Coldplay, die Wundertüte des Pop
Gemessen am Erfolg haben Coldplay mittlerweile einen Punkt erreicht, der eigentlich nur noch das Ende der Band nach sich ziehen dürfte. Wenn es am schönsten ist, am besten läuft und es im Grunde niemanden mehr gibt, demgegenüber man sich noch beweisen muss, dann kann man – dann soll man sogar, dem Sprichwort folgend – aufhören. Die beiden letzten Coldplay-Alben X & Y (2005) und Viva La Vida (2008) haben sich insgesamt knapp 20 Millionen Mal verkauft. Mehr ist im hart umkämpften Musikgeschäft fast nicht mehr drin. Und doch schielt die britische Band mit ihrem neuen Album Mylo Xyloto erneut auf die Chartspitze.
Gemeinsam mit Produzenten-Genie Brian Eno, der schon für die musikalische Neuausrichtung auf Viva La Vida verantwortlich war, haben Coldplay ihren Breitwandpop noch etwas mehr Breite verliehen. Mit Liedern wie Paradise und Don’t Let It Break Your Heart sind Chris Martin und seinen Bandkollegen erneut Songs für die überfüllten Stadien der kommenden Tour gelungen: reich an Hall, mit treibenden Gitarren, schwelgenden Synthesizerteppichen und jenem verschwörerischen Wir-Gefühl, das Coldplaysongs so besonders macht.
Power-Pop ohne Chris Martin
Wie Coldplay der aktuellen Musikexpress erzählten, war Enos Rat diesmal: «Mehr Gitarren, mehr von allem», mit Ausnahme von Chris Martin. Von ihm gibt es auf Mylo Xyloto weniger zu hören. Deutlich weniger sogar, weil der Bombastpop die zarte Kopfstimme des Sängers in den Hintergrund drängt. Gut zu hören ist Martin jedoch im elektronischen R’n'B-Duett mit Rihanna (Princess Of China) und in den ruhigen Gitarrenstücken Us Against The World und U.F.O., die an frühere Coldplay-Klassiker erinnern und für angenehme Ruhepausen auf dem etwa 45 Minuten andauernden Power-Pop-Album sorgen.
Der Weg zu dieser Musikmischung war nicht einfach. Etwa 60 Songs hatte die Band geschrieben, 50 davon landeten im Papierkorb. Denn wer in der aktuellen Popmusiklandschaft mithalten will, muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Der Albumtitel Mylo Xyloto etwa sollte zunächst nicht mehr sein, als ein reines Phantasiewortgebilde. Dann jedoch, im Laufe des Entstehungsprozesses der 14 Titel, die es am Ende auf das Album geschafft haben, entwickelte sich die Idee einer Liebesgeschichte zweier Menschen, von denen der eine Mylo und der andere Xyloto heißt.
Oft heftet Konzeptalben etwas allzu Oberlehrerhaftes an, zu dem nur wenige Menschen einen Zugang finden. Die vielen kleinen Geschichten, die Coldplay erzählen, dürften allerdings so universell sein, wie die Gefühle, für die sie stehen: Liebe, Verlustängste, ewiger Kampf und der bedingungslose Glaube daran, dass alles irgendwann schon gut ausgehen wird. Und auch für Coldplay wird es wohl wieder gut enden. Und vielleicht ist Mylo Xyloto doch noch nicht das Ziel, das es für die Band zu erreichen galt. Die Fans dürfte es freuen, denn schließlich haben es Coldplay bisher mit jedem neuen Album aufs Neue geschafft, eine bis dahin unentdeckte Wundertüte des Pop aufzureißen.
Interpret: Coldplay
Album: Mylo Xyloto
Plattenfirma: EMI
Erscheinungsdatum: 21. Oktober 2011
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Album: «Mylo Xyloto» – Coldplay, die Wundertüte des Pop
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