“Islamische Magazine: Zwei Studentinnen wollen mitreden”
(UNICUM / März / Seite 16)
Mehr als vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Eine ziemlich große Leserschaft, dachten sich zwei junge Studentinnen und stellten unabhängig voneinander zwei islamische Lifestyle-Magazine auf die Beine. VON MEREL NEUHEUSER
Kopftuchmädchen. Islam. Deutsch. Leidenschaftliche Basis vieler Talkshows und möglicherweise auch die Lieblingsworte von Thilo Sarrazin. Als dieser über die Integration junger Muslime recherchierte, müssen ihm die beiden Magazine „Imra’ ah“ und „Cube-Mag“ entgangen sein. Und damit die Arbeit von Sandra Adeoye und Fatma Camur. Sie produzieren Lifestyle-, Kultur- und Gesellschaftsmagazine mit islamischem Hintergrund. Und zwar auf Deutsch.
Die 23-jährige Sandra Adeoye mit imposanter Afro-Frisur und einer Vorliebe für große Creolen ist zugleich Herausgeberin, Chefredakteurin und Grafi kerin vom islamischen Frauenmagazin Imra’ ah – zu Deutsch „Frau“. Die Tochter einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters konvertierte erst im vergangenen Herbst. Bald möchte sie auch ein Kopftuch tragen. In der islamischen Religion fand sie Halt und kam so auf die Idee, ein Zeitschriftenformat speziell für muslimische Frauen in Deutschland zu entwerfen.
Dabei war Imra’ ah ursprünglich eine Semesterarbeit im Studiengang Mediengestaltung an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Köln. „Wenn das Konzept sowieso schon steht, bietet es sich doch an, die Idee auch umzusetzen“, dachte sich die Studentin, suchte Werbepartner und legte los. „Man lernt schnell dazu und die zweite Ausgabe ist grafi sch und inhaltlich viel professioneller“, sagt sie und blättert dabei ohne hinzusehen durch das 74-Seiten starke DIN A5-Format mit viel grafischem Schmuck, jedoch manchmal recht körnigen Bildern.
Sie überblättert dabei Seiten mit Models in bodenlangen, bunt gemusterten Kleidern und Kopftuch, der Religion entsprechend zubereiteten Rezepten und Schminktipps unter Überschriften à la “Wie man mit einem dezenten Make-up und einem bezaubernden Lächeln seinem Mann den Tag verschönert”. Daneben finden sich Texte zum Islam oder gesellschaftskritische Gedanken.
Wieso greifen junge deutsche Muslima denn nicht einfach zur Cosmopolitan? „Weil islamische Frauen häufig andere Ansprüche an Mode-, Beauty- oder Lifestylethemen haben“, sagt Sandra. Ob es um Schwimmen im Bikini oder eben Burkini geht oder ein garantiert männerfreies Fitnessstudio. Sie weiß, wie schwer die richtige Mitte zwischen modern und konservativ zu fi nden ist. Die meisten Leser sind begeistert, einigen ist ihr Magazin zu altbacken, zu freizügig oder gar zu islamisch. Letztere Kontaktaufnahmen mit Rechtsdrall ignoriert sie einfach.
Auch das junge Team vom Cube-Mag(azine) bekommt viel positiven Zuspruch und fand auf diesem Weg den einen oder anderen Autoren. Das Cube-Mag entstand, weil einer Gruppe junger Muslime die Art der Berichterstattung in den Medien nicht passte. „Anstatt ständig nur von Pseudo-Islamexperten bequatscht zu werden, wollen wir für Informationen aus erster Hand sorgen“, schreibt die Redaktion auf ihrer Homepage. Fatma Camur ist Redaktionsleiterin und war von Anfang an dabei. Wieso auch bei Cube-Mag eine Frau Herausgeberin ist, kann die 21–Jährige, in Deutschland geborene Tochter türkischer Eltern, erklären. „Junge Mädchen sind generell engagierter als Männer. Dazu bekommen Frauen aufgrund der Sichtbarkeit des Kopftuches Diskriminierung im Alltag wohl noch stärker zu spüren und haben daher auch eine größere Motivation zu zeigen, wie tough und unabhängig sie sind.“ Fatma weiß, wovon sie spricht. Die zierliche Studentin im langen Mantel blickt etwas scheu unter ihrem Kopftuch hervor, was sie sagt, zeigt aber einen festen Willen: „Wenn schon alle über den Islam schreiben“, dachte sie sich, „dann ist es umso wichtiger, dass auch Muslime mitreden.“ Und so entstanden Heft und Blog.
Während der Blog nahezu tagesaktuell die relevanten Themen aufgreift, beschäftigt sich das Magazin eher mit generellen gesellschaftlichen Problemen, Kulturprogramm und dem Islam. Die Autoren kommen aus allen Teilen Deutschlands, kommuniziert wird via Skype. Trotzdem ist die Arbeit als Redakteurin für die Studentin im Fach „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaften“ an der Uni Duisburg-Essen reines Ehrenamt. „Die erste Ausgabe haben wir sogar aus eigener Tasche bezahlt, jetzt fi nanziert sich das Heft selber.“ Gleiches gilt für Imra’ ah. Das ist Ansporn genug für die beiden jungen Medienmacherinnen. Schließlich möchten Sie auch weiterhin zeigen, dass sie das Sprachrohr einer jungen muslimischen Generation sind. Einer Generation, die so vielschichtig ist, dass die Begriffe Kopftuchmädchen, Islam und Deutsch eben nicht mehr ausreichen.
Quelle: UNICUM Ausgabe März 2011