Chouffe, Chouffe, Chouffe

Von Thesandworm

Brüssel ist eine Stadt, die man nicht um ihrer selbst willen besucht. Ich zumindest nicht. Brüssel ist viel mehr eine Stadt in die man fährt, wenn man dort etwas zu erledigen hat, oder eingeladen wurde. Wie ich zum Beispiel.

Nicht, dass ich Brüssel als Stadt unbedingt klein reden möchte. Vor Jahren, damals lebte ich in Paris, hatte ich herausgefunden, dass man mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV nur etwa eine Stunde dorthin benötigte und wäre fast hingefahren. Dann hab ich’s mir überlegt und fuhr nach Marseille, eine Stadt, in die man unbedingt um ihrer selbst willen fahren sollte. Ich habe damals beschlossen, ich würde erst nach Brüssel fahren, wenn man mich dorthin einlädt.

Zwei Jahre später war es soweit und die EU höchstpersönlich bezahlte die Reise. Also fuhr ich hin. Einen ganzen Tag lang habe ich mich dann umgesehen und festgestellt, dass ich mit meiner Voreingenommenheit zum Teil recht gehabt hatte. Brüssel ist tatsächlich nicht besonders aufregend. Es gibt einen kleinen, sehr schönen historischen Kern, der im Grand Place sein Zentrum findet, durch die Gässchen rund herum kann man gut und gerne ein paar Stunden sehr gemütlich flanieren, das berühmte Manneken Pis entdeckt man meist erst deswegen, weil sich zu jeder Tageszeit dort eine Traube von Touristen gebildet hat, die ihm bei seinem endlosen Wasserlassen zusieht.

Vor kurzem war es wieder so weit und ich bin als Teil einer österreichischen Blogger- und Bloggerinnen-Gemeinschaft, wieder gefördert von der Europäischen Union in Form eines Reisezuschusses, initiiert durch den Wiener Gemeinderat Marco Schreuder und auf Einladung der  Grünabgeordneten Ulrike Lunacek und Eva Lichtenberger erneut nach Brüssel gereist. Viel Zeit blieb auch diesmal nicht – ein ziemlich dichter Parcours durch europäische und österreichische Institutionen stand am Programm (mehr darüber kommende Woche in meiner Kolumne auf zurPolitik.com), lediglich der Anreisetag sowie die Abende standen zur touristischen Disposition.

Nachdem ich nun der Stadt bereits einiges an touristischer Wertigkeit abgesprochen habe, muss ich mich doch um eine gewisse Ehrenrettung bemühen. Brüssel ist, auch wenn man nicht eingeladen ist, allemal eine Durchreise wert. Und zwar vor allem wegen seiner kulinarischen Reize.

Bereits beim ersten Aufenthalt galt mein Hauptaugenmerk der Suche nach einem gewissen „Léon de Bruxelles“. So nennt sich eine Lokalkette, die ich in Paris gerne wegen eines bestimmten Gerichts frequentiert hatte: „Moules Frites“ – zu deutsch Muscheln mit Pommes. Dass ich das Brüsseler Restaurant nicht sofort fand, lag einzig und allein daran, dass ich nicht klug genug war, zu erkennen, dass der topographische Namenszusatz in Brüssel selbst völlig unützes Beiwerk war, das Lokal hieß dort logischerweise schlicht und einfach „Chez Léon“.

Bei der vor kurzem erfolgten Reise hat es sich nun auf wundersame Weise ergeben, dass am ersten Tag, in kleinere Grüppchen aufgesplittert und auf der Suche nach Essbarem, ausgerechnet meine Gruppe plötzlich vor dem Lokal stand. Besser hätte ich es nicht planen können. Moules Frites – erledigt. Passenderweise gab es ein Mittagsmenü samt jenem Getränk, welches auch gleich den zweiten kulinarischen Fokus der Reise bildete: Bier.

Wer nach Brüssel kommt sollte sich auch bei den unzähligen Biersorten kundig machen. Mitunter lohnt sich das. Zum Glück hatte ich einige gerstensaftaffine Bloggerkollegen und -kolleginnen an meiner Seite, während der viertägigen Reise gab es also genug Gelegenheiten, da und dort einen Schluck zu kosten und so gröbere Leberschäden zu vermeiden.

Zum Bier ist folgendes zu sagen. Es gibt in Belgien vermutlich so viele Biersorten, dass man sie kaum in einem Jahresaufenthalt in Brüssel durchtesten würde können. Es gibt dunkle und helle, leichte und sehr, sehr starke, es gibt Weißbiere und Pilse und es gibt die notorischen Fruchtbiere. Dorn in den Augen so mancher Reinheitsgebotsapostel, Suchtfaktor für wieder andere. Ich persönlich konnte weder dem Bananen-, noch dem Mangobier viel abgewinnen, Kirschbier (Kriek) ging gerade so, mein Favorit eindeutig Himbeerbier. Unter den restlichen Bieren erinnere ich mich noch mit Schaudern an ein Starkbier (10+Vol.%), welches hauptsächlich nach Ethanol schmeckte und dankenswerterweise von meinem biertechnisch unerschütterlichen Mittester ausgetrunken wurde. Der Name dieses Bieres ist mir entfallen, ob das bereits diversen Ausfallserscheindungen geschuldet war, will und kann ich nicht beurteilen.

Zwischendurch muss gegessen werden und diesbezüglich gibt es in Brüssel noch mehr im Angebot als Muscheln mit Pommes. Pommes alleine zum Beispiel. Erfunden von den Belgiern, von den Amerikanern frankophoniert und dann auch noch befreit, heißen sie in Brüssel immer noch Frites. Und die allerbesten gibt es bei Antoines Frittenbude am Place Jourdan, mitten im EU-Viertel. EU-Volk und Einheimische schwärmen in den jeweiligen Pausen gern zum Platz und holen sich die eine oder andere Tüte, klassisch belgisch natürlich mit sehr viel Mayonnaise. Schließlich brauchte man für die abendliche Biertesterei auch eine ordentliche Unterlage.

Der Sieger dieses Tests wurde schließlich am letzten Abend gekürt und nennt sich Chouffe. Ein hervorragender Name, der sich auch nach mehreren Gläsern noch verständlich aussprechen lässt, und dessen phonetische Eigenschaft so einprägsam war, dass noch mindestens eine Mittesterin dem Chouffe-Effekt erlag. Wie der aussieht? Man bestellt einfach. Ein Chouffe und noch ein Chouffe. Chouffe, Chouffe, Chouffe.

Hilfreiche Informationen:

Anreise: Günstige Direktflüge aus Wien gibt es aktuell mit Austrian Airlines oder Brussels Airlines. Die Flugzeit beträgt etwas weniger als 2 Stunden. Der Transfer vom Flughafen ins Stadtzentrum kostet aktuell um die 5 Euro. Ein Dreitagespass für die öffentlichen Verkehrsmittel in Brüssel kostet 9,50 Euro (exkl. Fahrt zum Flughafen).

Unterbringung: Diverse Hotelbörsen vermitteln günstige Zimmer, die Bloggergruppe war im Hotel Floris Ustel Midi in Bahnhofsnähe untergebracht. Diesbezüglich kann ich selbst keine Beschwerden vorbringen, außer, dass die Gegend rund um das Hotel eher als heruntergekommen zu bezeichnen ist, Mitreisende haben darüber hinaus u.A. über Probleme mit dem W-Lan in ihren Zimmern berichtet.

Chez Léon: 18 Rue de Boucher

Friterie chez Antoine: Place Jourdan

Susanne, 17. Juni 2010