Dresden, Albertinum, 2. Juni 2013
Residentie Orkest (Den Haag), Joana Carneiro (Dir.),
Sarah Fox (Sopran)
Am Ende war es dann wie erwartet doch mehr als wohlwollender Respekt, mit dem das Dresdner Publikum den sympathischen Exzentriker aus New York nach zweieinhalb Stunden aus dem Lichthof des ehrwürdigen Albertinums verabschiedete – Freude, Begeisterung, dem Charme des knapp vierzigjährigen Alleskönners kann sich, das wurde auch hier offenkundig, kaum jemand entziehen. Die alljährlichen Musikfestspiele der Elbestadt hatten sich, diesmal unter dem Motto „Empire“, als Abschluss einen exklusiven Auftritt des weltbekannten Grenzgängers gegönnt und man darf annehmen, dass nicht jedem der Anwesenden die für Wainwrights Arbeit typische und stilbildende Vermischung von U und E, von Pop und Klassik, diese emphatische und theatralische Mixtur aus Operette, Folk, Chanson und schwelgerischem Songwriting geläufig war. Es musste also Überzeugungsarbeit geleistet werden und der Mann wirkte tatsächlich ein wenig nervös.
Rufus Wainwright gilt ja nicht wenigen als einer der spannendsten Komponisten im Popgeschäft, dennoch hat er sich nie nur auf ein Terrain beschränkt, sondern versucht stets alle für ihn lohnens- und liebenswertesten Komponenten verschiedener Genres zu einer Art Super-MashUp zu verknüpfen – was für die Puristen und Traditionalisten wie Frevel klingt, gilt seinen zahlreichen Verehrern als unübertroffenes Markenzeichen. Und so kann es passieren, dass Wainwright ohne jede Scheu Bizet, Ravel, Verdi und die Marseillaise zusammen in einer gewaltigen Poprevue unterbringt – er überrumpelt den Zuhörer mit seiner fast kindlichen Leidenschaft am Experiment. Das Programm präsentierte den Geladenen entsprechend umfassend: Im ersten Teil die Vertonung von fünf Shakespearschen Sonetten, durch Wainwright rezitativ begleitet und gesungen von der fabelhaften Sopranistin Sarah Fox, mit ihr zusammen dann der schwungvoller Wechselgesang „Suzel, Buon Di“ aus Pietro Mascagnis Oper „L’Amico Fritz“. Wie er sich mit seinem eigentümlich nasalen, drängenden Bariton dem klassischen Gesang seiner Partnerin nähert und dieses Zusammenspiel auch beeindruckend funktioniert – der Gedanke an Freddie Mercury und Montserrat Caballe liegt da natürlich nicht fern und verdient nicht weniger Hochachtung.
Doch auch wenn mit dem französisch vorgetragenen Ausschnitt aus dem Liederzyklus „Le Nuit D’Ete“ von Hector Berlioz, einem weiteren, zauberhaften Duett „If I Loved You“ des Amerikaners Richard Rogers aus dessen Musical „Carousel“ und zwei Stücken aus seinem eigenen Operndebüt „Prima Donna“ (wieder Sarah Fox) noch andere großartige Arbeitsproben folgen, bleibt doch unbestritten, dass Wainwrights stärkste Momente die des Songwriters, allein vorm Klavier (und hier mit Orchester) sind. Der Querschnitt seiner bisherigen Soloarbeiten – „Vibrate“, „Dinner At Eight“, „Oh What A World“ (alle „Want One“), „Little Sister“, „This Love Affair“ (beide „Want Two“) und „Millbrook“ (vom selbstbetitelten Debüt) – gelingt makellos und atemberaubend, zum Encore muß ihn das überschwänglich applaudierende Publikum auch nicht lange bitten. Drei Tearjerker folgen: Cohens „Hallelujah“, mithin wohl einer der ergreifendsten Songs überhaupt, Flotows „The Last Rose Of Summer“ als irisches Traditional deutschen Ursprungs (beide erneut von der wunderbaren Sarah Fox begleitet) und am Ende mit „Going To A Town“ sein ganz eigener, bissiger Blick aufs Heimatland – das Auditorium gebannt, der Applaus frenetisch. Sehr viel besser hätte man diesen Abend und diese Festspiele nicht beenden können.
Rufus Wainwright und Sarah Fox, "The Last Rose Of Summer"