Der aktuelle Stand der Forschung ist auch in polnischen Fachpublikationen präzise und objektiv beschrieben, in populären Darstellungen aber nicht einmal angedeutet. Entsprechend klar fiel die Umfrage des staatlichen Senders TVP über die ‘größten Polen der Geschichte’ aus: Nach dem Papst Johannes Paul II. belegte Kopernik den zweiten Platz. Unter demselben Gesichtspunkt wird er auch in fast allen Schulbüchern behandelt, ungeachtet der Tatsache, dass die deutsch-polnische Schulbuchkommission eine differenzierte Darstellung empfiehlt.
Doch ist dies ja längst nicht der einzige Streitpunkt, in dem die Empfehlungen der Kommission ignoriert werden. Deren langjähriger stellvertretender Vorsitzender, der Stettiner Historiker Jan Maria Piskorski, beschrieb einmal das Dilemma angesichts der emotionsgeladenen historischen Debatten: Es gebe in Polen zahlreiche Experten, die die Dinge differenziert betrachten, aber ‘die Reaktion der breiten Öffentlichkeit, die wir oft infantil finden, fürchten’. Dass auch ein Großteil der Warschauer Elite im Fall Kopernikus von einer ‘europäischen Sicht’ entfernt ist, wie es in Berlin gern formuliert wird, stellte nun der Vorsitzende der Kommission der Akademie der Wissenschaften für kosmische Forschungen, Piotr Wolanski, klar. Nach seinen Worten vergrößert die Version ‘Copernicus’ die Chance, dem Ruf der polnischen Wissenschaft ‘in der Welt Geltung zu verschaffen’. Wie sich dies aus einem lateinischen Namen ergeben soll, erklärte er nicht. / THOMAS URBAN, Süddeutsche Zeitung 3.1.