Character design for dummies, part 1

Einige von euch haben gefragt, ob wir mal einen Eintrag über Charakterdesign (also die Erfindung eines Charakters von Kopf bis Fuß, innen wie außen) für Manga oder Comics machen könnten. Puuuh! Gar nicht mal so eine leichte Aufgabe... Aber...challenge accepted! ^_^b
Was wir euch hier erzählen werden, ist wohlgemerkt unsere Vorgehensweise und spricht die Dinge an, die uns besonders wichtig beim Charakterdesign sind. Es mag sein, dass der ein oder andere Zeichner/Autor die Sache etwas anders angeht, womöglich andere Prioritäten setzt. Dennoch denken wir, dass wir dem ein oder anderen (vor allem Anfängern) mit unserer Vorgehensweise einen soliden Start ermöglichen.
Da sich das Ganze als recht textintensiv herausgestellt hat, werden wir alles in zwei Teile splitten. Im heutigen Teil gehen wir auf die Grundlagen ein, im zweiten Teil (der, wenn es gut läuft, in den nächsten Tagen folgt) gehen wir ganz speziell auf das Design im Charakterdesign ein. Immerhin betreiben wir hier ja ein Zeichen- und Sketchblog! ^_~ Der liebe Cornelius aus Monster Tutor, an dessen Charaktersheets wir aktuell arbeiten, steht dafür schon in den Startlöchern. 
Die Grundlagen:
Okay, eines vorweg: Man muss mit einem Charakter nicht das Rad komplett neu erfinden! Bestimmte Charakter-Archetypen sind schon seit Jahrtausenden absolute Publikumslieblinge, von der griechischen Tragödie bis zum heutigen Hollywood-Streifen oder eben Manga. Es ist total in Ordnung, ja, sogar recht klug, sich an solchen altbewährten Archetypen zu orientieren.
Archetyp...? Ist das etwa dasselbe wie Stereotyp und Klischee? Nein, ist es nicht! ^_^ Der Grat zwischen beiden ist manchmal aber recht schmal.
Da viele den Unterschied zwischen Archetyp und Stereotyp/Klischee nicht wirklich kennen, versuchen wir ihn mal kurz in unseren eigenen Worten zu erklären.
Stereotyp/Klischee:
Man passt einen Charakter einer  festen Form/Rolle (z.B. der Held, der die Welt rettet) an. Alles wird möglichst simplifiziert dargestellt, eigene Ideen werden möglichst vermieden. Unvorhergesehene Eigenschaften? Gibts nicht!
Character design for dummies, part 1
Beispiel: Der Held (Kunibert) ist ein athletischer und gutaussender, junger Recke, der mutig und reinen Herzens  in den Kampf zieht, selbstverständlich siegt und noch selbstverständlicher die holde Maid abstaubt, die schon immer für ihn bestimmt war...  
So bitte nicht! (Es sei denn, ihr schreibt an einer Parodie.)
Archetyp:
Man hat eine mehr oder weniger grobe Form/Rolle (z.B. der Held, der die Welt rettet) und gestaltet darauf basierend den Charakter nach eigenen Wünschen und Ideen. Man hat keine Angst, die Form auch mal zu sprengen und ganz unerwartete/unkonventionelle Dinge einzubringen.
Character design for dummies, part 1
Beispiel: Der Held (Hugo) ist ein unbeliebter, pickliger 13-Jähriger, der eigentlich vorhatte, auch allen anderen männlichen Erdenbürgern, mittels eines selbstgebräuten Elixiers, eine unschöne Ganzkörper-Akne zu verpassen. Doch dann findet er zum Jubel aller Männer das ultimative Heilmittel gegen erblich bedingten Haarausfall! Seine Pickel wird er nicht los (dafür aber auch nicht sein Haar im Alter! :D)...
So schon viel besser!
Zwei bekannte Beispiele für Charaktere, die auf dem selben Archetyp beruhen, aber dennoch eigenständige, interessante Charaktere darstellen, sind beispielsweise Luke Skywalker (aus Star Wars) und Harry Potter (aus Harry Potter, duh!). Beide verwaist mit einzigartigen Kräften, die unfreiwillig zum Welt- oder Galaxienretter auserkoren werden, von einem weisen Alten ausgebildet werden und schließlich, als der Anführer einer treuen Schar von Mitstreitern, gegen das ultimative Böse antreten. Wisst ihr was? Werfen wir auch noch schnell Frodo Beutlin (Der Herr der Ringe) mit dazu, wo wir schon dabei sind. ^_~
Man siehts schon... So lange man eigene Ideen einzubringen weiß und auch mal vom Altbekannten abweicht, kann man jeden auch noch so abgenutzen Archetyp nochmal komplett neu verpacken und dem unaufmerksamen Leser immer wieder neu verkaufen, harhar! >XD
Kommen wir nun zu 4 wichtigen Punkten, die einem auf dem Weg helfen, einen interessanten, glaubwürdigen Charakter zu erstellen:
1) festgelegte Rolle innerhalb der Geschichte
Welchen Archetyp/welche Rolle übernimmt der Charakter in der Geschichte? (Held, Rivale, Freund, Feind, Loveinterest...?) Wie passt sich der Charakter in das große Ganze der Geschichte ein?
Einen Charakter, der die Geschichte in keiner Weise voranbringt, bereichert oder der sich vielleicht schon eine Rolle mit einem anderen Charakter teilt, kann man sich sparen. Klingt total offensichtlich, dennoch ist es ein typischer Anfängerfehler, sich alle möglichen tollen Charaktere auszudenken, die es am Ende eigentlich gar nicht braucht. Je weniger Charaktere, desto genauer kann auf die tatsächlich wichtigen Charaktere eingegangen werden. ^_^b
2) Hintergrund/Antrieb
Wie jeder Charakter aus Fleisch und Blut, hat auch jeder fiktive Charakter eine Vergangenheit oder Hintergrundgeschichte, die erklärt, warum der Charakter so ist wie er ist und warum er so handelt, wie er handelt.
Auch ganz wichtig: Was treibt den Charakter an, was möchte er in Zukunft erreichen?
Nicht immer wird in Geschichten so genau auf Hintergrund oder Antrieb eingegangen. Vielleicht soll der Charakter dem Leser ein Mysterium bleiben... Wie auch immer, man selbst sollte Hintergrund und Antrieb seines Charakters ganz genau kennen, um ihn jederzeit glaubwürdig agieren zu lassen!
3) interessantes Inneres
Um den gefürchteten Kritikpunkt der "Eindimensionalität" eines Charakters zu umgehen oder sicherzustellen das ein Charakter Charisma besitzt, sollte man folgendes beachten:
- Der Charakter macht während der Geschichte eine innerliche Entwicklung durch. (Vielleicht wird der Charakter vom Freund zum erbitterten Feind, vielleicht mutiert er vom Feigling zum tollkühnen Helden, vielleicht lernt er auch einfach eine bestimmte Lebenslektion...)
-Wiedersprüchliche Charakterzüge, die man auf den ersten Blick nicht angenommen hat.
(Der Bösewicht hat vielleicht ein kleines Geschwisterchen, um das er sich aufopferungsvoll kümmert oder das sanfte, zu allen freundliche Mädchen empfindet nur für ihren Vater unbändigen Hass.)
-Polarisierende Charaktere (man liebt sie oder man hasst sie) sind immer interessant!  Charaktere, für die man allerdings nichts empfindet, sind -genau!- total uninteressant.
Selbstverständlich muss man nicht alle diese Punkte gleichzeitig in einen Charakter einbringen! ^_~
4) interessantes Äußeres
Der Charakter sollte einen einzigartigen Look haben und leicht wiedererkennbar sein (wenn der Charakter nicht gerade absichtlich wie ein unscheinbares Mauerblümchen aussehen soll ^_~).
Das Outfit sollte nicht zu simpel sein, aber auch nicht zu kompliziert. Verzettelt euch nicht mit tausenden Accessoires. Weniger ist hier mehr, viel einprägsamer und kein Horror es in jedem Panel neuzuzeichnen!
Wenn man sich die Helden aus populären Manga/Anime anschaut (Naruto, Dragon Ball, One Piece, Pokémon...), fällt auf, dass ein und dasselbe Outfit oft sogar unverändert über einen längeren Zeitraum getragen wird. Bei Shounen- aber auch Fantasy-Manga ist ein rascher Outfitwechsel eher nebensächlich, bei einer Alltags- oder Shoujogeschichte sollte das Outfit eures Charakters besser schon von Zeit zu Zeit wechseln, weil hier alles realistischer/lebensnaher erscheinen soll und weibliche Zeichner und Leser ganz einfach viel Spaß daran haben. (Weibliche Zeichner und Leser können an dieser Stelle protestieren, wenn dem nicht so ist, haha! XD)
Wichtig: Egal ob ein Charakter ein und dasselbe Outfit behält oder jeder Fashionista Konkurrenz machen könnte, bleibt dem einzigartigen Stil eures Charakters immer treu!
Und mit diesem Ratschlag endet Teil 1 unseres Charakterdesign-Tutorials. Wir sehen uns in Teil 2 wieder, wo wir anhand von Cornelius näher auf das Design eingehen! ^_^/
Sagt uns auch bitte uuunbedingt, ob dieser Beitrag hilfreich für euch war...oder eher nicht, okay?

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