Conexión Musical: Aus dem toten Winkel [Eigenvertrieb] Das dreckige Dutzend beatbegleiteter Hiebe in die Magengrube.

Conexión Musical: Aus dem toten Winkel [Eigenvertrieb] Das dreckige Dutzend beatbegleiteter Hiebe in die Magengrube.
Sich als dezidiert gesellschaftskritische Gruppe in einem Marktsegment zu positionieren (und zu behaupten) in dem homophobe Ausfälle und alphatierhaftes Gehabe weder ne Seltenheit, noch ne unüberlegte Leichtfertigkeit sind, ja dieser Ansatz erfordert schon ein gewisses Mass an Chupze und sollte auch als mutiges dem Trend-Entgegentreten wahrgenommen werden. 
Natürlich macht das autonome Trio von Conexión Musical (Blank, Lena Stoehrfaktor, Clauditio) bei seinem dritten Album nicht Halt bei der offenen Kritik an Homophobie, sondern auch der szeneninterne oftmals krass unreflektierte Sexismus wird abgewatscht, Rasse als widerliches Konzept sowieso, Fluchtursachen, Machtmissbrauch, Reizüberflutung und auch die persönlichen Krisen werden zum Thema gemacht. Phallusphantastereien, Koks und Nutten wiederum fehlen völlig auf der Agenda, erfrischend!
Die Contras zu Beginn, dann kann ich sie mir später sparen. Die Beats sind bis auf zwo Ausnahme komplett von Blank produziert worden, was eine gewisse Gleichförmigkeit mit sich bringt, sie kommen war hübsch moody, getragen und durchaus charmant daher, aber eine gewisse Vielfalt hätte hier sicherlich nicht geschadet. 
Dieses Faktum wird besonders deutlich, wenn bei Stillstand & Auf Knopfdruck jemand anderes (namentlich  DJ Fulano & Blank bzw. MC Manu) den Beatschmied gibt und sichtbar wird, dass hier eine deutlich breitere musikalische Idee hätte verwirklicht werden können. Aber sperren wir den Konjunktiv ma in den Keller - oder?
Auch die Reimpattern stellen an manchen Stellen für das verwöhnte Swaggergourmetohr eine gewisse Herausforderung dar, aber hier zählen ja die Inhalte und nicht die Silbenfülle. Aber Blanks steter intonationsarmer Vortrag hat mich manchmal schon grandios geärgert, mit etwas (ein ganz klein wenig mehr) Stimmmelodie würden seine immer grandios wirksamen Bilder viel eher im Ohr verhaftet bleiben.
Man kann den Adressaten zwar bewusst fordern und auch enttäuschen und frustieren, aber manch einer wird dann eher abschalten als zuhören. Ich denke aber, dies ist Teil des Wahrnehmungskonzepts der Band und daher für mich vollkommen ok. Trotzdem begeistern mich Clauditos und insbesondere Lenas druckvolleren Passagen deutlich mehr.
Aber mal ehrlich, diese Kritik ist tatsächlich Jammern auf hohem Niveau, denn wer alles - und ich meine damit wirklich alles - independent, autonom und vorallem nicht profitorientiert durchzieht, der kann eigentlich nur bestaunt werden. 
Lest hierzu mal die Selbstdarstellung von Conexión Musical auf ihrer Webseite, erhellend und wichtig. Dort könnt ihr übrigens auf alle Tonträger, etwaige T-Shirts und so bestellen. Weltfrieden und einfache Antworten haben sie leider ausm Shop geschmissen.
Wenn ihr euch mal das Coverartwork anschaut wird klar, dass hier keiner unüberlegt irgendwie linksorientierte  Parolenreste auf Beats gezimmert hat. 
Im Gegensatz zur stumpfen Dichotomie vieler Punkbands, die die Welt gezielt vereinfachend in die omnikompetenten, schwarzbejackten Retter aller Welten (also Eins bis Vier - je nach Zählart) und den fremdgesteuerten Rest einteilen, finden wir hier komplexe Meditationen über die sogenannten Verhältnisse vor und wir sind natürlich auch immer ein Teil davon. Egal was dir dein Punk-by-the-Book-Lebenshilferatgeber sonst auch erzählen mag.
Kommen wir mal zurück auf die Covergestaltung. Eine beliebige Person steht selbstvergessen tanzend auf dem überlebensgroßen Sprengsatz, flankiert von Fernsehteams, die mal wieder den Sprung durch den Quotenfeuerring praktizieren müssen und den jubelnden, applaudierenden Anderen mit Kamera und voller Lebenslust. Alle scheinen glücklich und die Kameras surren leise.
Kann man die Leichtfertigkeit der heutige Welt besser aufn Punkt bringen - wohl nicht. Das medial begleitete Auseinanderklaffen der sozialen Schere hätte man auch polemischer haben können, dann hätte aber auch der Adressat nücht nachdenken müssen. 
Und die 12 Songs, die sich hinter diesem Cover verbergen sind auch ähnlich anspielungsreich und treffend. Erfreulicherweise wurde auf Album 3 die Wut größtenteils gekonnt kanalisiert, etwas was mir die ersten beiden Alben etwas vergrätzte. 
Aber hier passt alles, jede angepisste Zeile, jedes bedrückte Bild sitzt und keine mitgröhlgeeignete Passage bricht den Panzer dieser Texte auf. 12 brettharte Brocken, Steine im Magen, kein Schielen auf Hooks, kein billiges Gewäsch übers Weltretten und vorallem keinerlei Antworten. Ne Platte zum Innehalten, Nachdenken, Gut-oder Schlechtfinden - aber sendungsbewusst allemal.
Und dass Conexión Musical deutlich tiefer im Punk als im ungeliebten Hip Hop verwurzelt ist zeigt sich an den Features. Das Creative-Commons-Kollektiv Früchte des Zorns mischt mit und auch Rhizio (Guts by Earshot) zupft seine Saiten für eine andere Welt und die lautstarke Atzenunterstützung auf Plastebeats fehlt völlig. 
Diese Platte widersetzt sich jeder einfachen Zugänglichkeit, will keine Imagefolie sein - inszeniert die politische Äusserung nicht als Event. Aus dem toten Winkel wird sicherlich nicht jedermann Ding sein, aber ich freue mich, dass es diese konsequente selbstverwirklichte, selbstbestimmte Form von musikalischem Protest immer noch gibt.
Wer sich begeistern konnte - der geht fix auf die Webseite, spendet Bargeld für Haltung und Ideen und bekommt vielleicht demnächst ein weiteres Produkt vollgepackt mit  pissigen, scharfzüngigen und -kantigen, kritischen Anmerkungen an den alltäglichen Irrsinn jedes Landes, jeder Stadt, jeder Szene.
Und ja - folgerichtig ist auch, dass man ein (verdammt düsteres) Video selbstgemacht hatt. Und wer jetzt das Gerücht in die Welt setzen mag, ich hätte den Clip nur gewählt, weil das Einbetten leichter ist als die Auswahl eines anderen Songs für Soundcloud, der hat wahrscheinlich ohnehin nichts verstanden. Aber besten Dank, dass ihr bis zum Ende durchgekommen seid. - Versucht euch jetzt mal an Conexión Musical, die haben auch was zu sagen. Cheerz!
 

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