Ich habe mir in der kleinen Weihnachtspause neben einigen anderen Spielen, die auf meiner Liste standen, auch Minecraft zu Gemüte geführt und bin prompt ein wenig süchtig geworden. Dem Minecraft-Hype bin ich, wie so ziemlich jedem Hype in den letzten zehn Jahren, aus dem Weg gegangen, aber irgendwann muss man ja mal schauen, was es damit eigentlich auf sich hat. Immerhin hat das Indie-Klötzchenspiel von Erfinder Markus „Notch” Persson nicht nur Verkaufsrekorde (alle Versionen insg. 56 Mio. Exemplare) gebrochen sondern ein ganzes Genre der Survival-Crafting-Spiele begründet (und damit zig Klone heraufbeschworen) und das Early-Access-Modell salonfähig gemacht. Irgendwas muss also dran sein…
Was ist das eigentlich?
Minecraft ist ein Spiel im 8-Bit-Retrostill, das einem eine recht große 3D-Welt aus Klötzen generiert, die man dann als Spieler aus Egoperspektive erkunden kann. Dabei ist man zunächst auf sich selbst zurückgeworfen, hat nur ein leeres Inventar und die Fähigkeit einzelne Klötze abzubauen. Die Klötze sind Bäume, Erde/Dreck, Stein, Pflanzen. Die Welt ist außerdem bevölkert von friedlichen Tieren wie Kühen, Kaninchen, Wölfen, Hühnern oder Schweinen. Nur nachts kommen die Untoten, Skelette und andere Monster aus ihren Löchern und greifen den Spieler an. Darum ist man gezwungen zu craften, also sich Gegenstände durch Zusammenführen der vorhandene Ressourcen zu bauen. So werden aus Baumstämmen Bretter, aus Brettern Stangen und aus Stangen und Bretten Äxte, Schwerter oder Spitzhacken. Mit denen kann man dann leichter Steine abbauen und Minen ausheben, was einem zu Eisen, Gold, Diamanten und anderen Erzen verhilft. Aus Steinen wird eine Unterkunft, aus Eisen bessere Werkzeuge. Auch muss man regelmäßig essen, weshalb es die Möglichkeit gibt Tiere zu züchen, Weizen und andere Pflanzen anzubauen oder Fische zu fangen und am Ofen zu Nahrung zu verarbeiten (rohes Essen + Brennmaterial = Happahappa). Mit Kohle und Stöcken baut man Fackeln, die die Welt auch nachts erleuchten und böse Zombies fernhalten. Das meiste ‘craftet’ man an einem entsprechende Handwerkstisch (4 Blöcke Holz), aber es gibt später auch Zaubertisch und andere Dinge zu erschaffen.
Je tiefer man gräbt desto mehr Monster und Erze finden sich. Jede Welt (denn das Spiel generiert auf Wunsch immer eine neue) hat Meere, Seen und Flüsse aus Wasser oder Lava. Es gibt hohe Berge mit schneebedeckten Wipfeln, Sümpfe, Dörfer mit NPCs, Wüstentempel, also eigentlich alles, was man als Abenteurer so braucht. Kämpft man mit Monstern (auch Mobs genannt) ‘droppen’ diese Gegenstände von Faden (Spinnen, braucht man für einen Bogen) bis zu seltenen Schallplatten oder Satteln (kann man nicht craften, braucht man um Pferde und Schweine zu reiten). Tötet man ein Tier gibt’s Fleisch. Zähmt man einen Wolf oder ein Ozelot hat man künftig einen Hund oder eine Katze als Begleiter. Die Welt von Minecraft ist einfach aber komplex, wie man anhand dieser Ausführungen vielleicht erahnen kann.
Und es hört nicht auf. Denn man kann mit dem sogenannten Redstone verschiedene Maschinenteile und damit komplexe logische Schaltungen craften. So lassen sich fast alle vorgenannten Aufgaben automatisieren. Auf
Youtube finden sich zig Modelle von unterschiedlichen automatischen Farmen, Transportsystemen (Eisen + Stock = Schiene, Loren aus Schienen, Gold + Stock + Redstone = Antriebsschiene). Die Welt ist scheinbar endlos und mit jedem Update werden z.T. auch neue Materialien und Gegenstände eingeführt. Später kann man ins Nether, quasi eine Form von Hölle, reisen oder ans Ende von allem und begegnet neuen Monster und Materialien. Das ultimative Ziel (wenn man sich kein eigenes setzt) ist, den Enderdrachen zu finden und zu besiegen.
Mods und mehr(-spieler)
Für das Spiel gibt es zig tausende Mods und Ressourcenpakete, erstere fügen neue Spielmöglichkeiten hinzu, letztere verändern das Aussehen des Spiels beispielsweise mit hochauflösenden Texturen oder neuen 3D-Modellen. Egal ob ein komplexeres Transportsystem, Aufzüge, verbesserte Inventarverwaltung oder Kartenfunktion, es bleiben kaum Wünsche offen. Hinzu kommt der Legoeffekt: Man kann in einem eigenen Spielmodus “Kreativ” mit unbegrenzten Ressourcen riesige Bauwerke aus Klötzen bauen und damit Tage zubringen. Und man kann im Multiplayer natürlich auch auf Servern gemeinsam spielen, was bei den riesigen Welten, die man kaum erkunden kann, auch großen Sinn macht und es ist wohl egal, ob man dann miteinander oder gegeneinander spielt.
Im Abenteuer-Modus kann man zuvor erstellte Welten von anderen Spieler durchspielen lassen. Kinder der Achtziger erinnern sich vielleicht noch an
4D Sport Driving aka Stunts, ein Rennspiel mit Streckeneditor, in dem man recht komplexe Parcours zaubern konnte (mit Loopings und Rampen) und danach in 3D mit dem Wagen bestehen musste. So ähnlich funktioniert das auch in Minecraft, man kann also mit den vorhandenen Bauteilen für Maschinen z.B. einen Dungeon mit Fallen errichten und dies dann als Rätselnuss anderen Spielern anbieten. Mit eingebauter Unterstützung für Twitch und einigen Mods für Videocapturing ist es auch kinderleicht einen Livestream abzusetzen oder Let’s Play-Videos aufzuzeichnen. Es ist also scheinbar kein Zufall, dass die LP Szene Minecraft seit Jahren stark zugetan ist.
Ebenso beeindruckend finde ich, dass das Spiel selbst keinerlei Tutorial oder Anleitung enthält, aber die Community ein
sehr detailliertes Wiki erstellt hat, dass man gerade zu Beginn immer wieder konsultieren sollte (und muss).
Craften in der Schule
Und weil Minecraft eben wegen des Potentials für Kreativität so viel Spaß macht, kann es auch im Unterricht verwendet werden. Viele tolle Beispiele dafür findet man online und es gibt sogar eine eigens für den Bildungskontext entworfene Version, mit der man insbesondere recht einfach einen Server aufsetzen kann, um mit einer Gruppe in Minecraft aktiv zu werden. Außerdem können Lehrer mit erweiterten Werkzeugen das Spiel zu einem großen Teil kontrollieren und steuern. Damit sind Welten möglich, in denen die Schüler gemeinsame Projekte verwirklichen können oder sich durch von Lehrern designte Welten rätseln oder bauen. Wem eine Welt wie Second Life zu komplex (und zu unberechenbar) ist, kann in Minecraft ein Werkzeug finden, was wesentlich leichter zu beherrschen und damit eher für die Masse geeignet ist. Wer sich inspirieren lassen will, was alles möglich ist, schaue doch mal hier, hier oder auch hier.
Gut geklont ist halb gewonnen?
Jede gute Idee wird sooft kopiert, bis man nicht mehr weiß, was eigentlich das Original ist. Deshalb findet man diverse Spiele, die entweder das Spielkonzept von Minecraft übernommen haben oder zumindest Elemente davon. Das Genre der Survivalspiele hat es vor Minecraft (soweit ich weiß) so gut wie nicht gegeben, mittlerweile gibt es sie in 2D (Craft the World) oder 3D (Fortresscraft), in Egoperspektive mit realistischer Grafik (H1Z1, DayZ) oder mit isometrischer Comicgrafik (Don’t Starve). Man erleidet Schiffbruch auf einsamen Inseln (Strandes Deep), die Zombieapokalypse hat die Welt dahingerafft etc. etc. Scheinbar gibt es derzeit noch genug Publikum für all diese Spiele. Auffallend viele davon sind noch in einer frühen Phase und erproben ebenfalls das Early-Access-Modell, wollen damit also ganz offenbar ziemlich schamlos vom Erfolg profitieren. Daher ist Vorsicht geboten, wenn man einem dieser Titel begegnet, sollte man unbedingt Probe spielen oder sich wenigstens ein Let’s Play anschauen.
Zu Minecraft hingegen kann ich nur uneingeschränkt raten, das Spiel ist nun auch schon seit 2011 veröffentlicht, wird aber bis heute weiterentwickelt, auch nachdem
Microsoft Mojang übernommen und der Hauptentwickler sich anderen Projekten gewidmet hat. Für 20 Euro kauft man sich hier auch recht günstig ein, wie ich finde. Selbst wenn man vorher kein Fan von Aufbauspielen war, Minecraft lohnt sich trotzdem und ist letztendlich auch ein weitere Beweis dafür, dass Computerspiele auch konstruktiv sein können. Und nun noch ein Let’s Play von Gronkh, zum Kennenlernen.