Christoph Hein – "In seiner frühen Kindheit ein Garten"

Von Nicsbloghaus @_nbh

Das vorweg: das war eines dieser seltenen Bücher, die ich in weniger als 24 Stunden ausgelesen habe; eines, das ich nicht weglegen konnte, ehe es ausgelesen war.

Sei es, weil ich Christoph Hein mag (sein “Fremder Freund” hat mich nachhaltig beeinflusst), sei es, weil mich das Thema des Buches interessiert.

Wer erinnert sich noch an Bad Kleinen? Wofür ist das Synonym?
Wenn ich den Namen der Kleinstadt in der Nähe Schwerins höre, denke ich nicht an Urlaub oder ländliche Idylle. Sondern immer daran, dass dort im Juni 1993 ein Mensch starb: Wolfgang Grams. (Genaueres dazu auf der Webseite rafinfo.de)

In Heins Roman steht jedoch nicht das RAF-Mitglied Wolfgang Grams (im Buch: Oliver Zureck) im Mittelpunkt der Erzählung, sondern sein Vater, ein staatstreuer Beamter, der herausfinden möchte, weshalb sein Sohn sterben musste; der gegen den Staat, dem er die Treue geschworen hat, klagt als er bemerkt, dass dieser vertuscht, verschweigt, die Wahrheiten verbiegt.
Grams Partnerin (und bei dem Vorfall in Bad Kleinen verhaftete) Birgit Hogefeld legt er diese Worte in den Mund:

Unsere Menschlichkeit kann uns zu Unmenschlichkeiten führen [...] Das Ungeheuer sind nicht wir, wir haben nur versucht, das Ungeheuerliche nicht hinzunehmen.. Das war unser Fehler, das ist die eigentliche Schuld, die wir auf uns geladen haben. (S. 192)

So wie es in dem Buch viel um Schuld geht: die Schuld der Eltern, versagt zu haben in der Erziehung, der Schuld der Lehrer, Irrelevantes – wenn nicht gar Falsches – gelehrt zu haben (Der Vater, Herr Zureck, war sein Leben lang Schuldirektor), die Schuld des Staates, der seine Bürger nicht schützt, sondern (vielleicht) ermordet, ermorden lässt.

Irgendwas gibt es, muss es geben, was hier passiert ist, hier in diesem Haus. Die Überlebenden haben immer Unrecht.Und sie haben Schuld. Sie werden ihr Leben lang diese schuld nicht mehr tilgen können. (S. 80)

Christoph Hein ist ein bewegendes, politisches Buch gelungen, dass an die (noch immer unaufgearbeitete) Geschichte der RAF erinnert; auch wenn Hein, als “gelernter DDR-Bürger” nur Zaungast war.
Meiner Meinung nach: Pflichtlektüre für all jene, die an der jüngere Geschichte Deutschlands interessiert sind.

Ich war noch sehr jung, als zur Hexenjagd auf die “Baader-Meinhof-Gruppe” geblasen wurde. Und Bücher wie dieses hier, Bölls “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” oder der Fernsehfilm “Kinder unseres Landes”[1] lassen mich die Welt anders sehen.

Nic

[1]Vor vielen Jahren gab es in der ARD einen Fernsehfilm “Kinder unseres Landes”, der die Biographie einer RAF-Frau nachzeichnet. Leider finde ich dazu keine Informationen. Wer darüber etwas weiß: bitte Nachricht!