Nicht sonderlich früh aber dennoch zeitig verließ ich gegen sieben Uhr mein Hotel. Auch wenn der Start erst für 10 Uhr festgelegt war, hieß es zeitig Richtung Norden aufzubrechen. Am Vortag inspizierte ich bereits die Wechselzone, den Schwimmbereich und die Bedingungen für das Parken sowie die Anfahrt. Parkplätze waren ausreichend vorhanden, aber rund drei Kilometer vom Veranstaltungsgelände entfernt. Dazu kam der Wochenendverkehr. Es gab einiges zu bedenken für diesen ersten Start. Zumal ich ganz sicher bei dieser rasanten Strecke nicht auf eine ausführliche Erwärmung inklusive Einschwimmen verzichten wollte. Überraschend reibungslos verlief die Weg nach Norden. Mit ausreichend Zeitbudget konnte ich mir das Rennen der Kinder und Jugend anschauen! Es tobte das Leben mit riesiger und lauter Party mit Band rund um das Start- und Zielgelände. Der Nachwuchs wurde gefeiert und mit Kommentator auf die Rad- und Laufstrecke geschickt. Die Organisation war dabei schon großartig.
Nach einiger Zeit des Anfeuerns musste ich mir dringend die Schwimmbedingungen anschauen. Gerüchte hatten die Runde gemacht, dass es Probleme mit dem Schwimmen geben würde. Ein genaues Statement gab es knapp zwei Stunden vor dem Rennen aber noch nicht. Die Wellen sahen von oben betrachtet nicht schlimmer aus als die vergangenen Tage. Hier und da gab es Badeverbot. Als ich gemütlich auf der Wiese lag, berichtete mir ein Athlet, dass das Schwimmen der Kids nur aus einem kurzen Reinrennen bestand. Vermutlich würde der Super-Sprint mit einer verkürzten Strecke stattfinden. Draußen war derweil die Rettungswacht zugange und schwankte sich mit dem Schiff langsam vor dem Strand zwischen den durchaus üppigen Wellen ein paar hundert Meter entfernt hin und her.
Verrückt machen war in dem Fall keine Hilfe. Ich würde alles nehmen, was ich kriegen kann!
Ich trug meine Startnummer auf und gab noch eine Runde Sonnencreme aus. Damit war #44 bereit für den Tag!
Wenige Momente später manövrierte ich mich mit rund 1.000 Athleten in die Wechselzone. Ganz vorn am Ausgang befand sich die Divvy Bike Sektion. Dort konnten sich all jene kostenfrei eins der Mieträder nehmen, die kein eigenes Rad besaßen. Tatsächlich fand das immer wieder großen Anklang!
Gleich vorn an hatten wir Triple Challenge Athleten einen großartigen Spot erhalten. Wir konnten uns unseren Platz selbst aussuchen und feierten unsere kleine Gruppe schon ein wenig, bevor es überhaupt losging. Dass wir so verrückt waren, um drei Triathlons an zwei Tagen mitmachen zu wollen, musste gebührend mit herausragender Stimmung unterstützt werden. Ich liebte die Atmosphäre. Es war einfach herrlich!
Kaum, dass alle meine Sachen bereit lagen, nahmen die Gerüchte konkrete Formen an. Es gab die Durchsage, dass das Schwimmen optimal wäre. Gerade mit Hinblick auf die hohe Zahl Erststarter eine mehr als vernünftige Lösung. Jeder, der sich gegen das Schwimmen entschied, wurde aus der Wertung herausgenommen, wenn es um Platzierungen geht. Sicher war das kein Problem für Triathlon Wettkampfneulinge. Für uns Triple Challenger war selbstredend klar, dass wir uns durch diesen beeindruckenden Wellengang manövrieren würden.
Das Ausmaß der Strömung und Wellen wurde uns erst unten am Strand bewusst. Nachdem das Schwimmen freiwillig war, musste uns der Moderator bei bestem Sonnenschein und noch besserer Stimmung mitteilen, dass die Strecke verkürzt wird. Nicht nur zur Sicherheit von uns Athleten, sondern auch für die freiwilligen Rettungsschwimmer. Absolut verständlich.
Spontaner Applaus dafür. Der Applaus sollte uns das gesamte Wochenende begleiten.
Ich entschied mich gegen meinen Neoprenanzug. Die Strecke war viel zu kurz, als dass es sinnvoll gewesen wäre. Das Einschwimmen war bei mir ein wildes Gewühl, das mich an meine Trainings im Atlantik auf den Kanaren erinnerte. Oder vielleicht sogar an die Challenge Fuerteventura vor einigen Jahren. Aber absolut nichts, was ich mir nicht für gerade einmal 350m zugetraut hätte. Von mir aus hätte die Strecke auch länger sein können! Nun war sie noch kürzer.
Wir reihten uns in die Startblöcke und das Scherzen ging weiter. Ich fand es großartig, mit den Triple Challengern zusammen zu sein. Uns gehörte der erste Startblock fällig unabhängig von der erwarteten Leistung, dem Alter oder Geschlecht. Es war ein wenig wie Ferienlager. Zwei Tage in einer Gruppe immer gemeinsam am Start. Wir waren die Gelben. Hast du vielleicht in dem Beitrag zur Startnummernausgabe gelesen. Sofort zu erkennen. Mit dieser Lieblingssommerfarbe war ich auch mehr als zufrieden.
Während der Moderator uns bei Laune hielt, versuchten die Rettungsschwimmer die Bojen draußen zum Halten zu bringen. Die Zeit verflog. Es war ein aussichtsloses Unterfangen, das abgebrochen wurde. Also Anlauf Nummer 3. Entsprechend wurde die Strecke noch einmal so verkürzt, dass die Helfer die Bojen im Wasser festhalten konnten. Also eine Schwimmstrecke zum halb Schwimmen, Springen, Gehen,... aber selbst das reichte nicht! Jeder neue Versuch wurde mit Jubel begleitet. Idee #4 war einen Rettungsturm in den Lake Michigan zu stellen, um den wir herumschwimmen sollten. Das sah wirklich beeindruckend aus. Der Organisator zog alle Register, um und irgendwie in das Wasser zu bekommen. Als nach gefühlt nur zwei Wellen der Turm umstürzte, war eigentlich jedem klar, was passieren würde! Alle Rettungsboote wurden an Land gepfiffen. Wir bekamen die Kinderstrecke. Ungefähr 100m durch das Wasser laufen wurde von einem Athleten damit kommentiert:
Lass uns das ganz einfach wie Mitch Buchanan machen! In Zeitlupe mit propellerartig rotierenden Beinen und herrlich rotierendem Oberkörper förmlich über das Wasser schweben.
Ich habe mich nicht mehr einbekommen vor lachen. Hast du auch dieses Bild vor Augen?
Zwei Rettungsschwimmer gingen mit je einer Boje ins Wasser und die restlichen bildeten eine Art Spalier, durch den wir durchlaufen mussten. Volle Breitseite Wellen sollten uns erwarten!
DIE SCHWIMMSTRECKE DES CHICAGO TRIATHLON SUPER-SPRINTS
Dann ging alles rasend schnell. Letzte Anweisungen. Die Startblöcke rückten auf. Die Nationalhymne wurde gesungen. Tosender Applaus. Countdown. Startschuss! Zunächst wurden alle Athleten mit Beeinträchtigung durch die Wellen begleitet. Anschließend rückten wir von der Triple Challenge nach.
Um nicht von der eigenen Startgruppe überrannt zu werden und weil das Ziel war, ganz vorn bei den Frauen mitzumischen, raste ich mit der Masse mit. Gut 100m durch knietiefes Wasser zu rennen, konnte ja nicht so schwer sein. Nach zehn Metern ging mir der Atem aus. Die Beine waren bis zu den Ohren dick. Jeder Schritt aus dem Wasser über das Wasser eine unglaubliche Anstrengung. Ich weiß, warum ich es sonst eher gemütlich angehen lasse.
Um mich herum brüllten die Athleten, dass wir schneller laufen sollten. Was natürlich nur ein Witz war. Wir lachten vor uns hin. Mühten uns einen ab. Alle versuchten dran zu bleiben. Die Wellen von links und die zerrende Strömung machten es nicht einfacher. Es bestand bei jedem Schritt die Gefahr, weggefegt zu werden. Eigentlich liefen wir die ganze Zeit eher schräg nach links Richtung Wasser als geradeaus. Denn wir wurden immer wieder Richtung Strand gedrängt. Die Helfer hatten alle Hände voll zu tun, uns die Richtung anzuzeigen. Ich torkelte mehrmals vor mich hin.
Wenn du dich fragst, warum wir Badekappen und Schwimmbrillen trugen, ist die Antwort ganz einfach. Ich war nicht die einzige Athletin, die von den Wellen verschluckt wurde. Wir drifteten etwas ab raus ins Wasser. Oder wurden wir gezogen? In jedem Fall gaben meine Beine im Sand nach. Bevor ich mich versah, musste ich noch kurz vor dem Wasserausstieg zwei Schwimmzüge machen. Aber dann! Es ging endlich raus aus dem Lake Michigan. Es hat nicht mehr als eine Minute gedauert. Mein Körper fühlte sich aber an, als hätte er die volle Schwimmdistanz erlebt.
Was bis dahin noch in den laufenden Schwimmbeinen steckte, investierte ich in den Sprint zum Wechselbereich. Der Weg war auch da nicht weit. Dafür aber um so intensiver. Dank Geschwindigkeit und leichtem Anstieg schnaufte ich, als würde ich sonst keinen Sport machen. Wir waren eine Handvoll Athleten, die zu ihren Rädern stürmte. Hoch konzentriert saß trotz des Geschwindigkeits-Stresses jeder Handgriff.
Es war mein erster Super-Sprint!
Den ich entsprechend ernst nahm. Aber dieser Spaß! Ich muss es einfach immer wieder betonen. Die kurze Strecke, die großartigen Athleten, die jubelnden Zuschauer. Es war unfassbar schön. Ich manövrierte dank meines rasanten Gefuchtels an meinem Platz als erste Frau mein Fuji bis zum Ausgang zwischen den mittlerweile mehr und mehr vom Strand eintrudelnden Athleten. Ich trat kurz an und schaltete sofort einen harten Gang ein.
DIE RADSTRECKE DES CHICAGO TRIATHLON SUPER-SPRINTS
Der Asphalt war in Ordnung. Und stelle es dir mal vor. Am Vortag sah ich zig bunt markierte Schlaglöcher, die am Rennmorgen alle zugeschmiert waren. Auch darüber war ich positiv überrascht. Keine Arbeit, die lange hält. Der Wettkampftag war aber zumindest gerettet. Hier und da holperte es. An sich jedoch eine passable Strecke. Ich sah sogar einen Cent mitten auf der Spur. 10km verteilten sich auf drei Runden. Sprich ca. 1,75 km hin. 1,75 zurück. Die Distanz reichte wirklich gerade so, um kräftig anzutreten, in Aero-Position und an seine persönliche k***-Grenze zu gehen, wieder hoch zu kommen, abzubremsen, die Kurven zu nehmen und weiter zu fahren.
Die erste Runde war geradezu einsam. Einige männliche Triple Challenger kamen von hinten. Ich lieferte mir mit einer anderen Athletin ein Kopf an Kopf Rennen. Natürlich galt Windschattenverbot. Ein entsprechendes Hin und Her war es zwischen uns. Während sie die besseren Beine beim Antritt hatte, zog ich an ihr auf den Geraden vorbei. Meine Renneinteilung verflog so schon auf der ersten Runde.
Ich muss zugeben, dass ich mich von dem Wettkampfgeschehen und dem Drum Herum doch etwas mehr habe mitreißen lassen!
Es war die erste Distanz. Ich fühlte mich, als würde mein Laktat Richtung Ohren wandern. Aber lieber auf der Radstrecke etwas mehr Kräfte lassen als beim Laufen. Denn da wusste ich nicht, was meine Waden zu diesem Triathlon Spektakel sagen würden! Deshalb blieb ich einfach an den Führenden dran. Versuchte mich auch auf der immer voller werdenden Strecke nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Zwischendrin nahm ich zwei Mal einen Schluck Wasser. Der Wind hatte es vom Lake Michigan aus ganz schön in sich. Ich fühle mich zwischendrin ziemlich ausgetrocknet.
An dem Wechselbereich tobten die Zuschauer. Dicht an dicht reihten sie sich aneinander. Auf der letzten Runde traf ich in der Kurve am anderen Ende auf den Local Hero. Bonanza Rad, topless, Kniestrümpfe, Board Shorts, praktischer Trinkflaschen-Halter links am Lenker und natürlich die coolste Sonnenbrille unter den Athleten. Hier wusste jemand, was Stil ist und wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Der Jubel gehörte ihm! Er kommentierte meinen Antritt nach der Kurve mit „nice bike" und ich rief lachend zurück „nice socks!".
Es war die letzte lange Gerade. Da gab es fast kein Austrudeln, Lockertreten oder Nachlassen. Bis kurz vor dem Ziel blieb die Kette rechts. Kurz vor der Kurve scherte ich in den linken Abschnitt für die Wechselzone ein, bremste runter und stieg nach 18:58 Minuten und gut 10 Kilometern vom Rad. Ein solider 33er Schnitt. Nicht schlecht für das ständige Kurvenfahren und Antreten.
Der Weg zum Radständer war nun wirklich kurz. Ich ließ alles fallen, was ich nicht mehr brauchte. Schnappte mir all das, was ich beim Laufen brauchen würde. Vor allem die Startnummer, die man nämlich auf der Radstrecke nicht mehr tragen musste!
DIE LAUFSTRECKE DES CHICAGO TRIATHLON SUPER-SPRINTS
Die beiden Athleten um mich herum alberten wieder umher. Ob der Fotograf zu mir gehören würde. Er würde ja nur Frauen fotografieren. Dass die Radstrecke ja fast uns allein gehörte. Diese Frickelei nach dem Radabschnitt sei bei jedem Triathlon wieder eine unglaubliche Herausforderung.
Als würde man das zum ersten Mal machen!
So stellte ich mich auch echt an, als ich auf die Laufstrecke wollte. Alles vorher angeschaut. Große Schilder. Bike In. Bike Out. Run Out. Wer läuft zum Laufen Richtung Bike Out?!? Natürlich. Ich. Auch brüllende Helfer konnten mich davon nicht abhalten. Erst als sich einer vor mich stellte begriff ich. Also 180° Kehrtwende. Endlich war ich nach einer guten Minute Wechselzeit in der Parkanlage am Wasser entlang angekommen.
Mit ordentlich Rückenwind ging es die nicht enden wollenden 1,25km vom Start weg. Ich lief, als ginge es etwas zu sehr um mein Leben. Ich hatte doch noch zwei Wettkämpfe vor mir! Damit war jegliche Strategie den Bach hinab gegangen. Oder besser gesagt: gerannt. Dennoch war ich nicht mit Vollgas unterwegs. Wer weiß. Wer weiß. Die Waden. Ich versuchte, sie nicht herauszufordern und dennoch zu flitzen, was der Rest des Körpers hergab.
Je mehr wir uns vom Wechselgarten entfernten, desto stiller wurde es. Vor mir nur eine Handvoll Männer. Was hinter mir geschah, wollte ich nicht wissen. Bis zur Wende geschah nicht viel um mich herum. Als ich auf dem Rückweg war kam mir die große Masse von Triple Challengern und die schnellen Einzelstarter entgegen. Ich wollte nicht nachlassen, aber der Gegenwind machte es nicht einfacher. Mit jedem Schritt konnte ich den Kommentator und die Musik lauter hören. Zwischen Wiese und Asphalt gesellte sich etwas Schotter. Hier und da staubte es. Mein Mund wurde trockener und trockener. Die Wasserstation unterwegs, die man von rechts und links anlaufen konnte, hatte ich genutzt. Jedoch nur für einen Mini Schluck. Ich wollte es nicht glauben, dass das nur 2,5km waren!
Auf der letzten Geraden sah ich das Ziel und ein Banner. Etwas Gewirr entstand durch meine Überraschung und die Helfer, die das Banner genauso wenig loslassen wollten wie ich. Als wir uns dann darauf geeinigt hatten, dass ich das Banner wieder abgebe und eine Medaille stattdessen bekomme, konnte es weitergehen. Finisher Handtuch, Obst, Sandwich....
Aber. Das konnte nur eins heißen! Es war noch keine Frau im Ziel. Also hatte ich die Athletin von der Radstrecke nicht übersehen. Das hieß für mich, als erste Athletin über die Ziellinie laufen zu können. Leider blieb es nicht bei diesem ersten Platz. Irgendwo weiter hinten im Startblock war die spätere Siegerin unterwegs, die letztlich 11 Sekunden schneller war. Mit meinen 10:51min und dem 4:20er Schnitt blieb ich auf der Laufstrecke deutlich unter dem, was ich laufen wollte. Aber ich schiebe die Schuld einfach auf die Vorsicht und die Waden. Erschöpft war ich mit insgesamt 34:01min über diesen verkürzten Super-Sprint dennoch. Der zweite Gesamtplatz sowohl in der Einzel- als auch Triple Challenge Wertung war ein wunderbarer Auftakt des langen Triathlon Wochenendes, mit dem ich letztlich auch heute noch mehr als zufrieden bin!
Das Ergebnis wurde entsprechend mit ordentlich Eis und vielen weiteren tollen Snacks, die im Zielbereich auf uns warteten gefeiert. Die Band und die Zuschauer haben alles gegeben, um die Stimmung hoch zu halten. Ein herrlicher Tag, der aber noch getoppt werden sollte!