Ein Vierteljahrhundert nach dem Reichstag in Berlin verhüllt Land Art Künstler Christo nächstes Jahr das Arc de Triomphe. Das Pariser Wahrzeichen soll in rund 25 000 Quadratmeter silber-blauem Stoff aus Polypropylen verpackt werden, der mit insgesamt 7000 Meter rotem Seil zusammengebunden wird. Polypropylen ist laut Wikipedia der am zweithäufigsten verwendete Standardkunststoff und kommt häufig in Verpackungen zum Einsatz. Der Triumphbogen soll vom 6. bis 19. April 2020 unter dem „recyclebaren“ Plastik verschwinden. Wir fragen uns: ist das Plastikverschwendung oder geniale Kunst?
Wer in Deutschland den Namen Christo hört, denkt sofort an den verhüllten Reichstag. In einer spektakulären Aktion und mit einer enormen Plastikverschwendung einhergehend, verhüllte das Künstlerpaar im Jahr 2005 den Reichstag in Berlin. Doch auch mit anderen Kunstprojekten beeindruckten der Bulgare und seine Frau Jean-Claude die Welt. Christo schrieb Kunstgeschichte, er gehört wohl zu den populärsten Land Art Künstlern überhaupt. Das Besondere an seinen Kunstwerken ist, dass sie im öffentlichen Raum installiert werden, für alle Besucher kostenfrei zugänglich sind und nur kurzzeitig ausgestellt werden.
Land Art – systemkritischer Eingriff in die Landschaft
Seit den 1960er Jahren ist Land Art ein politisches Instrument zur Kritik am vorherrschenden Kapitalismus. Land Art verwandelt den öffentlichen Raum in ein Kunstwerk – eines, das niemandem gehört, sondern für jeden offen steht. Somit möchte Christo mit seiner Kunst Besitztum kritisieren. Land Art stellt immer einen Eingriff dar in die Natur, in die Landschaft und damit in unseren Lebensraum. Es muss nicht immer Plastikverschwendung sein – Land Art funktioniert auch mit natürlichen Materialien. Anders jedoch als in der Landwirtschaft oder Industrie, die die Umwelt zu einem bestimmten Zweck verändert, ist der Zweck dieser Kunstrichtung die Kunst selbst. Christo möchte in erster Linie Neugier bei den Betrachtern erwecken, allerdings spielt auch der Begriff Freiheit eine wichtige Rolle in seiner Kunst. Ehemals aus dem kommunistischen Bulgarien geflohen, ist Freiheit ein hohes Gut für den Künstler: Bei der Finanzierung seiner Projekte legt er großen Wert auf Unabhängigkeit. Christo finanziert seine Kunstwerke selbst, und zwar durch den Verkauf seiner kleineren Werke sowie durch Skizzen und Zeichnungen.
Plastikverschwendung für die Kunst
Für seine Land Art benötigt der Künstler Unmengen von Plastik. Am Beispiel von Christos pinken Inseln wird die enorme Plastikverschwendung deutlich, die mit dem Erschaffen der eindrucksvollen Land Art einhergeht. 1983 verpackten Christo und seine Frau Jean-Claude Inseln vor Miami in leuchtend pinkes Plastik. Allein für das Projekt der ikonischen pinken Inseln verwendeten die beiden 603.850 qm Polypropylengewebe. Das gigantische Konstrukt ließen sie entsprechend der Umrisse der elf Inseln aus 79 Teilen nähen. 35 Jahre später stellt das Perez Art Museum Miami eine Dokumentarausstellung über den gesamten Arbeitsprozess zu Christos pinken Inseln aus. Archivmaterial und Kunstwerke rund um die Verhüllung erinnern an dieses Projekt des bulgarischen Künstlers.
Umweltschutz trotz Plastikverschwendung – geht das?
Im Gegenzug ließen die Künstler die Inseln vor ihrer Umhüllung säubern und leisteten dadurch einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz. Rund 400 Helfer befreiten das Areal von etwa 40 Tonnen Müll. Sie sammelten Kühlschränke, Autoreifen, Plastiktüten und alles ein, was nicht in die natürliche Umgebung der Inseln gehört. Damit leisteten die Helfer einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz.
Vergänglichkeit, die bleibt
Die Einzigartigkeit seines Werks ist unbestritten, und seine ästhetische Umsetzung überzeugt viele kritische Stimmen. Fast alle von Christos Projekten sind vergänglich. Man kann sie besuchen, betrachten und dokumentieren. Wenn sie verschwunden sind, kann man sich daran erinnern. Was bleibt, ist ein großer Haufen Plastikmüll und die Frage: Rechtfertigt großartige Kunst diese enorme Plastikverschwendung? Und muss es wirklich Plastik sein? Oder könnte der Künstler ein anderes, plastikfreies und umweltfreundliches Material verwenden?