China – Ein Riese im Spagat

Sollte das derzeitige Wachstum Chinas und dessen expansiver Wirtschaftskurs so weitergeführt werden wie bisher, würde das Land scheitern. Auch im kommunistischen China gerät der Kapitalismus zusehends an seine Grenzen

little shaolinIm typischen Duktus fernöstlicher Metaphorik dargestellt ließe sich auch sagen: Gutes Holz wächst langsam. Ein Baum, der hoch, aber dünn ist, hält dem Sturm nicht stand. Chinas neuer Präsident Xi Jinping, hat daher beschlossen, den Schritt zu wagen vom bisherigen Wachstum hin zu mehr innerer Stabilität. Premierminister Li Kejiang zufolge befinde sich China derzeit „in einer entscheidenden Phase.“ Weiter hieß es: “Ohne strukturelle Reform und ohne grundlegende Transformation wird China nicht imstande sein, sein wirtschaftliches Wachstum zu halten.“

Chinas neues Leben begann mit dem Tod Maos, unter dessen 30 jähriger Führung das Land in den Abgrund getrieben worden war. Alleine in den Jahren von 1958 bis 1969 waren im Reich der Mitte 45 Millionen Menschen verhungert. Nachdem Mao endlich weg war, gelang seinem Nachfolger Deng Xiaoping etwas Revolutionäres. Im Dezember 1978 beim dritten Plenum des 11. Parteitages setzte er Wirtschaftsreformen durch, die bis heute durch anhaltendes Wachstum gekennzeichnet ist. Mit durchschnittlich neun Prozent jährlich war Chinas Wirtschaft in den letzten 34 Jahren gewachsen und mittlerweile hat der Yuan im internationalen Handel bereits den Euro überflügelt und ist dem Dollar dicht auf den Fersen. Dies birgt neben Chancen auch Risiken, denen die chinesische Regierung künftig vermehrt Rechnung tragen will.

Letzten Monat, während des dritten Plenums des 18. Zentralkomitees der KP, wurde der bisherige Kurs der letzten 30 Jahre ersetzt durch eine neue Richtung, angesichts derer sich westliche Kommenatoren verwundert die Augen reiben. Dazu zählen unter anderem mehr Markt und weniger Staatsinterventionen. Das Finanz- und Bankensystems wird reformiert. Der Kampf gegen Korruption wird massiv verstärkt, ebenso wie der Umweltschutz. Die soziale Stabilität Chinas wird zu einem der Hauptziele. Dengs Konzept von maximalem Wachstum an allen Fronten, aus dem sich der wirtschaftliche Aufstieg Chinas speiste, wird ersetzt durch nachhaltiges Wachstum und ausgewogene Entwicklung. Daneben stehen freilich auch eine stärkere Pressezensur als bisher, gepaart mit einer strengeren Überwachung des Internets.

Geändert wurde zudem die Ein- Kind- Familienpolitik. Der Rechtsstaat wurde gestärkt durch die Abschaffung des láodòng jiàoyǎng, einem System von Haftanstalten, die der Umerziehung von systemkritischen Menschen durch Arbeit dienten. Außerdem wurde der Yuan näher an den Markt gebracht und die Zinsen liberalisiert durch die Loan Prime Rate. Bei diesem System wird der Zins nicht länger zentral von einer Notenbank vorgegeben, sondern täglich neu berechnet aus dem gewichteten Durchschnitt der Ausleihsätze der neun führenden Banken Chinas. Ob dies besser funktioniert, wird sich zeigen müssen. Der rigide Wachstumskurs der letzten drei Jahrzehnte hatte zugleich die Kluft zwischen arm und reich vergrößert. Auch dieses Problems wird sich die chinesische Führung künftig verstärkt annehmen.

So sollen die 260 Millionen Wanderarbeiter gemeinsam mit den Bauern in mehreren Schritten den Städtern gleichgestellt und das massive soziale Gefälle im Land verringert werden, was zugleich dem Binnenmarkt zugute käme. Auf Renten- und Krankenkassen kommen weitreichende Reformen zu mit dem Ziel, das soziale Netz insgesamt enger zu knüpfen. Der immer noch horrenden Armut im Land soll künftig verstärkt der Kampf angesagt werden. Die überlebenswichtigen Umweltressourcen werden künftig besseren Schutz erfahren. Vor allem, und das scheint der schwierigste Schritt von allen, werden jene einen Teil ihrer Privilegien einbüßen, die unter dem alten System bisher besser gefahren sind, als die meisten anderen Chinesen. Also jene Provinz- und Lokalfürsten, die ihre Macht der KP verdanken, sowie alte Kader in den volkseigenen Staatsbetrieben.

China hat guten Grund, sich derart zu wappnen, denn es sieht einen drohenden Handelskrieg auf sich zukommen. Die USA, um ihre Weltmachstellung fürchtend, unternehmen alles in ihrer Macht stehende, um Chinas Aufstieg auszubremsen, wenn möglich sogar zu ersticken. So verabschiedete der Kongress Anfang Oktober mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz, welches mit Hilfe der Wechselkurse Strafzölle gegen China ermöglicht. China sieht dies mit Sorge. So ließ das chinesische Außenministerium durch seine Sprecherin Jiang Yu verkünden: „Protektionistische Maßnahmen gegen China auf Grundlage des Wechselkurses werden die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den USA schwer beschädigen und beiden Volkswirtschaften und der Weltwirtschaft Schaden zufügen.“

Stein des Anstoßes ist die niedrig gehaltene chinesische Währung, die China überhaupt erst den Schritt zur Exportnation ermöglicht hat. Über den Wechselkurs wollen die USA nun China dazu zwingen, seine Währung aufzuwerten. Dazu Wen Jiabao, der chinesische Premierminister: „Wenn wir den Yuan entsprechend den Wünschen der amerikanischen Regierung um zwanzig bis vierzig Prozent aufwerten würden, dann wissen wir nicht, wie viele chinesische Firmen bankrott gehen, wie viele Arbeiter entlassen werden und wie viele Wanderarbeiter in ihre Dörfer zurückkehren. Das würde zu großer Unruhe in der chinesischen Gesellschaft führen.“ Die Amerikaner würde dies freuen.

Dass solch ein Schuss sehr leicht nach hinten losgehen kann, beweist die Geschichte. Am 17. Juni 1930 hatten die USA ein Gesetz verabschiedet, mit dem die amerikanischen Zolltarife auf mehr als 20.000 importierte Waren auf Rekordhöhe angehoben wurden. Dieses sogenannte Smoot- Hawley Zolltarif- Gesetz hatte auch in den USA eine Reihe renommierter Gegner. Damals hatten sich mehr als tausend amerikanische Wirtschaftswissenschaftler in einer Petition gegen das Gesetz gewandt. Leider ohne Erfolg. Es kam, was kommen musste. Erbost über diese Dreistigkeit erhöhten nun zahlreiche Länder ihrerseits die Zolltarife auf amerikanische Waren mit dem Ergebnis, dass in den USA Importe wie auch Exporte um mehr als die Hälfte einbrachen, was letztlich als ein wichtiger Baustein zur Weltwirtschaftskrise führte. Dass die USA nun diesen historischen Fehler wiederholen, lässt nur zwei Schlüsse zu. Entweder die USA sind komplett lernresistent, oder aber, sie fürchten sich wirklich vor China.

Quellennachweis und weiterführende Links:

  • infosperber
  • dwn I
  • dwn II
  • wsws
  • investorwissen24
  • wsj


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