Da liegen sie dann aufgereiht, die Schwimmbeutel
Welch ein Tag! Eine Langdistanz ist eben immer wieder eine Langdistanz – schwer berechenbar!
Der Tag begann wie immer recht früh – in meinem Fall um 03.30 Uhr, die üblichen drei Stunden vor Rennstart. Nach dem üblichen Pre-race-Frühstück (2 weiße Semmeln + 2 Tassen Kaffee), nochmal duschen, anziehen, die paar Rennsachen (roter Bike- und grüner After-Race-Beutel) gepackt und mit dem local hero Michi Hofmann die paar Meter runter zum Startgelände am Kanal gegangen. Unten wartet schon das berühmt-berüchtigte Roth-Feeling…Gänsehaut und erste Tränen des Tages.
Dann das Rad herrichten: Flaschen befüllen, Ergomo dran, Radschuhe und -helm platziert. Den (in meinem Falle leeren) roten Bike-Beutel platziert, in den nachher nur der Neo, Badekappe und Schwimmbrille kommen). Ein bißchen warmmachen und dann Neo anziehen, ein letztes Gel einwerfen und dann in die Box einchecken. Auf dem Weg treffe ich noch Carola und wünsche ihr alles gute und dann Fabi und Julia Wagner. Dann ab in den Kanal zum Warmschwimmen. Ich bin froh, in der ersten Startruppe starten zu dürfen, hätte jetzt keine Lust, noch länger warten zu müssen.
Und dann um 06:30 Uhr geht’s pünktlich los. Zu Beginn ist’s ein ziemliches Gekäule und Gedränge in meinem Fall, aber so nach 400 bis 500 Meter legt sich das, ich finde abwechselnd mehr oder weniger gute Füße und zockel so dahin. Nach den für mich schon üblichen 54 Minuten entsteige ich dem Main-Donau-Kanal und nach weiteren 01:43 rolle ich auf dem Rad aus der Wechselzone. Wie üblich brauche ich ein paar Kilometer, um meinen Rhythmus zu finden. Nach Eckermühlen, als ich gerade Fabian Sauter überholt habe, gelingt mir das aber zusehends. Schon jetzt eine tolle Stimmung (die Bundeswehr-Verpflegungsstelle gefällt mir besonders). Kurz nach Heideck überhole ich den mal wieder besonders stylischen Dirk Aschmoneit, der extra aus San Diego angereist kam. Ansonsten verläuft der Radteil weitestgehend unspektakulär, außer, dass es gleich an der Schleuse Heimpfarrich den „Deckel“ meiner Aero-Bottle wegfegt und ich dann immer wieder mit lecker klebrigem Iso-Drink überspritzt werde. Irgendwann sind meine Beine so klebrig, dass ich gefühlte fünf Extra-Watt aufwenden muss und mit klarem Wasser abspüle. Eklig. Die Profile Design-Lösung ist hiermit für mich gestorben. Ich werde in Zukunft wie von Marco empfohlen und vom Champion Andi Raelert präferiert, eine normale Radflsche horizontal ausprobieren. Auf der zweiten Runde wird es verflucht eng auf der Strecke, v.a. mit den vielen Staffelfahrern, die seltsamerweise noch nie etwas vom Rechtsfahrgebot gehört haben. Das Ergomo ist durch das Rumgespritze relativ schnell nass und schaltet sich aus. So habe ich mal wieder keine Ahnung, was ich so treibe und verlasse mich einmal mehr rein auf mein Gefühl. Das passt wohl ganz gut so, denn kurz vor der Wechselzone hole ich noch Julia Wagner und die Neuseeländerin Belinda Harper ein und gehe kurz nach Ersterer auf die Laufstrecke. Und der Radsplit von 4:51 h ist ja auch völlig in Ordnung für mich.
Der Wechsel klappt auch ganz gut mit super Unterstützung der netten Wechseldamen (1:26). Nach km 1 überhole ich Julia. Dann macht es Ritsch-Ratsch und meine linke Wade reisst wieder ein. Sch… denke ich. Noch 40 Kilometer. Julia geht an mir vorbei. Ich überlege kurz, ob ich das bringe, jetzt weiter zu laufen. Aber schließlich ist das eine Triathlon-Langdistanz und so einfach gibt man nicht auf. Andere haben auch Schmerzen und quälen sich damit viel länger rum. Also weiter. Irgendwie geht’s dann auch wieder und ich finde ab der Lände meinen Rhythmus. zwischen Lände und Schwanstetten laufe ich wieder auf Julia auf und wir tauschen ein paar Worte aus. Bei mir fühlt sich wieder alles ganz ordentlich an und ich laufe davon. Bis km 15, wo es ein zweites Mal deutlich hörbar Ritsch-Ratsch macht und ich von da ab total rausnehmen muss (schöngeredet für schnelles Wandern). Jedenfalls ist es von da ab ins Ziel nur noch ein einziges Leiden und es fühlt sich viel mehr nach einem 4:17-Marathon an, als nach den 3:17 h, die es dann letztlich doch noch werden. Auf der Auswertung sieht man ja auch, wie ich bis km 12,5 (Matte in Schwanstetten) noch 14,82 bzw. 14,06 km/h laufe, danach aber nur noch für mich lausige 11,06 bis 12,75 km/h. Tja, da ging es dahin, mein Sub-9-Finish. Selbst eine für mich normal gut machbare 3:10 h für den Marathon hätte gereicht…
Aber das ist eine Triathlon-Langdistanz und wenn’s leicht wär’, könn’s ja jeder…
Ergo war’s alles in allem ein richtig harter Tag für mich. Kein Vergelich zu Frankfurt, wo ich gefühlt sehr entspannt meinen 3:10-Marathon und eine 9:09 h-Endzeit realisieren konnte. Aber ich war sicher auch deutlich schlechter vorbereitet und muss v.a. meine Zipperlein in den Griff bekommen. Blöd nur, dass ich bis kurz vor dem Rennen seit Ende Februar schmerzfrei trainieren konnte und keinerlei Anzeichen für Wadenprobleme sichtbar wurden.
Fazit:
Ein toller und wirklich unvergesslicher Tag bei der Challenge Roth 2011. Hart, aber fair (dass es sehr schwül-warm hintenraus war und ich mehr mit runterkühlen, als mit laufen beschäftigt war, half auch nciht wirklich). Ein Tag der Rekorde, denn sowohl Chrissie Wellington, als auch Andreas Raelert unterboten die aktuellen Bestmarken über die Langdistanz. Leider wurde das Rennen auch vom Tod eines Staffelschwimmers überschattet, dem trotz professionellster Versorgung das Leben nicht zu retten war. Das erste Mal im Leben der Solarer Berg hochzufahren ist besser als Sex (okay, kommt auf die Qualität von Letzterem an). Gänsehaut und Tränen, die Zweite. Gaanz großes Kino. Aber was mich am meisten faszinierte war, wie dieses nette, zierliche Mädchen „von nebenan“, Julia Wagner, in ihrem Langdistanz-Debüt die gesamte versammelte Weltelite (okay, außer Chrissie natürlich) düpiert und sensationelle Zweiter wird. Und das auch noch sub-9! Reschpeckt! Und sie machte das in einer Manier, die wie bei Chrissie richtig leicht aussieht. Wann immer wir uns auf der Laufstrecke überholten (ich zwei Mal – sie zwei Mal) war sie völlig klar im Kopf und machte einen super entspannten Eindruck. Ein gutes Zeichen für mehr von ihr in der Zukunft! Von Julia werden wir noch einiges Tolles sehen können – da bin ich mir ganz sicher! Und an alle potenziellen Sponsoren: Sichert Euch das Mädel, solange sie noch zu haben ist (Erdinger hat das ja schon mal wieder schnell kapiert – ich hoffe, sie speisen sie nicht mit Almosen ab).
Hinterher (jetzt aktuell, wo ich diese Zeilen schreibe) geht’s mir und den Beinen geradezu erstaunlich gut. Die sanfte Massage von unserer Neuffener Tria-Kollegin (habe leider Deinen Namen vergessen) tat gut. Und natürlich vielen herzlichen Dank an alle, die mitgefiebert haben – entweder zuhause am Rechner oder hier vor Ort. Danke für die vielen Mails, SMS und Facebook-Kommentare.
Race Stats:
- Wetter: erst windstill und ca. 20°C (ideal) bis später leichter Wind und schwül-warme 26°C
- Strecken: Angeblich (verlässliche Quelle) ziemlich genaue 3,8 km Schwimmen, eine um 1,5 km verlängerte (da Baustelle) Radstrecke von 178,8 km und einen nur leicht zu kurzen Marathon von 41,6 km.
- Zeiten: Swim in 54:37 – T1 in 1:43 – Bike in 4:51:15 – T2 in 1:26 – Run in 3:17:35
- Platzierung: 64. overall (9. M40), Deutsche Challenge-Meisterschaft 3. Platz
- Material: Blueseventy Helix, Planet X mit Planet X 50 Vorderrad und von Rolf Schwarz ausgeliehener Pro-Scheibe hinten, Alpina Calima-Helm, Alpina Airframe One Brille, Pearl Izumi Tri Fly Carbon II Radschuhe, Pearl Izumi IsoTransition Laufschuhe, Pearl Izumi Triathlon-Zweiteler
- Ergebnisse gibt’s hier!