Conny meets Ingo Appelt

Von Cornelia Wilhelm @NiveauKlatsch

Foto: Peter Schaffrath

Ingo Appelt ist aktuell mit seiner Tour "Frauen sind Göttinnen-Wir können nurnoch beten" unterwegs und füllt die Hallen der Republik. 
Wir freuen uns sehr, dass er sich die Zeit genommen hat, sich mit uns über das aktuelle Programm und seine bisherige Karriere zu unterhalten. Warum das "F*****"-Schild in der Versenkung verschwunden ist, dass Herr Appelt durchaus sehr tiefsinnig sein kann und wie Elefanten mit pubertierenden Jungtieren umgehen, lest ihr hier.
Liebst,
Conny

PS.: Tickets zur Show gibt's hier!


Conny: „Ihr neues Programm heißt „Frauen sind Göttinnen“. Worum geht es?“ 
I. Appelt: „Das Thema sind die Frauen… und natürlich Männer. Kabarett hat immer etwas mit „Paarthemen“ zu tun. Aktuell stelle ich fest, dass die Frauen etwas verärgert über ihre Männer sind. Daher dachte ich, ich mache mal einen auf „Martin Rütter der Männlichkeit“. Die Männer müssen erzogen werden. Ich selbst habe das auch – qualvoll – lernen müssen. In den letzten zwölf Jahren habe ich eine Wandlung vom Saulus zum Paulus durchgemacht. Es war quasi ein harter Weg vom „F*****“-Schild-Hochhalter zum Frauenversteher. Und genau auf diesen Weg möchte ich die Jungs von heute gerne mitnehmen, aber sie bocken noch. Sie wollen nicht so wirklich. Ihnen wäre es lieber, weiterhin Ferkel zu bleiben.“ (lacht
Conny: „Sind denn wirklich ALLE Frauen Göttinnen?“ 
I. Appelt: „Neben Männern auf jeden Fall. Neben einem Mann sieht eine Frau immer irgendwie göttlich aus. Das wissen wir Männer aber natürlich auch. Wenn man versucht, einer Frau zu gefallen, muss man andere Dinge tun, als wenn man versucht, einem Mann zu gefallen. Darum geht es auch im Programm. Das ist auch auf die Politik übertragbar. Wenn hier versucht wird, Angela Merkel zu gefallen, hat man automatisch ein ganz anderes politisches Verständnis. Wir haben ein Männersterben in der Politik und wollen diese „Berlousconihaftigkeit“ nicht mehr sehen. Wir wollen Konstruktivität, wir wollen es nett und charmant haben. Bei den Religionen ist es genauso! Wir haben überwiegend männliche Weltreligionen, die eben auch von Männern gegründet wurden und männliche Ideale haben. Genau die führen aber ständig in den Krieg und sorgen dafür, dass Frauen unterdrückt werden. Schwulenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Kriegsgläubigkeit… das alles sind Attribute männlicher Religionen. Das liegt eben daran, dass Männer genau DAS gerne tun, weil wir eben glauben, der Chef da vorne sei ein Mann. Dann werfen wir eben auch mal einen Stein von der Autobahnbrücke oder machen irgendeinen anderen Scheiß. Männer beeindrucken heißt: Auto anzünden, Frauen beeindrucken heißt: Kerze anzünden.“ 
Conny: „Joah,… doch. Das hat was…“ 
I. Appelt: „Ja, es ist so! Auch weltweit funktioniert das genau so! Überall dort, wo die Frauen am fortschrittlichsten behandelt werden, ist es am friedlichsten. Dort, wo Frauen unterdrückt und beispielsweise auf offener Straße vergewaltigt werden, will ja keiner hin. Das ist grauenhaft. Die Gleichstellung der Frau ist unheimlich wichtig. Das haben wir bei uns auch noch nicht geschafft. Frauen werden immer noch nicht gleich bezahlt. Aber es gibt eben auch Länder, in denen Männer glauben, sie dürften Frauen steinigen, wenn sie ihre Meinung äußern. Darum dreht sich ein ganzer Weltkonflikt. Viele sagen „Ach, dieses Männer-Frauen-Thema ist so abgelutscht!“… na, wenn es mal abgelutscht wäre, wäre es schön.“ 

Foto: Peter Schaffrath

Conny: „Ich bin gerade beeindruckt, wie tiefgründig die Antwort gerade ist…“  
I. Appelt: „Diese Erkenntnis hat natürlich auch mit der eigenen Biographie zu tun. Man schaut sich an, was man früher gemacht hat, warum das mit dem „F*****“-Schild zuerst funktioniert hat… und dann eben nicht mehr. Warum wollte auf einmal keiner mehr mit dir reden? Warum bist du auf einmal das enfant terrible? Was ist los? Warum bin ich der einzige Mann in der Comedy? Warum redet niemand deutlich, steht auf und sagt „So isses!“. Das passt aber eben nicht zur deutschen Kultur. In Amerika ist das anders. Dort wird auf den Comedy-Bühnen richtig vom Leder gezogen. Bei uns wollen aber alle nett und freundlich sein. Da mag man einen Dieter Nuhr lieber als einen Ingo Appelt. Und ich frage mich: „Warum sind bloß alle so scheißfreundlich?“. Warum laufen im Radio nur Schnulzen? Wenn ich den Fernseher einschalte, sehe ich entweder „Germany’s next Topmodel“, Castingshows oder dass Männer kochen. Was ist denn los?“ 
Conny: „Gibt es einen Bereich in der Comedy, über den Sie überhaupt nicht lachen können?“ 
I. Appelt: „Ich mag es nicht, wenn es ZU nett wird. Ich selbst polarisiere ja auch sehr gerne. Mir geht es um Wahrheiten. Mit langweiliger Unterhaltung á la „Wir sind jetzt mal nett!“ kann ich nichts anfangen. Das geht mir auf den Senkel. In der Schweiz ist das sehr ausgeprägt. Dort geht das Kabarett-Comedy-Publikum genau in diese Richtung… und dann brauchen sie eben auch die entsprechenden Künstler dazu. Ich finde es schön, wenn man das ein wenig aufbrechen kann. Im Ruhrgebiet ist es nicht so schlimm. Da herrscht eine Grundherzlichkeit vor, man ist ehrlich zueinander… und geht danach ein Bierchen trinken.“ 
Conny: „Sie haben selbst drei Kinder. „Pubertät“ wäre doch auch mal ein Thema für ein Comedyprogramm, oder?“ 
I. Appelt: „Pubertierende Teenager spielen im aktuellen Programm schon eine Rolle. Ich bin aber kein Erzieher. Aber eigentlich müsste man die Jungs von 13 bis 22 wegsperren (lacht), … oder auch wie es die Griechen früher gemacht haben: Argonautenfahrt. Da wurden die jungen Männer tatsächlich für ein paar Jahre in die Wüste geschickt! (lacht) Man konnte innerhalb einer Zivilgesellschaft mit Männern nichts anfangen. Männer wollen in dieser Zeit alles in Grund und Boden hauen. Sex, Krieg und Gewalt… etwas anderes interessiert sie da nicht, weil sie mit Testosteron dermaßen zugeknallt sind. Den Elefanten geht es auch nicht anders! Männliche Elefanten werden ausgesondert und die Elefanten-Mädels sagen: „Raus, du Arschloch!“. Dann stehen die Männer abseits des Rudels in ihrem Testosteron-Sud und wissen nicht, was sie mit sich anfangen sollen. Und den Menschen geht es genauso! Wenn da bei den Jungs die Hormone einschießen, werden sie komisch. Sie reden nicht mehr, machen komische Sachen." 

Foto: Peter Schaffrath

Conny: „Was halten Sie denn von „facebook“ und Co.?“ 
I. Appelt: „Dafür bin ich zu alt (lacht). Naja, das war übertrieben, aber ich habe dazu eher ein klassisches Verhältnis. Ich nutze es schon, aber mir ist das alles ein wenig unheimlich. Ich hasse diese Anonymität. Genau das habe ich in letzter Zeit auch wieder gemerkt. Da saß ich in einer Polit-Talkshow und es ging um Peer Steinbrück, Bundestagswahlen usw. . Wenn man sich danach die Kommentare über „facebook“ ansieht, geht das in eine Richtung nach dem Motto: „Der Appelt, dieses dumme Arschloch, soll seine Fresse halten! Der hat doch keine Ahnung!“. Man wird da auf eine Art und Weise angepöbelt, bei der man genau weiß, dass -wenn dir diese Leute gegenüber stehen würden- würden sie die Klappe nicht aufkriegen. Das Internet verleitet aber gerade junge Männer dazu, ziemlich ekelerregende Dinge von sich zu geben.“ 
Conny: „Sie interessieren sich sehr für Politik. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Politik und Comedy?“  
I. Appelt: „Grundsätzlich nicht. Ich gehe aber im Bereich der Politik als Mensch und nicht als Kunstfigur raus. Ich habe diesen Auftrag, quasi einen missionarischen Auftrag und eine Botschaft. Ich verhalte mich auf der Bühne ähnlich wie ein Politiker. Was auch heißt, dass ich entsprechend angegriffen werde. Ich polarisiere auch ähnlich. Man muss nicht immer über Politik reden, um politisch zu sein. Im Prinzip gibt es schon fast nichts Langweiligeres mehr als Polit-Satire. Das ist doch immer das Gleiche. Immer nach dem Motto „Die da oben sind doof und wir sind die Guten!“. Diese Selbstgerechtigkeit im Kabarett hat mich schon immer gestört. In Amerika ist das auch wieder anders. Politik funktioniert da so ähnlich wie Stand-Up. Jemand stellt sich auf die Bühne und solange ihm die Menschen zuhören ist er dabei. So wird man dann auch Präsident. Das sind Entertainer. Bei uns haben sie dann eher den Stock im Arsch.“ 
Conny: „Wie sehen denn Ihre Pläne für 2014 aus?“ 
I. Appelt: „Ich plane noch eine ganze Menge für 2014 und 2015, aber dazu darf ich noch nichts sagen. Ätsch! (lacht) Ich bin selbst gespannt was kommt, bin auch immer mal wieder im Fernsehen zu sehen. Ich ziehe mich da nicht komplett heraus. Ich hatte auch in den letzten 12 Jahren zu kämpfen, damit ich in der Wahrnehmung der Menschen bleibe. Das ist mitunter sehr schwer. Wenn man mal so einen Schuss vor den Bug bekommen hat wie ich, muss man sehr kämpfen. Ich bleibe aber dran. Mich werdet ihr nicht los! (lacht)“