Conny meets Wolfgang Bosbach

Von Cornelia Wilhelm @NiveauKlatsch

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Noch vor einigen Wochen sorgte Wolfgang Bosbach für amüsierte Mienen beim TV-Publikum, als er spontan im Prominentenspecial von "Wer wird Millionär?" beschloss, die Kanzlerin persönlich anzurufen und als Joker einzusetzen.
Wir haben uns mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages unter anderem über Politikverdrossenheit, den Ausdruck "Ruck nach rechts" und Karneval im Rheinland unterhalten. Außerdem hat uns brennend interessiert, wie Frau Merkel auf seinen versuchten Anruf während der Show reagiert hat.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Herrn Bosbach für die Zeit und wünschen euch viel Spaß beim Lesen!
Liebst,
Conny

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Conny: „In den Medien wird immer von einer niedrigen Wahlbeteiligung gesprochen. Sind Sie denn der Meinung, dass die Menschen aktuell keine Lust auf Politik haben?“ 
W. Bosbach: „Politikverdrossenheit ist vielleicht nicht das richtige Wort. Jedenfalls ich kann nicht feststellen, dass die Menschen heutzutage viel weniger Interesse an Politik haben als in der Vergangenheit. Unzählige Briefe und Gespräche belegen das Gegenteil. Richtig ist, dass wir ein hohes Maß an Parteien- und Politikerverdrossenheit haben. Dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl relativ niedrig war, ist allerdings kein Wunder. Je heftiger und je kontroverser in der Vergangenheit die Auseinandersetzungen in den Wahlkämpfen waren, desto höher war die Wahlbeteiligung. Beim Thema „Europa“ gibt es jedoch ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien. Soll man das wirklich beklagen?“
Conny: „Akuell sprechen sich viele Menschen gegen den Euro und Europa aus. Außerdem wird immer wieder der „Ruck nach rechts“ diskutiert. Sind Sie der Meinung, wir müssen uns Sorgen machen? Was halten Sie von der aktuellen Entwicklung in diesem Bereich?“ 
W. Bosbach: „Glücklicherweise gibt es in der Bevölkerung keine tief verwurzelte Abneigung gegen den europäischen Einigungsprozess. Ganz im Gegenteil: Der europäische Einigungsprozess wird von den allermeisten Menschen freudig begrüßt. Er ist in erster Linie ein Prozess des Friedens und der Freiheit. Es gibt allerdings einen erheblichen Unmut über die Regulierungswut der europäischen Bürokratie. Und dafür habe ich Verständnis. Europa muss wirklich nicht alles regeln, was man irgendwie regeln kann. Europa sollte nur das regeln, was dringend europaweit einheitlich geregelt werden MUSS. Das ist ein Unterschied. Auch die Währungseinheit Euro wird doch nicht von den allermeisten grundsätzlich in Frage gestellt. Aber es gibt Kritik und Zweifel an der Tauglichkeit des Eurorettungskurses. Es gibt Zweifel, ob die Rettungsbemühungen und die damit verbundenen Haftungsrisiken letztendlich den gewünschten Erfolg haben werden. Viele stellen die Frage, ob wir nicht zu Lasten zukünftiger Generationen zu hohe Risiken eingehen. Darüber muss man diskutieren dürfen und darf diese Diskussion dann nicht mit einer strikten Ablehnung der Währungseinheit Euro gleichsetzen.“

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Conny: „Sie haben sich in der Vergangenheit für mehr Videoüberwachung ausgesprochen. Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage in Deutschland?“ 
W. Bosbach: „Deutschland gehört zu den sichersten Ländern der Welt, was allerdings im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass wir überhaupt keine Schutzlücken haben. Es geht doch in Deutschland wirklich – nicht – um eine flächendeckende Videoüberwachung wie z.B. in London, auch wenn das immer und immer wieder behauptet wird. Aber falsche Behauptungen werden durch ständige Wiederholungen nicht richtig. Es geht um den gezielten Einsatz von Videotechnik zur Gefahrenabwehr, also zur Abwehr und Aufklärung von Straftaten, z.B. an Orten mit einem besonders hohen Verkehrsaufkommen wie in großen Bahnhöfen oder auf Flughäfen. Es ist doch wirklich peinlich, wenn wir für die Aufklärung eines versuchten Anschlags nicht auf die eigene, hauseigene Technik zurückgreifen können, sondern wenn wir uns die zur Fahndung notwendigen Bilder in einer Filiale von McDonald’s besorgen müssen.“
Conny: „Wie hoch ist denn die Terrorgefahr in Deutschland, ihrer Meinung nach?“ 
W. Bosbach: „Der Innenminister hat vor wenigen Tagen bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2013 von einer „konkreten, tödlichen Bedrohung“ gesprochen. Damit war die Bedrohung durch radikalisierte und brutalisierte islamistische Kämpfer, die von Syrien oder dem Irak nach Deutschland kommen, gemeint. Die Ermordung von vier Menschen vor dem jüdischen Museum in Brüssel hat gezeigt wie real die Gefahr ist.“
Conny: „Können Sie nachvollziehen, wenn ausländische Mitbürger sagen, sie würden sich in Deutschland nicht zuhause fühlen?“ 
W. Bosbach: „Interessant ist, dass wir beides gleichzeitig erleben. Es gibt eine beachtliche Kritik an angeblich mangelnder Akzeptanz von zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern durch die Aufnahmegesellschaft einerseits und es gibt den großen Wunsch von Millionen Menschen hier zu leben. Wir sind das Land mit der zweitgrößten Zuwanderung. Das ist kein Indiz dafür, dass es in Deutschland an Akzeptanz von Zuwanderung fehlt. Wir dürfen nicht die strikte Ablehnung von salafistischen Bestrebungen verwechseln mit der so genannten „Islamophobie“. In Deutschland leben vier Millionen Muslime. Wir sind außerhalb der islamischen Welt das Land mit dem zweitgrößten islamischen Bevölkerungsanteil. Der allergrößte Teil ist friedlich und rechtstreu. Aber in Deutschland leben auch über 40.000 Islamisten und 6.000 Salafisten. Tendenz steigend. Das macht uns unter Integrationsgesichtspunkten und unter Sicherheitsaspekten Sorgen.“

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Conny: „Hätten Sie eigentlich gedacht, dass ihr Anruf bei Angela Merkel bei „Wer wird Millionär?“ solche Wellen schlägt?“ 
W. Bosbach: „Nie! Darüber war ich wirklich überrascht, zumal ich die Sendung selber leider nicht sehen konnte. Aber natürlich kann ich mich an die Aufzeichnung noch gut erinnern. Einige haben wohl gedacht, dass mein versuchter Anruf bei der Kanzlerin eine Art PR-Gag gewesen sei, das ist natürlich Unsinn. Woher sollte ich wissen, dass eine Frage mit Bezug zur ehemaligen DDR gestellt werden würde? Außerdem war es ein erheblicher Aufwand, meine Jacke mit meinem Handy in das Aufnahmestudio zu bringen, denn die Jacke befand sich in der Garderobe in einem anderen Teil des Gebäudes. Es hat einige Zeit gedauert, bis das Handy vor Ort war, aber der Aufwand wurde aus der Sendung herausgeschnitten – was aus dramaturgischen Gründen sicherlich notwendig war. Daher konnte wohl bei einigen Zuschauern ein falscher Eindruck entstehen.“

Conny: „Hat sich Frau Merkel im Nachhinein geäußert?“
W. Bosbach: „Nein, leider nicht. Wir hatten zwar telefonischen Kontakt, aber noch nicht die Gelegenheit zu einem längeren persönlichen Gespräch. Außerdem glaube ich, dass sich die Begeisterung der Kanzlerin in Grenzen hält, was ich heute sogar verstehen könnte.“
Conny: „Es wurde ein Buch mit dem Titel „Jetzt erst recht“ über Sie geschrieben. Wie erleben Sie es, dass die Leute dieses Buch lesen und sich mit Ihrer persönlichen Geschichte befassen?“ 
W. Bosbach: „Wenn ich das Buch in der Hand halte, habe ich ganz verschiedene Gefühle. Einerseits war ich gerührt und auch etwas stolz, dass sich eine so profilierte Autorin wie Anna von Bayern literarisch über mein Leben gebeugt hat. Auf der anderen Seite sieht man sein geschriebenes Leben ganz anders als sein erlebtes Leben. Anna von Bayern hat ganz andere Schwerpunkte gesetzt als ich sie gesetzt hätte – aber das ist auch richtig so. Es ist ja eine Biografie, keine Autobiografie. Es ist eben nicht mein Buch, es ist ein Buch ÜBER mich – und das ist ein erheblicher Unterschied. Für mich ist es interessant zu erfahren, wie ein Außenstehender mein eigenes Leben gewichtet und bewertet. Ich persönlich hätte allerdings ein anderes Titelbild genommen. Aber das war die Entscheidung des Verlages. An vielen Stellen des Buches darf ruhig von Herzen gelacht werden. Dazu steht das Bild allerdings in einem Gegensatz.“
Conny: „Haben Sie das Buch vor der Veröffentlichung gelesen?“ 
W. Bosbach: „Ich habe das Rohmanuskript bekommen, aber nicht mit der Bitte, das Buch zu ändern, sondern nur, meine Zitate zu autorisieren. Ich habe minimale Änderungen vorgenommen. Bei einer Änderung war ich allerdings sehr konsequent. Ich habe überall das Wort „Fasching“ durch „Karneval“ ersetzt (lacht). Wenn in dem Buch stehen würde, dass ich „Faschingsprinz“ und nicht „Karnevalsprinz“ war, wäre meine Karriere im Rheinland vermutlich beendet. Deshalb habe ich auf die Korrektur großen Wert gelegt. Im Übrigen habe ich auf den Inhalt des Buches überhaupt keinen Einfluss genommen.“

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Conny: „Sie sind in diesem Jahr Ehrensenator der Düsseldorfer Karnevalsgesellschaft geworden…"
W. Bosbach: „Das war wirklich eine Überraschung. Jeder weiß: Gerade im Karneval gibt es traditionell eine gewisse Konkurrenz zwischen Düsseldorf und Köln. Vor diesem Hintergrund war ich überrascht und begeistert, als mir die Düsseldorfer KG Weissfräcke diese große Ehre angetragen hat.“
Conny: „Gehören Karneval und Politik zusammen?“ 
W. Bosbach: „Außerhalb des Rheinlandes ist es nicht leicht zu vermitteln welche überragende Bedeutung der Karneval für uns hat. Das geht weit über die Zeit zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch hinaus. Karneval ist ein Lebensgefühl. Wir Rheinländer lieben das Leben und nehmen uns nicht wichtiger, als wir selber sind. Als Politiker sollte man allerdings aufpassen, dass man nicht in den Karneval geht weil man glaubt, als Politiker dorthin gehen zu müssen. Sozusagen zur Erhöhung der eigenen Popularität. Die Leute merken genau, ob man am Karneval wirklich Spaß hat oder man glaubt kommen zu müssen, weil es sich als Politiker so gehört. Ich persönlich bin mit dem Karneval groß geworden und bin viel länger karnevalistisch aktiv als politisch. Dann jedoch ist die Kombination „Karneval und Politik“ fast schon selbstverständlich – was sie im Rheinland ohnehin sein sollte.“