Chris Adrian – Die große Nacht/The great night

Von Buchstabenchaos

Titania und Oberon, ihres Zeichen Königin und König der Elfen leben mit ihrem Hofstaat in einem Hügel im Buena-Vista-Park in San Francisco. Sie haben sich ein sterbliches Kind gestohlen, das einige Zeit später seiner Krebskrankheit erliegt. Titania ist untröstlich und wütend, zumal Oberon verschwunden ist. Zu allen übel naht “Die große Nacht”, das Jubiläum der Nacht, in der Oberon und Titania den gefährlichen Kobold Puck mit einem Bann belegt haben. Titania löst diesen Bann, doch dank eines Zaubers Oberons kann Puck den Hügel nicht verlassen. Dummerweise haben sich aber just in dieser Nacht drei Sterbliche auf dem Hügel verirrt. Eigentlich wollten sie nur zu einer Party, was sie aber erwartet ist ein skurriles Abenteuer, in dem es schließlich um Leben und Tod geht.

“Die große Nacht” hinterlässt mich fast ein bisschen sprachlos. Die Idee, Shakespeares “Sommernachtstraum” in die Gegenwart zu versetzen ist sicherlich nicht neu, aber die Umsetzung ist für meinen Geschmack etwas zu schrill und chaotisch geraten. Adrian erzählt in “Die große Nacht” nicht nur von den Geschehnissen eben jener Nacht sondern wirft auch einen Blick in die Vorgeschichte der Protagonisten. Da wäre zum Beispiel die Verkäuferin Molly, die  den Selbstmord ihres Geliebten nicht verkraftet hat und auch noch mit den Dämonen ihrer Kindheit ringt während der homosexuelle Kinderarzt Henry noch an der Trennung von Bobby zu knabbern hat. Will, der Baumpfleger hofft hingegen, auf der Party seine verlorene Liebe Carolina wieder zu sehen und für sich gewinnen zu können, derweil proben eine Gruppe von Obdachlosen ein Musical im Park, immer wieder unterbrochen von den Quickies des Regisseurs im Gebüsch.

So weit, so gut. Leider verzettelt sich Adrian, strickt aus seinen Erzählsträngen ein undurchdringliches Dickicht und hat letztendlich damit meiner Leselust den Garaus gemacht. Adrian schreibt sich vom hundertstel ins tausendstel und erstickt damit den Zauber seiner stellenweise doch ganz amüsanten Einfälle. Obszöne Szenen, in denen ein Parkbesucher von einem Zwerg beim masturbieren erwischt wird sind an der Tagesordnung. Ich habe während der ganzen 443 Seiten gehofft, das erzählerische Chaos würde sich lichten und zu einem schlüssigen ganzen zusammenfügen. Leider vergeblich.

Letztendlich bleibt wohl eine Erkenntnis: wer sich mit Shakespeare messen will unterliegt zwangsläufig und dem Original kann auch Chris Adrian nicht das Wasser reichen. Ich hatte eigentlich große Hoffnungen in “Die große Nacht” gesetzt, ich hatte gehofft, dass es mich ein bisschen an Matt Ruff’s “Fool on the Hill” erinnern wird, allerdings hat Ruff die Fäden wesentlich besser in der Hand als Adrian es in der großen Nacht vermochte. Ruff jongliert ebenfalls mit vielen verschiedenen Handlungssträngen, bringt Fantasiewesen zum Leben und verweist auf große Autoren wie Shakespeare, aber: im Gegensatz zu Adrian lässt er seine Bälle nicht fallen. “Die große Nacht” war für mich – so sehr es mir weh tut, das schreiben zu müssen – einfach nur eines: eine große Enttäuschung.

English Version: coming soon.