Titel: Cobra Kai
Idee: Josh Heald, Jon Hurwitz, Hayden SchlossbergRobert Mark Kamen (Karate Kid)
Produktionsland: USA
Staffeln: 1+
Jahr(e): 2018+
Das Leitmotiv, das 1984 Daniel LaRusso das Fürchten gelehrt hat. Wer kennt „Karate Kid" nicht? Auch ich habe ihn als Kind oft und gerne gesehen - ein Klassiker! Und damals war es selbstverständlich, dass LaRusso der Gute, der Sympathieträger war, mit dem man einfach mitfiebern muss ... und der „Schläger" Johnny Lawrence der Böse, der „Antichrist", den man einfach zu gerne eine reinhauen wollte. So war es damals bei Karate Kid und so war es im Film beinahe immer. Gut gegen Böse. Schwaz gegen Weiß.
Doch es hat sich etwas getan, die Film-Welt ist nicht mehr nur in Schwarz und Weiß gehalten ... heute gibt es zig Grautöne, wo aber oft auch keiner mehr weiß, wer wo steht. Die Stunde der Antihelden ist somit angebrochen (siehe Deadpool)!
Heute fängt man auch viel eher an zu hinterfragen, wie jemand zu dem geworden ist, was er nun ist. Warum ist dieser Charakter jetzt „böse"? Was ist mit ihm passiert? Man will wissen, was ihn dazu getrieben hat! Wenn ein heutiger Film mit einer simplen schwarz-weiß-Mentalität daherkommt, stampfen wir diesen als stupiden und oberflächlichen Trash-Film in Grund und Boden (außer, dies ist so gewollt). Und dadurch entstehen faszinierende Charaktere und wiederum tolle Filme und Serien!
Aber ich schweife ab... pardon.
Der Fokus liegt beim damaligen „Verlierer" des All-Valley-Unter18-Karate-Tuniers Johnny Lawrence (gespielt vom selben Schauspieler wie damals „William Zabka" - großartige Performance!), der in der letzten Runde den Geschmack des Verlustes, durch den Fuß von Daniel LaRusso zu spüren und schmecken bekam. Jahrzehnte später, sieht man ihn abgebrannt und verloren in seiner Wohnung, wie er sich auf den neuen Tag vorbereitet - ein Schatten seiner selbst. Der Draufgänger von damals ist jetzt ein hoffnungsloser Loser geworden, der mit Gelegenheitsjobs wie Handwerker oder Hausmeister sich über Wasser hält. Doch auch an diesem Tag verliert er (wieder einmal) seinen Job - und dann auch noch unter solchen Umständen! Ab hier begreift man, dass dieser Mann einfach nur versucht, über die Runden zu kommen. Er schlägt nicht gleich um sich oder pöbelt andere gleich an. Er selbst wird von der Welt angepöbelt und herumgeschubst. Gerechtes Karma? Geschieht es ihm recht? Seit seinem Ausscheiden aus dem Turnier folgt eine Niederlage nach der Anderen. Wir sehen hier keinen Antichristen, der kleine Hündchen quält ... wir sehen einen Menschen, der vom Leben wahrlich gezeichnet ist. Trost findet er lediglich in Bier, alten Fernsehsendungen und die guten, alten Erinnerungen an die High-School damals... bevor LaRusso ihn aus seinen Träumen gekickt hat. Und zu allem Überfluss wird auch noch sein Wagen durch einen Unfall mit Fahrerflucht arg in Mitleidenschaft gezogen! Und als wäre DAS nicht schlimm genug...
Und auf der anderen Seite sehen wir einen erfolgreichen und smarten LaRusso (auch hier der selbe Schauspieler von damals! Ralph Macchio!), der ein Automobil-Imperium leitet. Er hat eine bezaubernde und wunderschöne Frau, 2 Kinder und jede Menge Asche. Seine Karate-Vergangenheit nutzt er heute aber hauptsächlich für Marketing-Zwecke, um noch mehr Autos verkaufen zu können.
Eines Tages schleicht sich ein mit Shirt und Cappy ausgestatteter Mann in ein LaRusso-Geschäft, um sein lädiertes Auto abzuholen, welches hier eigentlich repariert werden sollte - doch der Mann besteht drauf, es wo anders reparieren zu lassen. Und dann geschieht es...
Zum ersten Mal seit über 30 Jahren stehen sich Johnny Lawrence und Daniel LaRusso wieder von Angesicht zu Angesicht.
Soviel mal zu Anfangsgeschichte der Serie, die mich wirklich in ihren Bann gezogen hat! Anfangs war ich doch eher skeptisch, da die letzten Serien (auch Fortsetzungen von Kultsagas) mich nicht wirklich überzeugen konnten (ich sage nur StarTrek Discovery *schauder*). Und dennoch erweckte es in mir eine große Neugier da ich
1) die Filme damals sehr mochte und
2) auf der IMDB eine sehr hohe Bewertung von knapp 9.0 hat!
Ich habe damals True Detective auch hauptsächlich aufgrund der hohen Bewertung auf IMDB gesehen, und wurde da nicht enttäuscht... genau wie hier! Gut, man kann Cobra Kai jetzt nicht wirklich mit der ersten Staffel von True Detective vergleichen, da sie sich in ihrer Art und Weise komplett unterscheiden - aber Cobra Kai konnte aus mir doch etliche Lacher hervorkitzeln und so manches Staunen entlocken!
Die Art und Weise, wie die Macher (welche mir total unbekannt waren, die 2 Autoren sind auch eher aus American Pie bekannt!!!) diese Serie umgesetzt haben, verdienen meinerseits ein großes Kompliment. Denn hier hat man sowohl lustige, wie auch tiefsinnige Szenen erschaffen. So manche Situationen aus dem ersten Karate Kid sieht man dadurch mit anderen Augen.
Zum Beispiel hat LaRusso Johnny tatsächlich ZUERST geschlagen! Das hab ich tatsächlich komplett vergessen und die Motive von Johnny wirken hier (im Nachhinein betrachtet) komplett plausibel. Hier wird man kräftig durcheinander gewirbelt!
Hervorheben möchte ich aber auch die tollen Dialoge, die mit viel Witz und Scharfsinn kreiert wurden und dadurch auch sehr frisch klingen. Platte 0815-Dialoge findet man hier wirklich selten. Die Neupositionierung vom Antihelden Johnny Lawrence finde ich nicht nur gelungen, sie ist GENIAL! Ich liebe diesen Charakter! 30 Jahre ziehen an einem nicht spurlos vorbei! Vom Typ her ist er immer noch gleich geblieben. Eine komplette Kehrtwende durchläuft auch er hier jetzt nicht - zum Glück, das hätte hier auch überhaupt nicht gepasst. Er behielt (wie viele Kritiker meinten) seine „Ecken und Kanten".
Aber auch LaRusso hat eine Wandlung durchgemacht. Hat man durch die weiteren 2 Filme noch was mitnehmen können, pflegt er hier doch ein beschauliches und glückliches Leben. Doch man merkt, das da fehlt etwas. In ihm ist eine gewisse Leere entstanden, seine Tochter verwandelt sich in eine reiche Göre und sein Sohn ist bereits in die virtuelle Welt abgetaucht. Seine Balance, die sein Meister Mister Miyagi immer hervorgehoben hat, ist nicht mehr ausgeglichen.
Und als er auch noch feststellen musste, dass Cobra Kai durch seinen damaligen Erzfeind Johnny Lawrence wiedereröffnet wurde, brachte das das Fass endgültig zum Überlaufen!
Verblüffend fand ich, dass die Macher das Cobra Kai-Credo der 80er („strike first, strike hard, no mercy") beinahe 1:1 in die heutige Zeit überzeugend übertragen konnte - mit einer Neuinterpretation natürlich. Bevor man vom Leben vermöbelt wird, solle man zuerst zuschlagen, damit es erst gar nicht dazu kommen kann! Und für viele Schüler ist das wirklich auch ein Ausweg aus ihrem hoffnungslosen Alltag. Durch Mobbing, Ausgrenzung und hierarchischen Klassen-denken sitzen viele Jugendliche in ihrem Dilemma fest. Miguel, der erste Schüler Johnnys und Katalysator für sein Cobra-Kai Dojo, ist in vielerlei Hinsicht eine alternative Form vom damaligen Daniel LaRusso. Ohne Vater, ist gerade hergezogen und wird von einigen Mitschülern gemobbt. Doch anstatt eines besonnen Misters à la Miyagi schreitet Cobra Kai in Gestalt von einem schlecht gelaunten und leicht betrunkenen Johnny Lawrence ins Geschehen ein und rettet ihn (mehr zufällig als gewollt). Zwischen den beiden entsteht nach und nach eine plausible und auch unterhaltsame Vater-Sohn-Beziehung.
Aber auch andere Schüler werden auf Cobra Kai aufmerksam, wie der schüchterne und vernarbte Eli, der total verunsichert kaum ein Wort hinausbringt und ständig von anderen schikaniert wird. Seine bisherige Strategie - sich unsichtbar machen. Bei seinem Versuch, bei Cobra Kai Fuß zu fassen, geht Sensei Lawrence nicht zimperlich mit ihm um und spricht offen aus was sowohl Eli als auch die meisten anderen über ihn dachten. Gedemütigt verlässt er daraufhin das Dojo, aber nur um kurze Zeit später eine Komplettumwandlung durchzuziehen. Er nennt sich von jetzt an Hawk, hat sich am Rücken ein großes Tattoo stechen lassen und lies sich eine Punkfrisur machen. Von nun an verinnerlicht er das Cobra Kai Credo und lebt diesen auch. Die Zeit des Versteckens ist nun vorbei. Zum ersten Mal seit langen, kann er die High School Korridore ohne Angst entlang schlendern.
Und so geht es einigen Schülern, die einfach nur aus ihrem Schatten treten wollen und Johnny Lawrence verhilft ihnen dazu. Dadurch bekommt Cobra Kai eine komplett neue Bedeutung. Eine Möglichkeit, sich gegen die gemeine und ungerechte (meist privilegiertere) Welt zu wehren!
Nicht alles ist zu 100% gelungen, vor allem die Wandlung des Charakters Robby Keene war doch etwas zu holprig. Mal war er noch richtig böse, danach erscheint er fast wie ein heiliger? Sowie einige Szenen etwas zu voreilig gekommen sind und dadurch die Wirkung sich nicht wirklich entfalten konnte ... ich sage nur „Auftragen/Polieren"!). Aber im Großen und Ganzen eine hervorragende und sehr zu empfehlende Serie! Im Ernst!
Die Kampfszenen sind gut choreografiert, sehr realitätsnah. Wer Kämpfe à la Matrix erwartet, wird hier enttäuscht werden - würde hier auch gar nicht wirklich passen. Es sind immerhin Menschen, die anderen Menschen den einen oder anderen Tritt in den Hintern verpassen!
Die Rückblenden aus den ersten beiden Kinofilmen passen hier wirklich perfekt zu den jeweiligen Momenten. Aber nicht nur Rückblenden - die Macher haben so manche Szenen sogar an Originalschauplätzen nachgedreht, wie z.B. bei LaRusso's altem Appartement aus dem ersten Teil, wo er mit seiner Mutter gerade hergezogen ist.
Allein die Tatsache, dass die Macher aus Johnny Lawrence, einem stereotypischen 80er Jahre Macho-Teenager, einen so tiefgründigen und tollen Charakter erschaffen haben - davor verneige ich mich!
Momentan nur auf YouTube-Red zu finden (die ersten beiden Folgen sind aber kostenlos auf YouTube abrufbar).
Eine 2. Staffel ist bereits angekündigt (für 2019) und ich freue mich schon wahnsinnig darauf!
https://www.imdb.com/title/tt7221388/ https://de.wikipedia.org/wiki/Cobra_Kai