Vom Steinigen mit Truppengütern (oder auch Planeten) angefangen übers Totfahren mit Panzerfahrzeugen *knister* ja Regie [...] ah, verstehe Panzerfahrzeuge nutzte man in Ägypten, ok [...] *knister* sorry, die Regie fordert eine Korrektur ein - übers Totfahren mit imperialen Truppentransportern, der Komplettkörperperforierung mit Grosskaliberwaffen und dem phazergestützen Massenmord finden wir alle anheimelnden Tateinheiten sicherlich in dem ein oder anderen Comic.
Verroht die Jugend also? Oder bekomt sie in Funk & Fernsehen nicht noch deutlich häufiger, deutlich fragwürdigere Tötungsszenerien auf die Iris geschmissen - insbesondere jetzt wo diese Nachrichtensendungen voller Blut & Tod sind? Ich kann für mich eine Antwort geben - ist mir egal.
Denn ich glaube an den wachen Rezipienten, der unterscheiden kann zwischen der irrsinnigsten, absurden Comicgewalt und den vermeidbaren Resultaten der Rüstungsexporten. Kommen wir also zurück zum eigentlichen Thema, den Lobpreisungen des quer über die Panels verstäubten Lebenssaftes.
Die Reisen des Zack Overkills gehen weiter, die grandiose Reihe meines absoluten Comicdreamteams Brubaker/Phillips ist inzwischen endlich auch mal mit Ehrungen bedacht worden, man hat sie gleich für 3 Eisner-Awards nominiert. Ausserdem ist eine Verfilmung geplant, leider von einem namhaften Riesenstudio, mal sehen wieviel Filou-Charme, boshafter Witz & beissender Spott am Ende auf der Leinwand übrigbleibt.
Für Neueinsteiger - Incognito ist Pulp-Zelebrierung für fortgeschrittene Semester, hier ist alles bierernst und hochironisch, brachial realistisch und völlig abseitig. Klingt seltsam? Ist aber nicht so, in den fernen güldenen Tagen des Pulps (imaginiert euch jetzt bitte mal etwas diffusen Zeitennebel) ging sowas Hand in Hand, die erzschurkischen Bösewitche und der gallige Humor. Man soll es nicht glauben, aber früher war tatsächlich manches besser - zumindest im Lande der Mutantenhooligans.
Zack, der in Band eins eingeführte Ex-Bösewicht steht nicht mehr unter dem Schutze des (Super-)Zeugenschutzprogramms der Regierung, sondern wurde von einer supergemeinen, supergeheimen Regierungstaskforce zwangrekrutiert und soll jetzt in Level9 - die Superschurkenkonkurrenzgilde zu Black Deaths Haufen einsteigen.
Black Death plaudert derweil noch immer telepathisch mit seinem Anwalt über mögliche Tötungsarten des Verräters und Zack hat das nächste Häufchen am Schuh und Abertausende übellaunige Auftragsschlächter an den Fersen kleben. Also alles wie gehabt, der irgendwie symphatische Antiheld poltert & phazert & meuchelt & intrigiert umher und wir dürfen fasziniert zuschauen.
Brubaker & Phillips wären aber keine der beiden ganz großen, wenn diese lustige Bootsfahrt durch die Meere aus Blut, nicht mit verschiedensten philosophischen Überlegungen über Konsequenz, Korrumpierbarkeit & Rücksicht garniert wären und man sich nicht so hervorragend im Metatext suhlen könnte.
Der tragische Held (mit der dunklen Vergangenheit) will eigentlich die unteren Höllenkreise überhaupt nicht mehr betreten, aber was soll er tun, wenn der Staat ihn erpresst & ihm als karottenförmigen Anreiz am Ende der Kampagne gegen Level9 ihm seine Freiheit verspricht.
Tja, Pulp wäre kein Pulp, wenn sich die Offiziellen an die Abmachungen hielten, die dahingeschlachteten Schurken nicht noch Nachkommen hätten, die Rache üben wollen am Mörder des Vaters und die Damenwelt sich komplikationslos becircen & ehelichen lassen würde. Es bleibt also spannend bei der bunten Mutantenhauerei Teil 2. Mir schwant zwar übeles, wenn ich an die mögliche Verfilmung denke, aber man hat ja ein wundervolles Antidot in Form dieses liebreizenden Comics. Flaneurempfehlung! Käuflich erwerbbar hier.
Ein völlig anderes Kaliber ist der zweite, an expliziter (grafischer & psychologischer) Brutalität kaum überbietbare Blutreigen von Jason Aaaron & Steve Dillon. Klar, der Punisher war noch nie ein Feenmärchen mit fluffigen Ponys & lustigen Waldgeistern, aber dieser Abstieg in die Tiefen der Comicgewalt hat es wirklich in sich.
Aaron ist als gnadenlos konsequenter Storyboarder berüchtigt & auch hier macht er seinem Namen wieder alle Ehren. Selten war Frank Castle angepisster als hier, möglicherweise entthront Aaron auch gerade Ennis in Sachen Verdunkelung einer Comiccharakterpsyche. Während der Totenkopfhemdträger früher eisern darauf achtete nicht auf Cops zu feuern, verlässt er diesen Trampelpfad der Tugend im aktuellen Band und schiesst auf einfach alles. Grund hierfür ist die Rückkehr einer der widerlichsten Figuren des Marveluniversums - Bullseye.
Der psychopathische Auftragskiller mit der hundertprozentigen Auftragsbeendigungsbilanz ist ein zu Ende gedachter Alptraum, emotionslos, pervers logisch & gnadenlos. Um zu erfahren wie sich Castle bei der Ermordung seiner Familie fühlte, spielt er es nach - mehrfach & ja zahlreiche Unbeteiligte kommen bei diesem Experiment zu Schaden.
Bullseyes Blutrausch stösst dann selbst seinem Auftragsgeber, dem auch nicht gerade für seine aufrichtige Menschenliebe bekannten Kingpin, übel auf - aber der irre Killer hat sich zu lange, zu ausführlich mit der Psyche seines Konkurrenten beschäftigt, als dass er sich den Genuss des Endkampfes nehmen lassen würde.
Harter Stoff, dem ich definitiv nicht jedem jederzeit in die Hand drücken würde, insbesondere weil die seelischen Abgründe des Killers (und die schiere Panik seiner noch lebenden Opfer) verdammt konsequent ausgelotet wurden. Aaron & Dillon haben mit Bullseye ein perverses Meisterwerk geschaffen, ich denke der nächste psychisch labile Schurkenschurke muss ganz schön ranklotzen um diesen Widerling zu überbieten und ich hoffe ich muss noch eine Weile auf dieses Ausstechen warten. Einer der Comics, die nachwirken - widerlich, konsequent & niemals auch nur ein klitzeklein wenig ironisch oder gar komisch - fast wie ein Abend mit Al Jazeera. Käuflich erwerbbar hier.