© Concorde / Matthew McConaughey (mitte), Alex Pettyfer (links) und Channing Tatum (rechts) auf Steven Soderberghs “Magic Mike”-Bühne
Manche Filmszenen brennen sich einem ins Gedächtnis ein. Eine während einer Unterhaltung ins Bild ragende Penispumpe samt Inhalt gehört sicherlich dazu. Damit hat Regisseur Steven Soderbergh nicht etwa einen Ausflug in die Pornobranche getätigt, sondern einfach nur einen Blick hinter die Kulissen eines männlichen Stripclubs geworfen, in dem Schauspieler Channing Tatum die Frauenwelt verzücken darf. Es ist lange her, dass dieser sein tänzerisches Talent unter Beweis stellte. Vor sechs Jahren gelang es ihm mit „Step Up“ der Durchbruch (schon bald steht der vierte Teil der Reihe an, die auf Tatum inzwischen allerdings verzichten muss), der es ihm ermöglichte mit Regisseuren wie Michael Mann („Public Enemies“), Lasse Hallström („Das Leuchten der Stille“), Kevin Macdonald („Der Adler der neunten Legion“) oder Steven Soderbergh („Haywire“) zu arbeiten. Für letztgenannten Filmemacher kehrt er nun als „Magic Mike“ auf die Tanzfläche zurück und erweitert sein Repertoire um nackte Tatsachen.
In altbekannter Jedi-Tradition gibt es aber immer einen Meister und einen Schüler. So ist es wenig verwunderlich, dass der 19 Jahre alte Adam (Alex Pettyfer) sich schnell von Mike beeindruckt zeigt, der durch seinen Strip-Job das Leben mit schnellen Autos, einem luxuriösen Apartment und einer Schar von hübschen Frauen genießen kann. Mike nimmt den unerfahrenen Jüngling mit ins „Xquisite“, dem heißesten Club von Tampa, wo er ihn ins kalte Wasser wirft. Aber so schlecht macht sich Adam nicht auf der Tanzbühne, so dass Clubbesitzer Dallas (Matthew McConaughey) ihm gestattet, sein Talent weiter auszubauen. Mike nimmt ihn unter seine Fittiche und lehrt „The Kid“, wie Adam nun auf der Bühne genannt wird, die besten Dancemoves und die Kunst der Verführung.
Alex Pettyfer als Adam
Der Film mag das pubertierende Volk zum Lachen anregen, ist aber von Soderbergh und Tatum, der auch als Produzent des Films auftritt, vollends ernst gemeint. Natürlich erlauben sie sich dennoch Scherze, haben Spaß und verfallen in eine lockere und leichte Stimmung, die sehr zum Wohlwollen des Gesamtergebnisses beiträgt.
Dahinter steckt aber das pure Business, wie durch McConaughey und Tatum deutlich wird. Beide sind weniger Stripper als Geschäftsmänner, die sich durch das verdiente Geld ihre Träume verwirklichen wollen. McConaughey, vor wenigen Jahren noch eher als Nebenrollendarsteller verkannt, klettert inzwischen von Mal zu Mal immer mehr in die höhere Riege der Schauspielkunst und wird zeitweise sogar zum Showstealer. Als Clubbesitzer will er sein Geschäft mit dem männlichen Fleisch nach Miami bringen, wo er auf noch mehr Quadratmetern noch mehr Geld von noch mehr Frauen einnehmen möchte. Bei ihm regiert Geld die Welt, so dass er seinen potentiellen Nachwuchs irgendwann auch lieber vors Börsenfernsehen setzen würde, als ihn in die Schule zu schicken. Auch Tatums Figur wird vom Geld getrieben. Seit sechs Jahren spart Mike nun schon jeden Penny, ist im fünfstelligen Bereich angekommen, bekommt von der Bank aber immer noch kein Darlehen, da er in seinem Job nur Bargeld ausgezahlt bekommt und somit kein geregeltes Einkommen schriftlich vorzuweisen hat. Dabei würde er so gerne seine selbst gebastelten Möbelstücke verkaufen, jedes von ihnen ein Einzelstück. Und auch Alex Pettyfer und die übrige Strippermannschaft erfreuen sich des Geldes, ein Blick Soderberghs auf eine Welt voller Geldgeilheit. Und das obwohl wir hier eigentlich nur gute Menschen präsentiert bekommen. Selbst die Ausnahme, der hauseigene Discjockey, der in seiner Nebentätigkeit Drogen vertickt und schon bald Pettyfers Adam in seine Geschäfte mit hineinzieht, muss zwar irgendwann handgreiflich werden, entschuldigt sich aber in aller Güte, es ginge nur ums Geld.
Ganz heimlich verpasst Soderbergh seinen Strippern auch noch andere Probleme, als nur das liebe Geld, wenn Wrestling-Hüne Kevin Nash Backstage zusammenbricht, weiß der Zuschauer nicht, woran es gelegen haben könnte – man kann es nur vermuten. Andere haben dafür Rückenprobleme, wenn mal eine etwas kräftiger gebaute Dame kopfüber in die Arme genommen wird. Und Tatum möchte irgendwann raus aus dem Geschäft, ist aber wie von einer Droge an seine Tätigkeit gebunden. Vielleicht nimmt er sich deshalb Adams an, weil er bereits früh in ihm die nächste Nummer Eins des Clubs sieht, einen Nachfolger, dem er beruhigt seine privilegierte Stellung bei Dallas übergeben kann um sich zur Ruhe zu setzen.
Alex Pettyfer als Adam mit Mattthew McConaughey als Dallas
Da kommt es laut Drehbuch recht gelegen, dass sich Mike in Adams Schwester Brooke verguckt, die ihn mit der harten Realität konfrontiert, die außerhalb des nächtlichen Stripper-Daseins existiert. Die Besetzung mit Cody Horn entpuppt sich hierbei als Glücksfall, denn sie schafft es sich charmant zu geben, mit gespitzten Lippen dennoch wie eine besorgte Schwester zu wirken, die dem neuen Job ihres Bruders skeptisch gegenüber steht. Für sie wird Mike die Flucht aus einer öden Welt, die Flucht vor einem noch öderen Freund, vielleicht auch die Flucht vor einem öden Job. Es ist schon weitaus aufregender mit einem Stripper anzubandeln, als mit einem Versicherungsangestellten, der von Dingen redet, die selbst für den Zuschauer wie Kauderwelsch klingen.
Steven Soderbergh dirigiert die Kamera in solchen Szenen immer wieder ganz nah an die Personen heran, wodurch Horn, Pettyfer und Tatum zeigen können, dass sie auch mit bloßer Mimik sprechen können. Die Kamera hält auf Brooke wenn sie ihrem langweiligen Freund beim Versicherungsgelaber zuhört, zeigt sie noch näher, wenn sie ihren Bruder bei seiner Stripshow besuchen möchte, dabei aber vor allem Magic Mike beobachtet. Durch die Kameraarbeit, von Soderbergh ebenso selbst durchgeführt wie der Filmschnitt in der Postproduktion, bringt der Regisseur uns ganz nah an die Figuren heran, so dass wir durch ihre Augen in die dahinter liegende Gedankenwelt blicken können ohne dass wir alles durch unnötige Drehbuchzeilen vorgekaut bekommen.
Am Ende dreht sich der Film dann aber doch noch in eine unangenehme Richtung, wird von einer unkonventionellen Stripper-Geschichte zur Hollywood-Lovestory, bei dem der Held all sein Geld verliert, sich aber keine Sorgen zu machen braucht, da er das Mädchen bekommt. Vielleicht hätte „Magic Mike“ hier noch einmal die Penispumpe rausholen sollen, denn so wirkt das Ende doch etwas erschlafft. Darüber hinaus zeigt Soderbergh allerdings wieder beste Unterhaltung und eine Männertruppe ebenso unterhaltsam wie die „Ocean’s Eleven“.
Denis Sasse
“Magic Mike“