Claudia Gray – A Million Worlds With You

Claudia Gray – A Million Worlds With You

Ich erinnere mich, dass jeder Band der „Firebird"-Trilogie im Buchblogkosmos ein kleines Erdbeben auslöste. Viele meiner lieben Kolleg_innen litten beim Anblick der traumhaft schönen Cover unter ernster Schnappatmung. Es amüsiert mich daher enorm, dass der heutige Bekanntheitsgrad der Autorin Claudia Gray eher wenig mit dieser Trilogie zu tun hat. In ihrem englischen Wikipedia-Eintrag wird sie nicht einmal genannt. Claudia Grays Erfolg basiert vielmehr darauf, dass sie 2015 begann, für ein extrem populäres Franchise zu schreiben: Star Wars. Beinahe jeder Artikel und jedes Interview dreht sich um ihre Beiträge zu diesem Fandom. Kaum ein Wort über „Firebird", nicht einmal über das Finale „A Million Worlds With You". Da sieht man mal, wie klein unsere Blase ist.

Die Trauer um ein verlorenes Kind kann Eltern in den Wahnsinn treiben. Marguerite versteht den Schmerz, den ihre Eltern der Home-Office - Dimension über den Verlust ihrer Schwester Josie empfinden. Auch sie sind schließlich - irgendwie - ihre Familie. Aber wie weit sie zu gehen bereit sind, um Josie zurückzubekommen, kann sie nicht begreifen. Sie planen, jede Dimension zu zerstören, in der sich ein Splitter von Josies Seele befindet. Der Firebird verfügt über das Potential, Materie und Antimaterie ins Gleichgewicht zu bringen, wodurch eine Dimension schlicht aufhört, zu existieren. Ausgerechnet eine Marguerite soll das kaltblütige Vorhaben in die Tat umsetzen: Ihre bösartige Home-Office - Version. Billionen Leben stehen auf dem Spiel. Marguerite muss sich selbst aufhalten. Nur, wenn es ihr gelingt, ihrem anderen Ich zuvorzukommen, kann sie die bedrohten Dimensionen retten. Mehr denn je braucht sie jetzt Pauls Unterstützung, doch seit seine Seele in Stücke gerissen wurde, ist er nicht mehr derselbe. Wird Marguerite stark genug für sie beide und das Multiversum sein?

Ich glaube, „A Million Worlds With You" ist eines dieser Bücher, dessen individuelle Wirkung maßgeblich davon abhängt, wie man es liest. Natürlich spielt die persönliche Einstellung bei jeder Lektürebewertung eine Rolle, doch in diesem Fall entscheidet sie meiner Ansicht nach darüber, ob man das Finale der „Firebird"-Trilogie genießen kann oder nicht. Lässt man sich von der Handlung tragen, kann „A Million Worlds With You" garantiert mitreißen und begeistern. Leider war mir das nicht möglich. Generell gehöre ich selten zu den gesegneten Leser_innen, die eine Geschichte einfach nehmen können, wie sie ist. Ich muss meist darin herumstochern und sie hin und herwenden, bis ich alle dunklen Ecken ausgeleuchtet habe, woraus sich bei diesem Trilogieabschluss für mich eindeutig ein Nachteil ergab. Es gab einige Aspekte, die ich mochte: Es gefiel mir, zu welchen Schlussfolgerungen über das Schicksal Claudia Gray gelangt; ich fand es aufregend, wie viele Dimensionsreisen Marguerite unternimmt, wie hoch das Actionlevel dadurch vor allem im Vergleich zum zweiten Band „Ten Thousand Skies Above You" ist und wie intensiv sich Marguerite mit ihren unrühmlichen Eigenschaften auseinandersetzen muss. Der reine Ablauf der Ereignisse erschien mir durchaus fesselnd. Unglücklicherweise steht dieser Ablauf auf tönernen Füßen. „A Million Worlds With You" funktioniert - wenn man nicht allzu genau hinschaut. Gray postuliert neue Theorien über die Relation der Dimensionen und die Funktionsweise des Firebirds, untermauert jedoch keine mit nachvollziehbaren Argumentationen. Jegliche Gewissenhaftigkeit kam ihr abhanden, sie wirft mit wilden Behauptungen um sich, ohne zu erklären, wie diese zu den physikalischen Fakten passen. Sie versteckt sich hinter Marguerites Desinteresse an der wissenschaftlichen Basis der Dimensionsreisen. Ich muss Gray zugutehalten, dass es aus ihrer Ich-Perspektive tatsächlich kaum einen Unterschied macht, inwiefern der Firebird nun das Gleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie wiederherstellt oder wie ihre Eltern die Dimensionen lokalisieren, die zerstört werden sollen, aber mir hätte eine Erläuterung das Verständnis enorm erleichtert, wodurch ich die Geschichte als glaubwürdiger empfunden hätte. Ich fand es außerdem schwierig, dass Marguerite oft betont, dass sie allen in ihrem Umfeld intellektuell unterlegen ist. Gray versucht zwar, ihr künstlerisches Talent als gleichwertig darzustellen, doch hängen blieb, dass sie sich selbst als das schwarze Schaf der Familie wahrnimmt, was meiner Meinung nach nicht die richtige Botschaft vermittelt. Dabei vergleicht sie sich nicht nur mit ihren Eltern, Paul und Theo, sondern auch mit ihrer älteren Schwester Josie. Ich war unglücklich damit, dass ich Josie nie wirklich kennenlernen durfte, obwohl sie in „A Million Worlds With You" eine so wichtige Rolle einnimmt. Sie ist der Grund für alles, was Marguerite passiert, dennoch blieb sie für mich eine Fremde. Marguerite hätte etwas weniger Rampenlicht verkraften können - die „Firebird"-Trilogie hätte davon profitiert.

Claudia Gray erklärte in einem der wenigen auffindbaren Interviews zur „Firebird"-Trilogie, dass sie Science-Fiction im Vergleich zur Fantasy als fordernder empfindet. Sie sagte, die Notwendigkeit, physikalisch fundierte Gesetzmäßigkeiten zu formulieren und diesen konsequent zu folgen, sei schwieriger, als magische Lösungen zu implementieren. „A Million Worlds With You" belegt meiner Meinung nach, dass dieser Aspekt des Genres tatsächlich nicht ihre Stärke ist. Während die Geschichte des Finales an sich Spannung vermittelt und ich mich ihrer sympathischen Protagonistin emotional verbunden fühlte, erschien mir ihr Worldbuilding lückenhaft und zu vage. Mich vor vollendete Tatsachen zu stellen, ohne die komplexen Prozesse zu erklären, die den Ereignissen zugrunde liegen, führte zu Fragen, die sie nicht beantworten konnte oder wollte. Deshalb fand ich die „Firebird"-Trilogie insgesamt maximal durchschnittlich. Sensationelle Cover sind eben nicht genug.


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