Córdoba (IV)

Dani und ich gingen in eine Bar, wo einer ihrer Freunde Geburtstag feierte. Zu einer hier üblichen Zeit, zu der bei uns die ersten Gäste von Türstehern raus geworfen, oder von Freunden nach Hause getragen werden müssen. Es lief Argentinische Folklore. Neugierig begrüßten mich ihre Freunde und schon fand sich ein Mann, der an mir sein Deutsch aufzupolieren gedachte. Er verbrachte die Hälfte seines Lebens in Karlsruhe, sein Vater arbeitete dort. Als zwei Blondinen uns passierten, hielt er sie mit der Begründung an, ich sei aus Deutschland. Mir was das peinlich. Es wurde Fernet-Cola in Literkübeln getrunken. Und geteilt. Danis Augen sind eine Großstadtnacht – und in einer ihrer Straßen spaziert eine junge Frau, mit einem trotzigen Lächeln.

Draußen kam ich mit einem Kellner ins Gespräch. Er vertraute mir an, dass er seine Arbeit nicht mochte, denn es wäre zu laut, zu stressig und außerdem wäre er Sozialist. Was auch immer das bedeutete. Aber er träumt davon, einmal durch Europa – Spanien und Frankreich, ja sogar Deutschland – zu reisen und deswegen würde er hier noch bleiben müssen. Eine Sternschnuppe streifte seine Augen. ›Und, was denkst Du über die Argentinischen Frauen. Gefallen sie Dir?‹ Ich schaute zu Dani rüber, dann wieder zum ihm, und antwortete: ›Diese Frauen sind verantwortlich für Mord und Totschlag.‹ In seinem Lächeln lag Genugtuung. Ich verschwand wieder in der Bar. Danis Freund Jose behauptete – der Alkohol löste ihn – dass es als Ausländer einfacher sei eine Frau aufzureißen. Ich fragte warum, und er sagte ›eben weil man Ausländer ist‹. Ich verstand das nicht. Dani schaute zu uns, an ihrem Ohr klebte Marcelo, ein anderer Kommilitone. Ich bemühte mich das Thema zu wechseln, aber Joses Sicherungen brannten durch: ›Yeah, heute wird gebumst!‹ und er kreiste mit seinem Becken und seine Hände umfassten eine Hüfte, die auch für den Rest seines Abends nur eine Wunschvorstellungen bleiben sollte. Er wollte mich später ein paar Frauen vorstellen und ich stieß Stoßgebete gen Himmel. Der Ventilator zerhackte sie. Ich ging raus, sein Alter entschuldigte ihn. Auch dafür, dass er alkoholisiert sein Auto benutzte.

Wir fuhren zur Feier, zahlten Eintritt, durchschritten verrauchte laute Räume und erreichten schließlich die Quelle unserer gesundheitlicher Verderbnis. Ich traf einige Leute vom Vorabend wieder. Unter anderem Sigrid und ihre schon wieder – oder immer noch – lallende und in drei Richtung gleichzeitig blickende Freundin aus Italien. Sie attestierten mir Humor, schnorrten Kippen, und ich wollte mich auf meine Art bedanken, aber sie ergriffen rechtzeitig die Flucht. Francesco ähnelte schon wieder – oder immer noch – einer Boje auf hoher See. Plötzlich steckte ein Joint in meinem Mund und Marcello zeigte mir sein Rückentattoo: Das Bandlogo von Aerosmith. Es was flockig und vernarbt. Aber er war trotzdem Stolz darauf. Und wenn man Dani nicht zuvor alleine gesehen hat, wäre man spätestens jetzt der Ansicht, Marcelo wäre ein aus ihrem Ohr wachsender siamesischer Zwilling. Ständig klebte er daran. Francesco, der, aufgrund des Penisses in seinem Gesicht, verdrießlich an der Mauer lehnte, fragte mich, ob ich je etwas mit einer Frau hatte, die mich als Gast aufnahm. Ich sagt nein, und dachte mir meinen Teil, warum er, Dani und mich erneut eingeladen hatte. Zur vorgerückter Stunde traten Musiker auf und später erzählte mir ein Soldat, der auf Zypern stationiert wäre, etwas vom Pferd. Jose stromerte umher, gesellte sich aber schließlich zu mir und einem Deutschen, der in Sydney lebt. Wir sprachen über unsere Reise durch Argentinien, als das Wort ›Falklandinseln‹ fiel. Und als Jose dieses Wort aufschnappte, schien er regelrecht empört und fragte, wie von der Rolle, mit aufgerissenen ungläubigen Augen, wie wir dazu kämen von den Falklandinseln zu sprechen, das – das wären die Malwinen, der Begriff ›Falklandinseln‹ sei falsch, eine Lüge, Geschichtsverdrehung, initiiert von den Briten, die das Territorium okkupierten, obwohl es seit der Unabhängigkeit Argentiniens in ihrem Besitz lag. Wir verstanden nicht so recht, weniger der Historie wegen, als dem Eifer des jungen Mannes. Der Deutsche vertiefte sich, sie sprachen über Kolonialpolitik, den Falklandkrieg, Waffen und mir war die Diskussion zu müßig, ich könnte die Malwinen heute ohnehin nicht mehr annektieren und lehnte mich zurück. Frauen mit Dreadlocks und bunten Gewändern wandelten umher. Zigarettenqualm. Wortschlangen. Gesang. Suchende Augen. Zuckendes Licht. Schweiß.

Marcelo war noch mit hochgekommen. Er musste auf Toilette. Dann stand Dani vor mir, mit der Katze, die nicht ihr gehörte, im Arm. Sie schaute mich an, einen Moment zu lange. Dann wünschte sie mir eine gute Nacht, gab mir einen Kuss auf die Wange und ging in ihr Schlafzimmer. Nein, das war kein erwartungsvoller Blick, ich glaubte darin etwas zu lesen. Aber ließt man nicht nur das, was man lesen möchte?


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