„Condo-Gossip“ oder „nicht unbedingt die hellsten Kerzen am Baum“

Erstellt am 15. Mai 2020 von Viktoria

Nach einigen Wochen der Newton-Hawker-Treue entscheiden wir uns spontan, heute Abend dem Lau Pa Sat Hawker einen Besuch abzustatten. Da ich mit den Jungs eh in die Stadt wollte, bietet sich das einfach an.

So mache ich mich am Nachmittag mit den Kids zu einer Runde Wasser-Spielspaß im Gardens by the Bay Waterplayground auf. Sie tollen glücklich durch die nachmittägliche Sonne und sind neben zwei anderen Kindern die einzigen. Die allgegenwärtige Covid-19 Angst ist wieder mal zu spüren.

Als dann endlich Martins Feierabend ruft, werfe ich die Kleinen schnell in trockene Kleidung. Wir tingeln in Richtung Central Business District, um ihn direkt am Hawker für unser Familiendinner zu treffen. Wir genießen das Essen auf diesem zu der frühen Stunde leeren Hawker und testen mal wieder einige neue Sachen. So auch koreanische gefrorere Milchraspel als Dessert…. Nicht so ganz unser Fall.

Am nächsten Tag gönnen haben wir den Vormittag über etwas Zeit für Zweisamkeit. So genießen einen ausgiebigen Bummel samt Mittagessen in der Haji Lane. Ich zeige Martin nette kleine Geschäfte und das Selfi Café. Wir lassen uns vom Treiben der Haji Lane mitreißen und saugen die Atmosphäre in uns auf.

Am Nachmittag muss Martin dann leider von hier aus direkt in Richtung Büro aufbrechen, da er heute wieder an einer Konferenz mit verschiedenen Ländern teilnimmt, die zeitlich irgendwie für alle Teilnehmer halbwegs passen muss. Start für ihn daher: 17 Uhr Singapur Zeit – Ende offen…

Und während ich mich auf den Heimweg mache, meldet der „Goodwood-WhatsApp-Chat“ unschöne News: Gerade wird unser gesamtes Condo von einer Armada in Schutzmontur gekleideter Männer der National Environment Agency gründlich ausgeräuchert. Grund: Ein Covid-19 Fall im Condo!

Ein Mieter -so erfahren wir später- hat aus Angst seine an Covid-19 erkrankten Eltern aus Indonesien nach Singapur eingeflogen. Die medizinische Versorgung und somit die Überlebenschance für die um die 80 Jahre alten Senioren ist in Singapur einfach um Einiges besser. Wie die Familie die beiden aus dem Krankenhaus in Indonesien raus, in den Flieger und dann auch noch durch den gut kontrollierten Flughafen Singapurs schleusen konnte ist unklar. Vermutlich dank einer guten Portion Fiebersenker….

Auf jeden Fall brachte die Familie die beiden vorerst zu sich nach Hause – in unser Condo, bevor sie dann am Folgetag einen Krankenwagen riefen, der die Eltern unter vollem Quarantäneeinsatz in eines der Krankenhäuser überführte. Warum nicht direkt ins Krankenhaus? Vermutlich aus Angst, dass die Eltern direkt wieder ausgewiesen werden würden.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Condo. Der Chatverlauf löste in Martin und mir allerdings neben Verständnis eine Mischung aus Kopfschütteln und Lachen aus. Hier ein übersetzter und anonymisierter Auszug:

  • K: Leitet ein Schreiben des Management weiter: „Ein Fall im Condo. Die NEA ist unterwegs“
  • M , N , P : Kenn ich nicht, das Schreiben. / Ich auch nicht. / Nö.
  • M: Warum bekomme ich so was nie geschickt?
  • P : Ich habe mit dem Concierge gesprochen. Wir sollen alle in unseren Wohnungen bleiben, das Estate wird jetzt gereinigt. Es ist nicht verboten raus zu gehen, es wird aber davon abgeraten.
  • S: Ich bin gerade gekommen. Die scheinen gut zu sein, die sprühen sogar die Pflanzen ein.
  • P : Ja
  • G : Sind die alle maskiert?
  • K : Reinigen die etwa auch die Aufzüge? Dann stinkt das doch so blöd.
  • P: Ja
  • M : Ich habe das Schreiben immer noch nicht selber bekommen.
  • S : Ja, alle tragen Masken.
  • A: Sieht ernstzunehmend aus.
  • Wieder A : Die sind alle ganz beschäftigt da draußen. Lassen wir ihnen Platz damit sie durch ihre Arbeit uns alle schützen können!
  • A (immer noch die Gleiche): Ich bin gerade mal runter gefahren um nachzusehen. Die verwenden ganz schön intensiven, professionellen Reiniger. Es riecht ganz doll.
  • H (wohnt im gleichen Condo wie alle, wundert sich aber:) – Hier riecht es auch!!!
  • H: Was für eine tolle Arbeit der NEA. Wie schön in Singapur zu wohnen.
  • A (die A, die eben trotz Ansage raus ist): Ich möchte Euch alle bitten heute zu Hause zu bleiben. Zur Sicherheit von uns allen.
  • A (schon wieder) – Ich war gerade nochmal unten: es riecht immer noch streng. (Was für eine Überraschung)
  • P (Die vom Concierge gebeten wurde drinnen zu bleiben): Von hier oben kann man einfach nichts sehen, ich bin also auch nochmal runter. Aber jetzt huste ich schon seit 20 Minuten und es geht nicht mehr weg.
  • E: oh Mann, take care!
  • P: Beste Wünsche für uns alle!
  • A (die mittlerweile zweimal draußen war): Ich habe mit Mundspülung gegurgelt. Schon ganz oft. Aber es kratzt immer noch im Hals und mein Aufzug riecht wie ein Krankenhaus.
  • P: Ich trage jetzt ein Maske, wenn ich raus gehe (was sie ja nicht soll)
  • A: Ich wünsche uns allen Sicherheit
  • N : Halskratzen? Furchtbar!!!
  • S: Nach diesen ganzen Lockdowns gibt es nächstes Jahr viele Goodwood Babys
  • ….unanständige Bilder folgen

-Was soll man da noch sagen…-

Das Goverment, dass muss ich aber anmerken, hat unfassbar gut auf diesen Vorfall reagiert. Binnen kürzester Zeit stand der Einsatzwagen vor dem Condo, das Gelände wurde desinfiziert, ausgeräuchert und ein Leitfaden ausgehändigt, aufgrund Dessen erstmal für einige Tage alle Gemeinschaftsflächen geschlossen und die Familie unter Quarantäne gesetzt wurde. Es wurde dazu eine generelle Regelung ausgearbeitet und veröffentlicht, gemäß der die Bürger Singapurs nun ihre Familien zur besseren medizinischen Versorgung nach Singapur holen dürfen. Dies allerdings nur nach Genehmigung, die selbstverständlich binnen eines Tages bearbeitet werden würde um die Erkrankten möglichst zeitig behandeln zu können.

Da unser Gym -als Gemeinschaftsfläche- nun auch erst einmal geschlossen ist, steige ich am Samstagmorgen die Feuertreppen mehrerer unserer Wohnblöcke hinauf und freue mich über den wechselnden Blick aus dem 12. Stockwerk über das wachsende Singapur. Derweil schläft Martin seinen Arbeitsrausch aus um dann mit einem heißen Kaffee in unserem erfrischenden Pool in den Tag zu starten.

Damit auch Martin etwas von der Stadt sieht, überrede ich ihn mit mir die 2219: Futures Imagined Ausstellung im Art Science Museum zu besuchen. Meiner Meinung nach ist sie bei Weitem nicht so gut, wie die Future World Installationswelt im gleichen Gebäude, die ich mir letztens mit Gracie und den Kids ansah. Wir schlendern also nicht viel später über die Helix Brücke und einmal um die halbe Marina Bay herum, um am Abend mal wieder der Rooftop-Lust zu frönen. Schon der Spaziergang könnte nicht schöner sein, geht doch gerade die Sonne unter.

Nachdem wir den Eingang gefunden haben, bringt uns ein Aufzug hoch ins im 39. Stockwerk gelegene Mr. Stork. Einer einem Storchennest nachempfundenen Bar, in der man nicht nur an Tischen, sondern wahlweise in Tipis seinen Abend genießen kann. Der Bargarten nimmt das ganze Dach ein, die Tipis sind gemütlich zwischen Hecken und Palmen verstreut angeordnet. Und wie immer ist der Ausblick legendär. Wir kuscheln uns in unser Tipi, bestellen zartes Steak, die obligatorischen Trüffel Fries und teilen unsere Obstdeko mit einer Schnecke, die sich im Garten des 39. Stockwerkes wohlzufühlen scheint.

Der letzte Tag dieser Woche startet mit unserem ersten selbstgebackenen Sauerteigbrot, was bei Martin förmlich Freudensprünge auslöst. Wie kann man nur so auf Brot abgehen…? Zur Zeitgewinnung, um all die Sachen für den heutigen Familienausflug packen zu können, drücken wir den Kids je ein Eis in die Hand. Damit gewinnt man bei unseren beiden verlässliche 25 Minuten. Dass es nur selbst eingefrorener Saft ist, müssen sie ja nicht wissen.

Da uns die letzte Nacht irgendwie in den Knochen hängt, sehen wir dann aber von der 1 stündigen Busfahrt ab, die nötig wäre um zu unserem Ziel zu kommen und ordern uns ein Taxi. Dies bringt uns zum Admirality Park, von dem aus man problemlos rüber zum malaysischen Festland sehen kann. Nach einer ausgiebigen Runde auf dem Spielplatz mit den wohl meisten Rutschen spazieren wir zum Shang Di Miao Chi Keng Temple, den wir dank Google spontan entdeckt haben. Den Ausflug lassen wir mit unserem ersten guten Eis seit langem im Geláre in der Causeaway Mall in den Woodlands ausklingen. Leider schaffe ich es kurz vor Rückreise, legendär hinzufallen und mir dabei den Adduktor zu zerren…Mal schauen, wie das mit dem Sportprogramm in der nächsten Zeit weitergehen wird…