Der erste Gang nach Erhalt des Zeugnisses führt mittlerweile immer häufiger ins Internet, um den vermeintlichen Zeugniscode zu entschlüsseln – und dann zum Arbeitsrichter, um ein gefälligeres Zeugnis einzuklagen. Doch nicht immer steckt hinter einer Formulierung der böse Wille zur üblen Nachrede. Davon versuchten alle Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht einen Arbeitnehmer zu überzeugen, der nach dreijähriger Tätigkeit ein Zeugnis erhielt, in dem sich unter anderem dieser Satz fand:
„Wir haben Herrn … als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte.“
Konkret störte den Kläger die Formulierung „kennen gelernt“, die, davon war er überzeugt, überwiegend negativ verstanden werde. Der Arbeitgeber, so seine Argumentation, habe damit das Gesagte relativeren wollen, also deutlich zu machen versucht, dass das Gegenteil zugetroffen habe. Verschlüsselungen, Geheimcodes und die Nichterwähnung bestimmter üblicher Floskeln und Inhalte sind im qualifizierten Arbeitszeugnis unzulässig. Es muss ausführlich genug, sachlich und objektiv sowie korrekt die Aufgaben und die Leistung des Mitarbeiters erwähnen und beurteilen. Alle Instanzen (zuletzt BAG, Az.: 9 AZR 386/10) waren der Ansicht, dass „kennen gelernt“ kein unzulässiges Geheimzeichen sei und bemühten hierfür den sogenannten objektiven Empfängerhorizont eines unbeteiligten Dritten.