Das ist ein Schock für deutsche Urlauber_innen und den Algarve-Tourismus gleichermaßen. Das Robert-Koch-Institut ( RKI) hat am 25. Juni Portugal ab dem 29. Juni zum „Virusvarianten-Gebiet" erklärt. Für Reiserückkehrer bedeutet die Einstufung ein weitgehendes Beförderungsverbot und strenge Isolationspflicht: 14 Tage Quarantäne ohne die Möglichkeit, sich nach fünf Tagen „freizutesten" (mittels negativem Corona-Test). Es gelten keine Ausnahmen für Geimpfte und Genesene. Außerdem muss man sich bereits vor der Einreise nach Deutschland auf Corona testen lassen. Ein PCR-Test darf maximal 72 Stunden alt sein, ein Antigen-Test 24 Stunden. Die Regelung gilt ab Dienstag (29. Juni) um Mitternacht zunächst für zwei Wochen.
Damit fällt für die hiesige Tourismuswirtschaft nach den Briten vermutlich eine weitere wichtige Urlaubergruppe aus. Deutschland ist traditionell Portugals zweitgrößter touristischer Markt. Im Jahr 2020 kamen trotz der Pandemie 1,75 Millionen Deutsche - ein Plus von 10.000 gegenüber dem Vorjahr. 2019 kamen immerhin 360.000 Deutsche auch an die Algarve. Die Entscheidung hat bereits eine Kaskade von Stornierungen ausgelöst, räumt Pedro Costa Ferreira, Präsident des portugiesischen Reise- und Tourismusverbandes APAVT, ein. Er rechne mit "Millionenverlusten".
Hintergrund der harschen deutschen Reaktion ist die starke Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus, die im Großraum Lissabon bereits über 70% der gemeldeten Infektionen ausmacht. Aber auch landesweit wird ihr Anteil bereits auf 51% geschätzt. Die portugiesische Regierung spricht deshalb von einem „Kampf gegen die Zeit zwischen Impfung und Krankheitsverlauf". Derzeit sind etwa 30% der Bevölkerung (Algarve: 27%) komplett geimpft, über 50% habe die erste Dosis erhalten. Nur zwei Dosen schützen einigermaßen wirksam vor der Delta-Mutation.
Mit dem Dreiklang aus beschleunigten Impfungen, mehr Tests und Restriktionen versucht die Regierung, die aktuelle Lage in den Griff zu bekommen. Experten erwarten dennoch, dass sich die landesweite Inzidenzrate in 14 Tagen wieder auf über 240 pro 100.000 Einwohner erhöht. Als weitere Maßnahme im Kampf gegen die Pandemie wurde der Katastrophenzustand (Estado de Calamidade) bis zum 11. Juli 2021 verlängert. Außerdem hat Portugal weitere geplante Öffnungsmaßnahmen zurückgestellt. „Derzeit gibt es keine Rahmenbedingungen, die Lockerungen fortzusetzen, da sich das Land "eindeutig in der roten Zone" der Risikomatrix zur Pandemiebekämpfung befindet" so eine Erklärung der Regierung.
Algarve: Nur sieben Gemeinden im Soll
Das Jahr 2021 hat für Region eigentlich ordentlich begonnen. Mit nur 7.897 bestätigten Fällen stand man landesweit gut da. Aktuell verzeichnet die Algarve 23.641 kumulierte Infektionen, das ist eine Steigerung um 199%. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Todesfälle sogar um 406%, nämlich von 72 auf 365. Zugleich ist die Algarve eine der Regionen im Land mit dem niedrigsten Prozentsatz der Bevölkerung mit vollständigem Impfschutz (27%).
Stand 25. Juni stehen an der Algarve 1037 aktive Fälle von Covid-19 zu Buche. In den Krankenhäusern werden 38 Patienten behandelt, 4 davon auf der Intensivstation. 21.919 Menschen sind wieder genesen, 2.572 Personen stehen unter aktiver Überwachung durch die Gesundheitsbehörden. Loulé ist mit 221 die Gemeinde mit den meisten aktiven Fällen von Covid-19, gefolgt von Albufeira mit 196, Faro 163, Olhão 130, Portimão 103, Lagos 81, Silves 54, Lagoa 33, São Brás de Alportel 25, Tavira 16, Aljezur 6, Vila Real de Santo António 5, Vila do Bispo 3 und Monchique 1. Die Gemeinden Alcoutim und Castro Marim sind derzeit ohne aktive Fälle von Covid-19. Eine interaktive Übersicht findet sich immer hier.
Die regionale Gesundheitsdelegierte der Algarve Ana Cristina Guerreiro (Foto) sieht vor allem drei Gründe für die Entwicklung der letzten Wochen. Zum einen sei der Zustrom von heimischen Touristen während der beiden langen Wochenenden Anfang Juni verantwortlich, zum anderen viele Familientreffen. Außerdem erklärte sie, dass ein Drittel der registrierten Covid-19-Infektionen an der Algarve auf Ausländer entfällt, die hier leben oder Urlaub machen.
Albufeira fühlt sich bestraft
Am härtesten treffen die aktuellen Restriktionen den Kreis Albufeira, der nun unter das Kriterium „sehr hohes Risiko" fällt. Hier haben die gemeldeten Infektionen die Marke von 240 pro 100.000 deutlich überschritten (Stand 25.6.: 494). Das heißt u.a. konkret, dass Restaurants, Cafés und Konditoreien unter der Woche um 22.30 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen um 15.30 Uhr schließen müssen, Supermärkte und andere Lebensmitteleinzelhändler unter der Woche um 21 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen um 19 Uhr. Das hat
viele Besitzer veranlasst, ihre Restaurants gleich das ganze Wochenende geschlossen zu halten. Bürgermeister José Carlos Rolo (Foto) empfindet die Einstufung als ungerecht, ja als Bestrafung, da sich die Zählweise an den ursprünglichen 45.000 Bewohnern der Gemeinde orientiere. Aktuell befänden sich aber um die 100.000 Menschen in der Region.
Für Lagos (Inzidenz 237) und Loulé (287) gilt nach der aktuellen Risikoeinschätzung: Restaurants, Cafés und Konditoreien (mit maximal 6 Personen im Innenbereich oder 10 auf den Terrassen) müssen 22.30 Uhr schließen, ebenso Kulturveranstaltungen. Alle Geschäfte und Einkaufszentren können unter der Woche bis 21 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen bis 19 Uhr geöffnet bleiben.
Mit Olhão (Inzidenz 245), São Brás de Alportel (230), Faro (190), Portimão (151), Lagoa (145) und Silves (124) stehen sechs Gemeinden nun auf der Alarmliste der Regierung, da auch hier die Zahl der Fälle auf über 120 pro 100.000 Einwohner gestiegen ist. Wenn ihre Covid-Zahlen nächste Woche keine Besserung zeigen, werden auch sie zurückgestuft. Mit Aljezur (Inzidenz 107), Vila do Bispo (58), Tavira (45), Vila Real de Stº António (27), Monchique (20), Castro Marim (16) und Alcoutim (0) liegen nur 7 der 16 Algarve-Kreise im Inzidenz-Soll.
Weitere Informationen zu Öffnungsprozess/Restriktionen stehen auf der offiziellen Covid-19- Informationsseite der Regierung, alles rund ums Ein- und Ausreisen auf den Seiten des Auswärtigen Amtes, des Bundesgesundheitsministeriums und des Innenministeriums.