Wien am Ende des Zweiten Weltkriegs
Die Ich-Erzählerin ist ein achtjähriges aufgewecktes Mädchen aus Wien Hernals. Dort lebt sie zusammen mit ihrer Mutter, ihrer älteren Schwester Hildegard, ihrer fast tauben, aber energischen Oma Juli und ihrem Opa. Sie erzählt in unverblümt direkter Sprache, was sie zu Ende des Zweiten Weltkriegs, genauer: von wenige Tage vor Einmarsch der Russen bis zum Abzug der russischen Kampftruppen und der Übernahme durch den „Tross“ einige Wochen später, erlebt hat.
Ausgebombt und umquartiert
Das Elternhaus wird von Bomben getroffen, nur noch das Zimmer der Großeltern steht und wird von diesen weiter bewohnt. Die restliche Familie kann aber in die Neuwaldegger Villa der Eltern von Frau von Braun ziehen, die ihr Eigentum in diesen schweren Zeiten nicht unbewacht lassen will. Frau von Braun ist ein strammer Nazi, trotzdem nimmt die Familie das Angebot, in die Villa zu ziehen, an. Auf dem Weg dorthin stößt der desertierte Vater hinzu, der bisher in einem Lazarett war, weil seine Beine verletzt sind, sich bei der Verlegung der Lazarettinsassen aber davonmachen konnte, mit einem Urlaubsschein, den er sich – wie gewohnt – selbst ausgestellt hat.
Die Russen kommen
Es dauert noch einige Tage, bis die Russen tatsächlich da sind. In diesen Tagen raffen die Leute alles Essbare zusammen, das sie nur finden können, unter anderem die delikaten Vorräte eines Nazi-Clubhauses und die weniger delikaten, aber reichlichen Lebensmittel aus einem anderen Nazi-Gebäude.
Da auch Frau von Braun ausgebombt wird, zieht sie mit ihrem Sohn Gerald ebenfalls in die Villa.
Schließlich rücken die Russen ein. Über sie grassieren die scheußlichsten Gerüchte, die sich zum Glück in der Realität nicht bestätigen. Die Familie hat Glück: In der Villa wird ein freundlicher und korrekter Major einquartiert, samt seiner Dienerschaft und einer Dienststelle. Und im Gartenhaus wird eine Regimentsküche eingerichtet, die der verwachsene Koch Cohn betreut. Dieser Cohn ist Jude aus St. Petersburg und kann ein paar Brocken Deutsch. Mit ihm freundet sich unsere Ich-Erzählerin schnell an. Sein Standard-Satz zu allen Problemen des Lebens ist: „Macht nix, macht nix, Frau“. Mit „Frau“ meint der die Erzählerin.
Vater repariert Armbanduhren
Der Vater, von Beruf Uhrmacher, macht sich nützlich, indem er die vielen Armbanduhren der Russen, die diese den Österreichern abgenommen haben, repariert. Er behauptet, wegen seiner maroden Beine nie Soldat gewesen zu sein, fürchtet aber, als deutscher Soldat aufzufliegen, wenn er seine Russischkenntnisse, die er sich beim Russlandfeldzug angeeignet hat, zeigt.
Rettende Russischkenntnisse
Doch eines Tages muss er Russisch reden: Ein stockbesoffener Feldwebel will nämlich mit seiner Maschinenpistole die österreichischen Villenbewohner niedermähen, weil sie seine Pistole gestohlen hätten. Diese Pistole haben tatsächlich Gerald und die Erzählerin am Vortag im Garten versteckt. Der Vater kann – auf Russisch – den Feldwebel beruhigen, bis er einschläft und abtransportiert werden kann. Nun ist zwar heraus, dass der Vater Russisch kann, aber es hat zum Glück keine Folgen.
Cohn wäre bei einer anderen Gelegenheit fast ebenfalls Opfer des unbeherrschten Feldwebels geworden. Er kann sich aber rechtzeitig in Sicherheit bringen. Nur seine dicke Brille geht zu Bruch. Um diese ersetzen zu lassen, muss er ins Militärspital in der Innenstadt fahren. Die Erzählerin versteckt sich auf dem Pferdewagen, weil Cohn versprochen hat, nachzusehen, ob Oma und Opa noch leben, und das Mädchen will unbedingt selbst dabei sein.
Sie kommen wirklich zu den Großeltern, doch Cohn, der ins Spital weitergefahren ist, wird unterwegs verhaftet und kommt nie wieder zurück. Dafür holt der Vater das Mädchen ab, wird am Rückweg fast von der Militärpolizei eingesperrt und nur durch die befreundeten Russen, die vom Mädchen alarmiert wurden, gerettet.
Die Tage mit den netten Russen sind aber bald zu Ende, sie rücken weiter nach Westen vor und der – gefürchtete – Tross stößt nach. Damit endet der Roman.
Glück gehabt
Der Roman stellt vor dem düsteren Hintergrund der Kriegszerstörungen die eher heitere Seite des Kinderlebens im Chaos des Kriegsendes dar. Glück gehabt, kann man von der Familie der Ich-Erzählerin sagen. Nicht allen kleinen Mädchen sind damals so glimpflich davongekommen. Vielleicht hat die Aufgeweckheit des Mädchens – die wohl ein autobiographischer Zug ist – es vor Schlimmerem bewahrt.
Christine Nöstlinger: Maikäfer flieg! Mein Vater, das Kriegsende, Cohn und ich. Roman. Beltz und Gelberg, Weinheim u.a., 3., veränderte Auflage, 1978. 171 Seiten. Schulbibliothek.
Bild: Wolfgang Krisai: Brandruinen. Deckfarbe. Ca. 1977. – Dieses Bild malte ich noch während meiner Schulzeit im Kunstunterricht aus der Phantasie. Das Thema war, so weit ich mich erinnere, “Ruinenstadt”.