Hallo :)
Es wird davon ausgegangen, dass ungefähr 10-20 % der Bevölkerung in Deutschland chronischen Schmerzen hat. Die Wahrscheinlichkeit selbst einen Betroffenen zu kennen oder selbst betroffen zu sein ist also auch dementsprechend hoch.
Warum geht es uns alle an?
Erst einmal: Jeder kann in die Situation kommen, egal wie sportlich man ist oder wie gesund man sich ernährt! Man kann das Risiko versuchen zu minimieren, aber ein Restrisiko bleibt immer vorhanden.
In Deutschland herrscht eine Unterversorgung was die Schmerztherapeuten anbelangt. Oft ist es sogar so, dass man mehrere Monate auf Termine warten muss und selbst dann bekommt man mitunter keine ausreichende Behandlung. Leider ist es sogar oft so, dass Schmerztherapeuten nicht gerade vor der eigenen Haustür zu finden sind. Ich war für mehrere Monate bei einem in Behandlung, der um die 90 km entfernt war. Anfahrtszeit? Fast 2 Stunden. Je nach Therapieart sieht man mitunter seinen Schmerztherapeuten 2 Mal die Woche. Je nach Schmerzerkrankung ist das aber einfach nicht möglich und ich kann mir an schlechten Tagen auch nicht vorstellen tatsächlich diesen Weg in Kauf zu nehmen. Teils werden auch ziemlich starke Infusionen/Spritzen verordnet, das heißt alleine so einen weiten Weg zu bestreiten kann schlichtweg unmöglich sein. Und jedes Mal wen zu finden, der einen fährt ist auch alles andere als einfach. Je nach Behandlung muss man auch noch einige Stunden in der Praxis zur Beobachtung bleiben, das heißt zu dem langen Weg dahin und der Wartezeit in der Praxis selbst kommt das noch hinzu.
Chronische Schmerzen sind teils für den Betroffenen alles andere als ein Zuckerschlecken und solche Aussagen wie "das ist doch keine Entfernung" tun einfach nur weh. Oft sind sie noch nicht einmal böse gemeint und das Gegenüber kann ja nicht wissen, dass man schon bei unzähligen Ärzten wahr. Es kann es wahrscheinlich auch nicht verstehen, dass lange Anfahrten je nach Schmerzsymptomatik die Hölle schlechthin sein können.
Es ist also leider vollkommen verkehrt zu glauben, dass ein einzelner Arztbesuch zwangsläufig den Betroffenen schmerzfrei macht. Teils muss man mehrere Ärzte besuchen und selbst dann ist man mitunter nicht schmerzfrei. Als Betroffener wünscht man sich deshalb etwas mehr Verständnis in Bezug auf die Entscheidungen, die man trifft. Solche Sprüche wie “du warst doch schon bei 3 Ärzten, reicht das nicht langsam?” helfen da wahrlich nicht weiter. Ich will jetzt nicht alle Betroffenen über einen Kamm scheren, da manch einer tatsächlich Ärzt-Hopping betreibt und zu viele Ärzte besucht. Aber in der Regel ist es so, dass ein Betroffener viele Ärzte für ein wenig Linderung besuchen muss.
Da jeder ein eigenes Schmerzempfinden hat, ist es natürlich auch sehr schwer den Schmerz von einem anderen zu verstehen.
Chronische Schmerzen können das Leben ganz schön verändern und diese Veränderungen sind für Außenstehende oft mals nicht nachzuvollziehen. Wenn der Betroffene geliebte Hobbies oder den Job wegen der Erkrankung aufgeben muss, ist das nicht immer für jeden verständlich. Man muss durch die Erkrankung viele Abstriche machen und das bedeutet auch Türen zu schließen und andere im Gegenzug zu öffnen. Auch ich musste mir schon ziemlich viel Kritik diesbezüglich anhören, jedoch versuche ich mir diese nicht zu Herzen zu nehmen. Es ist halt schwer einen Schmerz nachzufinden, den man selbst noch nicht gespürt hat. Und selbst wenn man die gleiche Erkrankung wie der Betroffene hat, können die Schmerzen komplett unterschiedlich sein.
Also warum geht es uns alle an?
Durch die Versorgungslücke in Deutschland haben es die Betroffenen unnötig schwer. Es wird sogar davon ausgegangen, dass 600.000 – 800.000 eine schwer therapierbare Form von chronischen Schmerzen haben! Nicht jeder bekommt Hilfsmittel genehmigt und allgemein sind die ganzen Hilfen(Physiotherapie, Ergotherapie usw.) teils doch sehr schwer zu bekommen. Auch Medikamente werden nicht immer von der Krankenkasse übernommen und Haushaltshilfen bekommen die wenigsten genehmigt.
Also bitte wenn mal wieder ein “Awareness-Day” ist schaut nicht weg. Solche Tage sind wichtig um Spenden für die Forschung zu bekommen. Ohne Forschung ist es leider nicht möglich neue Behandlungsformen zu finden und somit ist der Patient leider teils gezwungen für die Behandlung selbst aufzukommen! Und mit Hilfe der Forschung findet man vielleicht irgendwann einmal eine Möglichkeit gewisse Erkrankungen zu heilen und dann muss man auch nicht ein Leben lang die Symptome von dieser behandeln.
Da unsere Bevölkerung immer älter wird ist es auch immer wahrscheinlicher selbst irgendwann chronische Schmerzen zu bekommen. Jetzt ist es jedoch so, dass die Versorgungslücke dadurch natürlich größer wird. Eine Verbesserung ist momentan leider auch nicht in Sicht und da viele Ärzte bald in Rente gehen wird sie allein dadurch noch größer werden.
Deshalb bitte macht es den Betroffenen nicht noch durch abwertende Kommentare schwerer als es ohnehin schon ist. Ich musste auch schon Tabletten nehmen, bei welchen die Nebenwirkungen an sich schon die alltäglichsten Dinge wie das Bett verlassen nahezu unmöglich gemacht haben. Auch Ärzte haben da teils absolut kein Verständnis für, wenn man aus eben diesen Gründen lieber die Schmerzen erträgt. Da ist es dann noch einmal schwerer die gleichen Kommentare von Bekannten/Freunden/Verwandten zu ertragen.
Wenn alle an einem Strick ziehen, dann verbessert sich wahrscheinlich auch endlich die Situation von Betroffenen. Ich denke einmal vielen fällt es zum Beispiel schwer einen Gehstock oder einen Rollator als Hilfsmittel in ihr Leben zu lassen und es ohne Scham in der Öffentlichkeit zu nutzen. Da muss man es den Betroffenen nicht noch schwerer machen als es ohnehin schon ist. Chronische Schmerzen sieht man in der Regel den Menschen nicht an, deshalb ist es ohnehin schon schwer Rücksicht zu verlangen oder diese tatsächlich zu erhalten.
Wie seht ihr das? Geht das Thema wirklich alle etwas an oder sollten die Betroffenen weiter still schweigend den
Schmerz ertragen?
Viele liebe Grüße