz überrascht war, dass wir doch tatsächlich drei statt zwei Laufrunden laufen mussten.
Während ich aber schon abgeschlossen hatte und allein am Strand den Tag für mich emotional abschloss, hörte ich plötzlich aus der Ferne, wie mein Name aufgerufen wird. Das konnte im Grunde nur eines bedeuten: Didier wurde disqualifiziert und ich habe mein Traum-Ergebnis und bin auf dem Podium! Hammer! Also husche ich geschwind hinüber zur Siegerehrung direkt auf dem Strand. Das haben sie einmal mehr perfekt organisiert. Eine Traum-Location und alle Agegrouper stehen schon parat. So werden alle AKs separat geehrt UND es geht gleichzeitig rasch vonstatten. So kann (und MUSS) das gehen!
Fazit: Welch ein perfekter Tag! Zugegeben, die EM-Medaille ist das Sahnehäubchen auf dem ohnehin schon leckeren Kuchen. Aber auch ohne wäre das ein Tag zum „nicht mehr vergessen“ gewesen. Wetter – perfekt. Strecken – perfekt. Orga – perfekt. Mein Rennen – perfekt. Platzierung – (fast) perfekt. Aber vor allem: Der Bub und das Bike sind heil, die Beine fühlen sich nach dieser Extrem-Woche erstaunlich gut an. Danach mit Sara & Family sowie Susi & Marco lecker einen fetten Burger essen und Rennerlebnisse austauschen. Spät in der Nacht komme ich zurück und bin rechtschaffend müde…
Race Stats:
- Wetter: Sonne, 24°C; leichter Westwind; Wasser 23,5°C
- Strecke: 1k Ocean Swim – 20k Bike – 6k Trailrun
- Zeiten: 17:11 (Swim) – 1:13 (T1) – 50:57 (Bike) – 0:44 (T2) – 25:39 (Run) = 1:35:47
- Platzierung: 3. Platz M50 = EM Bronze-Medaille
- Equipment: Nationalmannschafts-Einteiler, Zone3 Goggles, Scott Spark RC MTB, Scott RC MTB-Schuhe, Scott RC MTB Handschuhe, Rudy Project Helm, Oakley Radar Path EV Brille, Asics RS Racer Laufschuhe, Compressport Socken
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