Challenge Paguera – der Rennbericht

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Wie so viele andere Mitteleuropäer, machte ich mir irgendwann im Winter und Frühjahr Gedanken über die kommende Triathlon-Saison. Irgendwann verkündete die ITU, dass die offizielle Europameisterschaft über die Mitteldistanz spät im Herbst auf der sonnigen Baleareninsel Mallorca stattfinden sollte. Und wahrscheinlich gingen mir ähnliche Gedanken wie den meisten Kollegen durch den Kopf wie “Hmmm, Oktober, potenziell kalt und nass zuhause im schon dunkler werdenden Deutschland – Sonne und Wärme, Strand, schwimmen im warmen Meer, etc.” durch den Kopf. Und da ich mich dafür entschieden habe, niemanden nach Erlaubnis oder Budget fragen zu müssen, waren die Häkchen an den richtigen Stellen und die Eingabe der Kreditkartennummer eine Sache von wenigen Sekunden…

Und selbstverständlich nutzte ich auch meine Freiheit, um eine Woche Urlaub “um das Rennen zu packen”. Wie in Malle üblich, waren eine super-günstige Kombination aus Flug und Hotel schnell gefunden und gebucht. Und so flog ich am Montagabend nach Palma und bezog mein Zimmer in einem kleinen Hotel unweit des Playa Thorá, an dem auch der Start erfolgte.

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Am Dienstag ging’s dann zuerst einmal auf die Strecken-Recon mit Sandrine, der süßen Schweizerin, die ich in St. Moritz während der Brett Sutton-Woche kennen gelernt hatte. Es war noch etwas wild: Sehr windig und ein extrem aufgewühltes Meer. Die Strecke hatte es – erwartungsgemäß – in sich. Auf der einen Seite war sie alles andere als flach (wer hätte das gedacht in Paguera?!), auf der anderen Seite doch ausgesprochen hakelig und technisch nicht einfach. Dazu kamen gefühlte 280 Kreisverkehre, die ständige Aufmerksamkeit erforderten. Zurück aus Calviá am Meer in Palmanova mussten wir einen technischen Halt einlegen wegen akuter Unterzuckerung. Das gute, alte Snickers half zuverlässig und schnell. Auf dem Rückweg über Magalluf und Santa Ponca fing es dann leider zu regnen an – das sollte aber auch der einzige Regen bleiben in dieser Woche. Am Nachmittag nutzten wir das schicke, neue Hallenbad für eine letzte ernsthafte Schwimmeinheit (soweit das meine Rippenprellung zuließ).

Mittwoch war der Tag für ein letztes, kurzes Koppeltraining (ein/aus + 3x 10′ Race Pace mit 10′ flottem Lauf und Auslaufen). Nachmittags Schwimmtraining im Meer mit Fokus auf der Überwindung des Brandungsgürtels. Es war schon deutlich ruhiger geworden, hatte aber immer noch eine recht ordentliche Brandung. Im Verlauf sollte es allerdings immer ruhiger werden und am Renntag war es absolut windstill und das Meer wie eine Badewanne (popo-glatt bei 25°C).

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Donnerstag dann der traditionelle “total rest day”. Das Wetter war ein Traum – angenheme Temperaturen, eine leichte Meeresbrise, Sonne satt. An Nachmittag gab es auch schon die Wettkampf-Unterlagen. Ansonsten war chillen angesagt. Ein bißchen baden im warmen Meer (das selbst für mallorquinische Bedingungen ausgesprochen warm für Mitte Oktober war – im Grunde war es schöner und wärmer als zeitgleich auf Hawaii).

Spannend ist es sowieso immer, wie viele Athleten vor dem Rennen in voller “Wettkampf-Verkleidung” und “Kriegsbemalung durch die Straßen der Stadt wandeln. Immer wieder nett; insbesondere, wenn es sich um mittelalte englische Damen handelt, die in ihrem GBR-Nationaltrikot die Straßen unsicher machen. Gar nicht erst erwähnen muss ich, dass die gesamte Rennwoche hunderte Zeitfahr-Boliden durch die Gegend sausen auf denen Lycra-bewährte Athleten mit Aerohelmen sitzen. Interessanterweise änderte sich das ausgerechnet am Freitag beim Einchecken, nachdem klar war, wie heiß es werden würde am Renntag. Plötzlich waren die Aerotüten wieder weggepackt und die meisten Sportler besannen sich auf die besser belüfteten Exemplare.

Schön anzusehen war die Stadt. Die Organisatoren machten ganze Arbeit und es war im gesamten Kreis unübersehbar, dass hier demnächst ein Triathlon von gigantischen Ausmaßen stattfinden würde. Sogar mein Freund Andy – der zufällig mit der aktuellen Freundin auf der Insel weilte – sah die Fahnen und Schilder und checkte gleich mal per Email, ob “zufällig” Onkel Jörgi in town wäre. Danke an dieser Stelle für einige der Rennfotos, Andy!

Am Freitag dann die übliche Wettkampf-Besprechung. Die Entscheidung, in die englische statt der deutschen Besprechung zu gehen, war eine Fehlentscheidung. Aber wer konnte ahnen, dass allein die Engländer mit einem Mammut-Aufgebot von 230 Athleten anrücken würden? Triathlon scheint im Vereinigten Königreich mittlerweile einer der populärsten Randsportarten zu sein – die Brownlees und Olympia haben Spuren hinterlassen. Am Abend checkten wir dann die Räder und Wechselbeutel ein und dann hieß es mit freudiger Vorstart-Stimmung: Noch einmal schlafen!

Unglücklicherweise und zum Unverständnis von ca. 98% aller Athleten, mit denen ich sprach, hatten die verrückten Spanier den Start in die volle Mittagshitze um 12:00 Uhr gelegt. Als wenn der Rennkurs nicht schon hart genug war, mussten sie die Aufgabe unbedingt noch durch Temperaturen von 31°C und Windstille verschlimmern. Die weißhäutigen Engländer konnten einem echt leid tun. Den meisten Profis machte das naturgegeben nicht so viel aus, da sie sich eh’ die meisten Zeit in warmen Gefilden herumtreiben, aber die Age Grouper stöhnten dann doch auf.

Anyway. Dadurch gestaltete dich der Morgen des Renntages extrem entspannt. Ausschlafen. In Ruhe eher etwas spät frühstücken, Trinkflasche ans Rad und alles nochmal checken. Einer der Vorteile von Schlauchreifen ist der höhere Maximaldruck, der mich extrem entspannt sein lässt im Vergleich zu vielen anderen Athleten. Auch wenn das Bike den halben Tag in der prallen Sonne steht, platzt da in der Regel kein Reifen (mir jedenfalls noch nie passiert). Andere waren jedenfalls in Panik-Modus am flicken…

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Auf dem Weg zum Playa Thorá treffe ich noch auf ein paar bekannte Gersichter der Region. Gunter Stecher, Karle Fischer und Andreas Datzer (jeweils mit Anhang). Lockeres Schwätzchen hier und da und dann müssen wir auch schon zum Einschwimmen, das leider mal wieder nur bis 11:40 Uhr möglich ist. Noch zwei Gels reingedrückt, gut getrunken und schon ist der Elite-Start um Punkt 12:00 dran. Dann geht alles ratz-fatz und um 12:15 sind die alten Herren ab Vierzig dran. Das Schwimmen ist ein Traum: Glasklares, warmes, türkisfarbenes Wasser, Fische und eine endlos scheinende Gerade hinaus bis zur ersten Wendeboje – das fühlt sich alles fast wie in Kona an. Allerdings genieße ich die Schönheit der Schwimmstrecke dann doch etwas zu sehr, was aber sicher auch mit meiner immer noch schmerzenden Rippenprellung und der daraus resultierenden wenigen Trainingskilometern zu tun hat. Raus aus dem Wasser geht es gleich mal eine lange Rampe hoch Richtung Wechselzone. Diese selbst ist weitere 300 m lang. Mein Rad steht zurfällig ganz hinten am Ausgang bei den Profis. Dann die Radschuhe schließen auf dem Weg in die Stadt. Beide 45km-Radrunden führen mitten durch den Ort über den gepfalsterten, holprigen “Bulevard”. Scharfe Rechtskurve und schon geht es bergan über die Schnellstraße hinweg auf eine meiner Lieblingsstrecken hinauf nach Capdella und dann mit wilden Schlenkern grob über Calviá hinunter nach Palmanova und über Magalluf, Son Ferrer, Santa Ponca zurück. Zuerst läuft alles gut und ich überhole massenhaft die Athleten aus den zuvor gestarteten Startgruppen. Oben angekommen in Capdella gleich ein Mega-Missgeschick: Ich verliere an einer Speedbump meine Trinkflasche mit den Gels (und damit mit meiner gesamten Energieverpflegung). Dumm. So bin ich von hier an angewiesen auf die Streckenverpflegung. Zumindest eine neue Flasche Wasser erwische ich pro VS. Zwei mal reicht es mir überdies für eine Flasche Iso und ein Mal erwische ich ein zusätzliches Gel. Nicht schlecht, aber eben nicht ausreichend. Lernpunkt für die Zukunft: In so einem Fall lieber ein paar Sekunden verschenken und verlangsamt mit dem Fokus auf Energieversorgung an die freundlichen Helfer heranfahren! Das Loch spüre ich insbesondere auf der zweiten Radrunde mittendrin. Kaum habe ich das Gel intus, geht es auch schon gleich wieder körperlich bergauf.

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Dann der Wechsel zum Laufen. Gottseidank habe ich im Laufbeutel zwei weitere Gels verstaut. Und jetzt gibt es ja glücklicherweise auch Cola an den Verpflegungsstellen. Schon auf dem Rad freute ich mich über den offenen Radhelm und tauschte gern eine bessere Aerodynamik gegen optimale Kühlung und v.a. die Möglichkeit, direkt Wasser über den Kopf laufen zu lassen. Jetzt halfen Schwämme und “bottled water” – die kleinen Fläschchen waren gut gekühlt und konnten ein paar hundert Meter mitgenommen werden. Die Kombination aus der Hitze und er suboptimalen Energieversorgung ließ bei mir langsam aber sicher die Lichter ausgehen. Ich konnte einfach keinen Druck mehr machen und dümpelte mehr schlecht als recht über die extrem bergige und hakelige Laufstrecke. Aber offenbar taten sich alle anderen auch schwer, denn die Einzigen, die mich überholten waren Profis, die schon eine Runde weiter waren. Toll war natürlich die Atmosphäre in Paguera – der Ort ist fest in der Hand deutscher Touristen und entsprechend vehement wurde ich angefeuert. Selbst Menschen, die sicher mit Sport im Allgemeinen und Triathlon im Speziellen nichts zu tun haben, konnten SCHNEIDER gefolgt von GER einordnen und schrien irgendwas von “Schland” bis “Schneider”, von “weiter so” bis “Streng Dich an”! Als hätte ich nicht schon genug der Qual, meldete sich in der zweiten Runde auch noch meine Achillessehne. Na toll! Erfreulicherweise ließen die Schmerzen aber nach einer knappen Runde nach und ich konnte mich wenigstens ansatzweise laufend fortbewegen. Irgendwann war es dann aber auch geschafft.

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Im Ziel musste ich mich erstmal hinsetzen und für 20 Minuten runterkühlen und trinken. Dann ging’s mir langsam wieder besser. Während ich da so saß und langsam wieder geradeaus gucken konnte, steht plötzlich Steffen Justus vor mir und wir unterhalten uns lange. Ein ausgesprochen netter Kerl, total natürlich und wie so oft bei den richtig guten Jungs, völlig ohne Star-Allüren. Nach und nach kommen auch andere bekannte Gesichter dazu. Sandrine schafft es sogar mal wieder auf’s Podium mit einem 2. Platz – Gratulation! Nach gemütlichem Abhängen im “Athletes Garden” (schön im Schatten der Kiefern), Essen und Trinken, sowie einer Massage, gehen wir direkt in die T2 um die Bikes auszuchecken. Zurück ins Hotel, Duschen, Abendessen. Dann die 100m hinunter zur Plaza Thorá zur Siegerehrung.

Dort war neben der eigentlichen Siegerehrung das Highlight, dass ich mich zu meiner Überraschung lange mit der moralischen Siegerin Helle Frederiksen aus Dänemark unterhalten kann. Sie wurde leider von der österreichischen (Ex-)Doperin Lisa Hütthaler noch kurz vor dem Ziel abgefangen und machte keinen Hehl aus ihrem Missmut. Eine nicht nur ausgesprochen starke Athletin, sondern auch ein bildhübsches, natürliches Mädel und so was von nett – man könnte grad ins Schwärmen kommen.

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Tags darauf hatte ich gottlob noch den gesamten Sonntag zum Chillen eingeplant, bevor es am Montagmorgen zurück in die Heimat ging. Nach gemütlichem Ausschlafen und Frühstücken hieß das: Eine Runde über Andratx nach Sant Elm, dort eine ruhige Mittagspause im ruhigsten Dorf Mallorcas, bevor es über Port d’Andratx und Camp de Mar zurück ging. Dann ein wenig Lesen und Baden am Strand. In der Strandbar bei Café con Leche lerne ich ein nettes rheinländisches Pärchen kennen (klar, dass es kein schwäbisches Pärchen sein konnte!), die in Santa Ponca eine Wohnung haben. Ein sehr langes, interessantes Gespräch, das mich sehr inspirierte. Langsam neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen und ich musste zurück zum Hotel, Sachen packen, Abendessen und ein letztes Mal einschlafen mit dem leisen Hintergrundgeräusch endlos plappernder deutscher Touristen in der Kneipe gegenüber (plus natürlich stetiger Fußball-Liveübertragung – eh klar!).

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Fazit: Eine wieder einmal sensationelle Woche auf meiner Lieblingsinsel. Es ist der Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass es jetzt aktuell 8°C draußen hat und stockdunkel ist, während in nur 1:20h Flug schönstes Sommerwetter vom Feinsten herrscht, alles grün ist, das Meer klar und warm. Ein super organisiertes Rennen mit nur kleinen Schwächen. Sehr viele ausgesprochen nette Menschen kennen gelernt und wunderbare Gespräche geführt. Extrem entspannend das Ganze trotz Wettkampf. Das Rennen selbst hat mir meine Grenzen aufgezeigt. Und ich glaube, das war auch gut so. Für einen 4. Platz bei einer EM muss man sich wahrlich nicht schämen. Aber wer die Zeiten genau analysiert, weiß, dass da unter normalen Umständen locker ein 2. Platz drin war und der vierte Platz eher schmeichelhaft. Aber ich bin eben auch keine Maschine und die Saison hat nun hintenraus seinen Tribut gefordert.

Race Stats:

  • Wetter: Sonnig, windstill bei 31°C – Wasser 25°C
  • Strecken: 1,9k Swim – 90k Bike (1040Hm) – 21,1k Run (280Hm)
  • Zeiten: 31:34 (Swim, 12.) – 3:20 (T1) – 2:36:13 (Bike, 7.) – 3:10 (T2) – 1:39:16 (Run, 3.) = 4:53:33 (4.)
  • Platzierung: 67. Platz overall (4. M45)
  • Euqipment: DTU-Triathlon-Einteiler, Planet X Stealth Pro Zeitfahrrad mit Planet X Race Wheels, Casco Ares Helm, Alpina Airframe One Brille, Asics DS Racer Laufschuhe
  • Ergebnislisten (Challenge) gibt’s hier!
  • Ergebnislisten (ITU) gibt’s hier!

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