Chronologie der Ereignisse um die neun gefangenen Derwische
05.10.2014Hintergrund
mehriran.de - Das Regime im Iran fürchtet das Beispiel der ausdauernden Derwische. Nach einer Pressemitteilung des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer, bewegt sich das Regime und macht Zugeständnisse an die Derwische. Diese haben den Hungerstreik solange ausgesetzt bis die Versprechen umgesetzt sind.
1. Am 24. August 2014 hält der iranische Geheimdienstminister Mahmoud Alawi eine Rede während einer Bildungskonferenz vor Vorschul- und Gymnasialbehörden. Dort lässt er verlauten: "Wir müssen die Gedanken und Glaubensüberzeugungen der 6 - 18jährigen Schüler genauestens überwachen und uns nicht nur auf ihre Wissensaufnahme kümmern. Damit einhergehend müssen wir sie daran hindern den Weg der Sufis zu betreten und als Satanisten zu enden."
2. Am 31. August 2014 treten neun Mitglieder des Nematollah Gonabadi Ordens im Teheraner Evin Gefängnis und im Nezam Gefängnis von Schiraz in einen unbefristeten Hungerstreik. Hamid-Reza Moradi Sarvestani, Afshin Karampour, Farshid Yadollahi, Reza Entesari, Amir Eslami, Omid Behroozi, Mostafa Daneshjou, Mostafa Abdi, und Kasra Nouri verkünden auch ihren Schweige-Eid aus Protest gegen die illegalen Vorgehensweisen der Gefängnisverwaltung gegen sie und andere Gewissensgefangene.
3. Reza Entesari's physischer Zustand ist am 31. August 2014 kritisch. Die Gefängnisverantwortlichen verweigern ihm eine Fahrt ins Krankenhaus.
4. Am 3. September 2014 veröffentlicht die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran eine Antwort auf die Aussage des iranischen Geheimdienstministers Alawi. Dr. Seyed M. Azmayesh, Leiter der Organisation, erwidert: "Jeder Gedanke, der sich als Entgegengesetzt zur derzeitigen Regime Ideologie zeigt, gilt als Satanismus. Tatsächlich findet sich an der Wurzel der aktuellen Systemideologie im Iran etwas, was durchaus als 'religiöser Faschismus' bezeichnet werden kann.
5. Am 3. September 2014 werden in einer Nacht-und Nebelaktion die beiden im Teheraner Evin Gefängnis (Trakt 350) festgehaltenen Derwische Amir Eslami und Mostafa Abdi in Einzelhaft gesteckt.
6. Die Zellengenossen des Menschenrechtsaktivisten Reza Entesari im Evin Gefängnis berichten über seine miserable gesundheitliche Lage, doch die Gefängnisleitung verweigert nach wie vor einen Transfer in ein Krankenhaus oder medizinische Station.
7. Am 5. September 2014 verweigern Afshin Karampour, Reza Entesari und Mostafa Daneshjoo auf Grund weiteren Drucks der Gefängnisverwaltung ihre Medikamente.
8. Am 10. September 2014 veröffentlichen die Derwische ihr Testament. Hier ein Auszug aus dem Vermächtnis der Derwische: "Geistige Brüder des Nematollah Gonabadi Ordens, freie Männer und Frauen in der Welt!! Diese Feinde, die das Gesetz im Namen von Religion missbrauchen, foltern uns langsam zu Tode. Wir werden nicht auf Grund unseres Hungerstreiks sterben, sondern zu Tode gebracht. Nach unserer Überzeugung und angesichts der Geschichte werden wir ewig leben. Wir glauben an eine Politik befreite Version des Islam, die nicht von Machtinteressen verfälscht ist und die eine freie, lebenspendende Geistseele als Realität im Menschen respektiert. ... Wir möchten mit unserem Testament an alle freien Menschen in der Welt und vor allem an alle Gonabadi Derwische appelieren, unsere Beschwerden untersuchen zu lassen und alle Gesetzesbrecher und Verantwortlichen für die Folterungen und Grausamkeiten vor Gericht zu bringen."
9. Am 10. September 2014 schreibt das Forum freier Anwälte an Dr. Ahmad Shaheed, UN Rapporteur für Menschenrechte im Iran: "Hinweis zu Farshid Yadollahis Lage - Das Forum freier Anwälte unterstützt Farshid Yadollahis berechtigte Forderungen. Wir erklären hiermit, dass der Leiter der Justiz (Sadegh Larijani) die Regeln und Richtlinien in diesem Fall völlig missachtet hat und dadurch verantwortlich für die Gefährdung von Leib und Leben von Farshid Yadollahi und den anderen Hungerstreikenden ist."
10. Am 11. September 2014 haben Wärter die Zellen der beiden Derwische Mostafa Daneshjou und Reza Entesari unter dem Vorwand einer Inspektion mit gewaltsamer Brutalität durchsucht und absichtlich persönliche Gegenstände zerstört.
11. Am 13. September 2014 reisen aus ganz Iran 2.000 Derwische unter dem Motto "Aus ganz Iran zum Evin Gefängnis" nach Teheran, um Solidarität zu bekunden und friedlich zu protestieren.
12. Am 15. September 2014 nimmt eine Vertreterin der Internationalen Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran an der 27. Menschenrechtsversammlung der Vereinten Nationen in Genf teil und berichtet über den Zustand der Hungerstreikenden Gonabadi Derwische und ihre Hilferufe an die Internationale Gemeinschaft.
13. Derwische versenden Briefe an verschiedene Behörden im Iran: Geheimdienstministerium, Oberster Führer, Minister der Justiz. Sie erhalten keinerlei Reaktion.
14. Am 16. September 2014 wird Hamid Reza Moradi von Wärtern im Evin Gefängnis brutal angegriffen.
15. Am 20. und 21. September 2014 versammeln sich Gonabadi Derwische aus verschiedenen Städten Irans friedlich vor dem Haus des Generalstaatsanwalts in Teheran, verbinden sich die Augen und fesseln ihre Hände mit weissen Tüchern. Sie verlangen von den Behörden ins Gefängnis gebracht zu werden, wenn diese sich weigern die verhafteten Derwisch-Brüder frei zu lassen. Sie werden gnadenlos mit Knüppeln niedergeschlagen, die Behörden setzen Tränengas ein. 800 Derwische wurden in Gewahrsam genommen. 100 Derwische erlitten ernste Verletzungen am Kopf, Rücken, an den Armen und im Gesicht und wurden in Krankenhäuser gebracht.
16. Am 22. September 2014 verliert Amir Eslami das Bewusstsein.
17. Am 24. September 2014 fällt Mostafa Daneshjoo auf Grund des Hungerstreiks in Ohnmacht.
18. Am 26. September 2014 - Die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran erlässt eine Pressemitteilung, in der sie die Vertreter Irans darauf hinweist, dass sie in verschiedenen Ländern Europas Proteste auf den Straßen und ebenso Hungerstreiks freiwilliger Menschen organisieren wird, wenn sie die Lage der Derwische weiterhin ignoriert.
19. Am 28. September 2014 versammeln sich wieder Derwische friedlich in Teheran, um zu protestieren und Solidarität mit ihren gefangenen Brüdern zum Ausdruck zu bringen.
20. Die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran führt am 28. September 2014 eine Strassenaktion in Stockholm, Schweden und in London, Großbritannien durch. Vertreter kündigen als nächsten Schritt einen Hungerstreik europäischer Aktivisten an.
21. Am 2. Oktober 2014 veröffentlicht Christoph Strässer, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung im Auswärtigen Amt eine Pressemitteilung, in der er seine Sorge und die Sorge der Bundesregierung über die kritische Lage der Nematollah Gonabadi Derwische im Allgemeinen und den Gesundheitszustand der neun Hungerstreikenden im Besonderen ausdrückt.
22. Nach einem Bericht von BBC Farsi, Radio France International am 3. Oktober 2014 über die Pressemitteilung, machen die Behörden im Iran Versprechen die Fälle der Derwische genauer zu untersuchen und die neun Derwische erklären sich bereit ihren Hungerstreik auszusetzen aber sofort wieder aufzunehmen, wenn die Behörden nicht handeln sollten.