Nach sechs Wochen Lockdown leitet Portugal eine schrittweise Öffnung ein. Premierminister António Costa verkündete heute das Ende des Ausnahmezustandes und den Übergang in den „estado de calamidade" (Notstand bzw. Katastrophenfall). Der Ausnahmezustand endet wie vorgesehen am 2. Mai um Mitternacht. Bis 3. Mai gelten allerdings noch die verschärften Restriktionen á la Ostern, um die Mobilität im Land am langen 1. Mai-Wochenende einzuschränken. D.h., Reisen außerhalb des eigenen Wohnbezirks sind verboten, 1. Mai-Picknicks oder Demonstrationen sind untersagt, die Strände bleiben gesperrt.
Im Gegensatz zum Ausnahmezustand, den der Präsident erklären muss, kann ein Katastrophenfall von der Regierung erklärt werden. Im Wesentlichen können Bürgern und Unternehmen dieselben Beschränkungen auferlegt werden, aber das Widerstandsrecht und das Streikrecht (beide im Ausnahmezustand ausgesetzt), sind nicht länger eingeschränkt, ebenso entfallen einige andere Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte. Die Regierung hat jedoch weiterhin die Befugnis, die Bewegungsfreiheit sowie öffentliche Versammlungen usw. einzuschränken.
Alles neu macht der Mai
Für die schrittweise Öffnung des Landes hat die Regierung einen 3‑Stufenplan vorgelegt. Ab 4. Mai dürfen wieder öffnen: lokale Einzelhandelsgeschäfte mit weniger als 200qm Fläche, Friseure, Barbiere, Schönheitssalons, Buchhandlungen, Autohäuser (ohne Flächeneinschränkung), Bibliotheken. Auch öffentliche Services wie Finanz- oder Sozialversicherungsämter nehmen ihren öffentlichen Betrieb wieder auf. Für den Verkehr in den genannten Einrichtungen gelten strenge Hygienevorschriften und eine Maskenpflicht.
Ab dem 4. Mai ist auch jede Art von "Individualsport" im Freien erlaubt. Dies bezieht sich insbesondere auf Surfen und Bodyboarding, aber auch Tennis, Paddle oder Golf - Aktivitäten, die unter dem Ausnahmezustand ausdrücklich verboten waren.
Ab 18. Mai können dann gastronomische Einrichtungen unter strengen Hygienevorschriften und mit einer Kapazität von 50% wieder Gäste empfangen. Auch Museen, Kulturdenkmälker und Kunstgalerien dürfen wieder öffnen, ebenso wie Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 400 Quadratmetern
Für Schüler der der 11. und 12. Klasse steht ab diesem Zeitpunkt wieder Schulbesuch auf dem Plan. Schüler und Lehrer sollen jederzeit Masken tragen und ihre Stundenpläne von 10 Uhr morgens bis 17 Uhr abends ausweiten, um den Druck auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu verringern, die ebenfalls strengen Vorschriften zur sozialen Distanzierung unterliegen und von allen Fahrgästen das Tragen von Masken verlangen.
Ebenfalls am 18. Mai werden Kindertagesstätten für einen Teil der Kinder geöffnet. Eine Höchstzahl ist nicht festgelegt, da die Entscheidung bei den Eltern liegen wird: Zumindest in der ersten Phase dieser Eröffnung können die Eltern wählen, ob sie zu Hause bleiben wollen und Familienbeihilfe erhalten (Anspruch auf 66% der Vergütung). Diese Unterstützung wird ab dem 1. Juni gekürzt, dem Tag, an dem die Kindertagesstätten für alle zugänglich sein werden, da auch die Vorschulen wieder geöffnet werden, wenn die Pandemie dies zulässt. Ab 1. Juni können auch Einkaufszentren wieder ihre Tore öffnen.
Vertrauen und Selbstdisziplin
Bei der Vorstellung der Öffnungsmaßnahmen betonte António Costa, dass die Gefahr noch nicht vorüber sei: "Das Risiko bleibt hoch und die Pandemie aktiv". Der Prozess des Übergangs vom Ausnahmezustand in den Katastrophenzustand "birgt Risiken", sagte er. "Jeder muss die Standards der Hygiene und Abgeschiedenheit übernehmen, um sich selbst und andere zu schützen". Jeder Bürger müsse ein hohes Maß an Selbsdiziplin beweisen. Alle zwei Wochen werde eine Bewertung der Situation vorgenommen. "Ich werde mich nicht scheuen, notfalls einen Schritt zurückzugehen. Dies ist ein Weg, den wir mit Vertrauen und gemeinsam beschreiten müssen", so Costa.