Colo-Colo spielt Fußball mit Möwen in Concepcion

Colo-Colo spielt Fußball mit Möwen in Concepcion
Die Bundesligapause dauert an und die Wochenenden sind daher etwas unausgefüllt. Es gibt keinen Torjubel am Morgen und auch die verärgerten Tritte gegen den Schreibtisch bleiben aus. Einem Samstag fehlt etwas, wenn 96 nicht spielt. Testspielergebnisse gegen unterklassige Riegen sind aus der Ferne kein Ersatz. Immerhin kehren Chiles Profikicker in den Spieltbetrieb zurück. Bei winterlichen Grau schaue ich die Partie zwischen Universidad de Concepción und Colo-Colo an. Wer Stadionbesuche nach guter alter Art mag, ist bei solchen Kicks richtig aufgehoben. Bei Regen schützt kein Dach. Halbzeitshows gibt es nicht. Lediglich die Möwen sorgen für ein Rahmenprogramm. Etwa 96 Tiere umkreisen das Spielfeld und die Tribünen. Die Nähe zum Meer ist erkennbar. Abgesehen von der örtlichen Tierwelt gibt es Fußball pur. Die Ränge sind gut gefüllt, wenn Colo-Colo in die Provinz reist, so auch in diesem Spiel. Knapp 13.000 Zuschauer sind im Estadio Collao, gut 12.500 sind Anhänger der Gastmannschaft. U de Conce ist zwar der einzige Erstligist der Stadt, aber ein Verein ohne Fans. Die Traditionsriegen von Depórtes und Fernandez Vial dümpeln in der zweiten bzw. dritten Liga herum. Sie haben trotzdem mehr Zuspruch.
Ich setze mich unter die zahleichen Fans der Weißschwarzen. Die meisten von ihnen kommen nicht aus Santiago, sondern aus dem Großraum Concepción. „Coco-Colo ist Chile“, behaupten sie und haben wahrscheinlich recht. Der Rekordmeister hat im ganzen Land seine Sympathisanten. An diesem Nachmittag entfacht seine Elf jedoch keine Euphorie. Ideenlos agiert sie auf dem Platz. „Furchtbar langweilig“, sage ich zu meinem Nachbar, der längst begonnen hatte per Telefon im Internet nach Ablenkung zu suchen. „Ja, das ist wahr“, stimmt er mir zu und schiebt die Schuld auf alle Beteiligten: Der Trainer, die Spieler, der Vorstand, der Rasen, das Publikum. Das ist wohl in allen Stadien dieser Welt gleich. Der enttäuschte Colocolino schaut mich an: „Du bist kein Chilene, oder?“ Ich leiere meine Standardantworten herunter, denn ich kenne die Fragen schon: Was machst du hier? Gefällt es dir? Wie lange bist du hier? Er entdeckt meinen 96-Schal. „Ist das dein Verein?“ Darauf habe ich gewartet und beginne meine Lehrminuten der 96-Kunde. Der Sitznachbar hört geduldig zu, ist er doch nach eigenen Angaben großer Fan des „Futbol Aleman“ und verfolgt die Bundesliga im Fernsehen „Wo wird Hannover in der neuen Saison landen?“ will er wissen. „Elfter!“ ist meine Zielvorgabe. Er reagiert verwundert: „Elfter? Kein Meister“ Nein, Meister werden andere. 96 wird Elfter.
Für Colo-Colo wäre das nichts. Alles andere als der Titelgewinn ist eine Enttäuschung, dabei überdecken die aktuellen Meisterschaften das wahre Niveau von Chiles Nummer 1. Der ehemalige Arbeitgeber von Arturo Vidal und Lucas Barrios hat das Problem, jedes Jahr aufs neue seine besten Spieler an europäische Klubs abgeben zu müssen. Manchmal rückt schnell eine exzellente Generation nach, momentan werden Ausnahmekicker wie Alexis Sanchez oder Matias Fernandez vermisst. Die heimische Liga ist kein Maßstab, internationaler Glanz muss her. Außerdem dominiert Colo-Colo derzeit nicht. Gegen Concepción verliert die Equipe mit 0:2. Es ist ein schwacher Auftritt des Tabellenführers, der mit einem Pfeifkonzert quittiert wird.

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