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Der Tagesspiegel berichtet, dass sich die Schwierigkeiten für die Versicherten der City BKK, eine neue Krankenkasse zu finden, häufen. Pleiten-Krankenkasse: City-BKK-Versicherte geraten in Panik – Wirtschaft – Tagesspiegel. Die Beschwerden häufen sich von Tag zu Tag in den Gegenden, in denen die City BKK stark vertreten war, wie zB. Berlin, in der etwa 92.000 der zuletzt 168.000 Versicherten ihren Wohnsitz haben. Der Chef des Bundesversicherungsamtes (BVA), Maximilian Gaßner, nannte das Verhalten der Kassen „unerträglich und nicht hinnehmbar“. Das Gesundheitsministerium rief die Krankenkassen auf, alles zu unterlassen, was zur Verunsicherung führe.
Natürlich gibt es Ursachen für die Insolvenz der City BKK: die Versicherten der City BKK gelten als überdurchschnittlich alt und teuer wegen ihres hohen Leistungsbedarfs, und da ist jede andere Kasse offensichtlich bemüht, sich diesen uninteressanten Versichertenbestand (so drastisch und menschenverachtend muss es dort wohl gesehen werden) ins ohnehin schon zu teure eigene Boot zu holen.
DAK-Sprecher Jörg Bodanowitz sprach von einer „dramatischen Situation“. Vor allem alte Menschen würden von der Sorge getrieben, bei keiner anderen Kasse mehr aufgenommen zu werden, sagte er dem Tagesspiegel. Das Verhalten der Kassen zeige, „dass der Risikostrukturausgleich nicht wirklich funktioniert“. Für „Belastungsspitzen“ durch alte und kranke Versicherte gebe es keinen echten Ausgleich. Ähnlich äußerte sich der Vorstandschef der AOK Nordost, Frank Michalak. Er klagte über einen „Riesenansturm“ auf Berliner AOK-Filialen. „Allmählich bringt uns das in eine Situation, in der wir selber Probleme kriegen“, sagte er dieser Zeitung.
Es macht also der Eindruck, dass der von allen Vertretern auf der politischen Bühne immer als abwegig angenommene „Domino-Effekt“ jetzt beginnt, denn durch die Schliessung der City BKK ändert sich ja nichts an dem tatsächlich bestehenden Problem, dass die 168.000 Versicherten der City BKK auch weiterhin angemessen medizinisch versorgt werden müssen – und sie dafür nicht genügende Einnahmen erbringen, sodass weiterhin hinzu gezahlt werden muss, wenn auch nicht mehr durch die City BKK.
Doch weil keine andere Krankenkasse in die Bresche springen will oder springen kann, häufen sich die Hinweise auf rechtswidrigen Umgang mit City-BKK-Mitgliedern. Einzelfälle stellt der Tagesspegel dar: Von der Hanseatischen Krankenkasse (HEK) wurden sie nach Tagesspiegel-Informationen über ihren Gesundheitszustand befragt. Die Berliner AOK schickte Betroffene zu einer Filiale in Weißensee, die nur an zwei Wochentagen öffnet. Am Donnerstag drängten sich dort mehr als 100 Antragsteller. Bei der Techniker Krankenkasse bekam eine 83- Jährige zu hören, die Altersgrenze für Neuaufnahmen liege bei 80 Jahren. Und bei der BKK VBU waren Mitarbeiter gleich mit Aufnahmeformularen anderer Kassen zur Hand und beim Ausfüllen behilflich.
BVA-Chef Gaßner sagte, es sei „einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft unwürdig, dass die Rechtspflicht zur Beratung der Versicherten zur Abwehr unerwünschter Mitglieder missbräuchlich instrumentalisiert wird“. Das gelte insbesondere für Hinweise, wonach die nahtlose Fortsetzung der Versorgung „problematisch“ sein könne. „Hier wird die Angst kranker Menschen ausgenutzt, um sie als unerwünschte Kassenmitglieder in rechtswidriger Weise abzuwehren.“ Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer betonte, dass keine Kasse Betroffene ablehnen, deren Wahlentscheidung infrage stellen oder Auskünfte zum Gesundheitszustand einholen dürfe.
Der Tagesspiegel kommentiert die Situation und schlägt kurzfristige Lösungswege vor:
„Es sind unglaubliche Szenen, die sich derzeit bei vielen Krankenkassen abspielen. Menschen, die bei der City BKK versichert sind, müssen sich eine neue Krankenkasse suchen, weil ihr Versicherer pleite ist. Was sie dabei erleben, ist abenteuerlich. Obwohl jeder das Recht hat, sich eine Kasse seiner Wahl zu suchen, werden sie abgewimmelt, belogen, vertröstet und beleidigt. Denn niemand will sie. Viele der City-BKK-Versicherten sind alt, krank und haben den falschen Wohnort. Sie leben in Hamburg und Berlin, wo die Versorgung teurer ist als in der Provinz. Daher fürchten die Kassen, sich mit den neuen Mitgliedern hohe Kosten einzufangen und dann ihrerseits schlecht dazustehen.
Das ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht verständlich, aus menschlicher Sicht aber unerträglich.
Die Versicherten können weder etwas dafür, dass ihre Kasse pleite ist, noch können sie etwas an ihrem Alter oder ihrem Gesundheitszustand ändern. Daher ist es höchste Zeit, das Schwarze-Peter-Spiel zu beenden – indem die Versicherungsaufsicht die Kassen zwingt, die Neuzugänge zu akzeptieren. Oder indem sich die Kassenverbände auf einen Anbieter einigen, der die Nachfolge der City BKK antritt und dafür honoriert wird. Beides ist möglich. Nur eines geht nicht: die Betroffenen weiter demütigen.“ City BKK: Demütigend für die Versicherten – Meinung – Tagesspiegel.
Allein, was nützen diese Appelle, und was nützen diese kurzfristigen Lösungsansätze, die nicht mehr als das Kurieren der Symptome sind? Das System der gesetzlichen Krankenkassen krankt insgesamt an finanzieller Unterversorgung, und dies ändert sich nicht durch das Schliessen von Kassen, nicht durch Fusionieren und Weiterwachsen – dies ändert sich nur dadurch, dass die Gesamtfinanzierung wieder auf gesunde Beine gestellt wird. Auf den neuen Bundesgesundheitsminister kommt die nächste Megabaustelle zu, denn schon wenige Tage nach Bekanntwerden der Schliessung der City BKK wird klar: dies wird nur der Anfang sein. Er sollte also schleunigst seine parteipolitischen Scharmützel beenden und sich seiner Arbeit widmen…