Freitagabend wurde es politisch auf dem Literaturschiff der lit.COLOGNE. Es ging um den Brexit, die Flüchtlingskrise und Donald Trump. Dabei wurde eigentlich über das Ende der römischen Republik gesprochen und um Cicero und seinen Sklaven Tiro. Robert Harris war zu Besuch und stellte Dictator vor, den letzten Band seiner Cicero-Trilogie. Unterstützt wurde er dabei von Benjamin Höppner vom Schauspiel Köln, der Teile der
deutschen Übersetzung vortrug. Denis Scheck, der auch die ARD-Literatursendung Druckfrisch moderiert, führte durch das Gespräch. Dabei waren ihm sowohl seine Begeisterung für das Buch als auch seine Bewunderung für Robert Harris anzumerken und es machte großen Spaß, dem Gespräch der beiden zu folgen.
Das lag vor allem an der Kombination aus Harris' britischem Understatement und Schecks Furchtlosigkeit vor komplexen Fragen, die er gleich zu Beginn des Gesprächs unter Beweis stellte:
"To start with an easy question - what made the Roman republic fail after 500 years?"
- "As an imperial power it outgrew the strucures of democracy - it became too powerful, it had too much money and too many armies [...] You think your democratic system is safe - this is a warning from history that democracy can be quite frail."
Schnell wurden Parallelen zwischen dem alten Rom und den U.S.A. gezogen und Harris erklärte, dass ein wichtiger Punkt in dieser Hinsicht besonders in heutiger Zeit nicht vergessen werden dürfe - der Erfolg des römischen Reiches sei ebenso wie der Erfolg der U.S.A. auf Immigration zurückzuführen; dank motivierter Migranten habe sich in beiden Fällen eine wirtschaftliche Dynamik entwickelt, die beide Länder über Jahrhunderte hinweg antrieb.
Auf das britische Referendum zum Brexit im kommenden Juni angesprochen, erwiderte Harris:
"I am almost certain my country will vote to stay within the Europen Union."
Denn was wäre das Königreich, wenn es nicht mehr Teil der Union sei? Mit leicht ironischem Unterton zitierte Harris den von ihm wenig bis gar nicht geschätzten Boris Johnson, der vor einigen Tagen erklärte, Großbritannien außerhalb der EU stünde dann zur EU wie Kanada zu den USA. "I cannot think of anything worse" stellte Harris mit beißendem Sarkasmus fest.
Anschließend wandte sich das Gespräch Dictator zu, dem Buch, das seine Romantrilogie um den römischen Politiker Cicero beschließt. Zu Beginn dieses Bandes hat Caesar die Macht ergriffen und die Republik hat sich zur Diktatur gewandelt. Insgesamt hat Harris zwölf Jahre lang an den drei Bänden geschrieben. 400.000 Worte umfasst die Trilogie - aus weiteren 500.000 Worten bestehen seine Notizen.
Als Erzähler in allen drei Bänden fungiert Tiro, Sklave und Privatsekretär von Cicero, dessen Existenz historisch belegt ist, und der die erste Kurzschrift erfunden hat. Erst Tiro beginnt während Ciceros Konsulschaft damit, die Debatten des römischen Senats wörtlich festzuhalten. Auch hat dieser Tiro eine Biographie über seinen berühmten Herren geschrieben, allerdings ist sie verschollen. Dazu befragt, warum er die Geschichte aus Tiros Sicht erzählt habe, antwortete Harris, Genialität lasse sich am besten mit einem Blick von Außen beschreiben ("Genius is best described from the outside"). Tiro, so Harris, fungiere ein wenig so wie Dr. Watson zu Sherlock Holmes. Gleichzeitig sei ihm die wichtige Rolle zugekommen, Geschichte für die Nachwelt zu erhalten. Tatsächlich könne man die Aufklärung in Europa auf Tiro zurückverfolgen. Schließlich liege der Beginn der Aufklärung in Petrarchs Entdeckung von Ciceros Briefen, Reden und Schriften begründet -allesamt festgehalten dank Tiros Kurzschrift.
Fazit: Was für ein gelungener Abend - was könnte man sich von einem Freitagabend schließlich mehr wünschen als eine intelligente politische Diskussion und eine spannende Zeitreise?
Bonus: Denis Scheck hat Robert Harris im letzten Jahr bereits einmal zu Cicero interviewt. Das Video zum Gespräch findet sich hier.
Lust auf Cicero bekommen? Untenstehend geht es zu den Rezensionen zu den Hörbuchadaptionen von Harris' Trilogie