Challenge Kaiserwinkl-Walchsee – Meine härteste Mitteldistanz Teil II

Von Eiswuerfelimschuh @eiswuerfelimsch
Mit dem Sprung auf mein Fuji begann der größte Spaß der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee. Die Radstrecke ist landschaftlich traumhaft - selbst im Regen. Der Unterhaltungswert mit sich gegenseitig motivierenden Athleten war bei diesem außergewöhnlichen Wettkampf wirklich hoch. Es war sehr herausfordernd bei Dauerregen und durchweg kühlen Temperaturen durchzuhalten, aber trieb gleichzeitig an, trotz Vorsicht zügig über die verkürzte Distanz zu kommen.

Ich war Minuten vor dem Start der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee kurz vor dem Aufgeben. Nachdem ich es aber wirklich über die Startlinie geschafft hatte, es mit dieser Challenge probierte und tatsächlich für gut befand, konnte es direkt weiter gehen.

Verrückt, verrückt, verrückt!

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Der Anfang des Tages war die größte Herausforderung. Denn für mich gibt es bei solch einem Wetter wirklich absolut keinen Grund zu trainieren. Ich bin nicht für solche Bedingungen gemacht und sehe auch keine Bewandtnis vor die Tür zu gehen, wenn ich es nicht muss. Schließlich kann ich es mir jeder Zeit auf meiner Rolle mit meinem Fuji zusammen gemütlich machen. Ein Wettkampf ist da schon etwas anderes. Plötzlich lernt man von einer Sekunde zur anderen, aus was für ein Holz man geschnitzt ist. Meins war tatsächlich recht robust. Außerdem - was blieb letztlich?! Vermutlich jeder hätte es mir verziehen, wenn ich nicht teilgenommen hätte. Außer ich mir selbst nicht!

Als der Startschuss für die Profis für die Challenge Kaiserwinkl-Walchsee gefallen war, schluckte ich plötzlich alle Zweifel samt Tränen, die in der Warteschleife hingen, runter. Dann ging alles ganz schnell. Ich wurde mit dem Schwung der Altersklassen-Athleten förmlich ins Wasser hinein gezogen. Ab da ging es nur noch vorwärts. Vorwärts mit den Gedanken, der Motivation, der Lust,... Auch wenn jeder Wechsel ein Wechselbad der Gefühle war. Eigentlich sagte mein Körper, dass er nicht mehr könne, was mein Kopf nicht einsehen wollte. Jetzt hatte ich schon nicht geheult und mich zusammengerissen. Also konnte ich auch weitermachen. Es wäre ohne die Helfer aber nicht möglich gewesen! Denn allein anziehen, hätte ich mich gar nicht können oder erst nach einer noch längeren Aufwärmphase. Was schließlich noch fehlte, war etwas Wärme. In dem miefigen Wechselzelt kam tatsächlich so etwas auf. Feuchte Wärme, was bei diesem Wetter nicht wirklich gewinnbringend war. Das merkte ich schon, als ich fluchtartig das Zelt verließ. Ziemlich gut angezogen versuchte ich im Laufschritt nur noch meine Handschuhe an zu bekommen. Was war ich froh, dass ich die auch noch mit hatte. Bewundernd schaute ich all jenen hinterher, die so tapfer waren, nur im Tri Suit zu starten oder einfach eine leichte Weste überzogen. Mich hätte es so sicher binnen Sekunden vom Rad geweht! So war ich froh um jede einzelne Schicht, auch wenn sie schnell durchfeuchtet war.

DIE 70 KILOMETER DER CHALLENGE KAISERWINKL-WALCHSEE

Ich manövrierte mit meinem Fuji einfach nur die Gerade von meinem Platz hinaus bis auf die Straße und stieg locker auf. Nach der Wechselzeit gab es nun wirklich keinen Grund zur Eile. Die Strecke musste aufgrund der widrigen Bedingungen vom Veranstalter gekürzt werden. Damit blieben uns 20 km und eine gefährliche Serpentinenabfahrt erspart. Dennoch sollten die verbleibenden 70 km Herausforderung genug sein.

Die Stunde, in der das Rad draußen stand reichte aus, damit es komplett nass war. Offensichtlich. Denn so wie das auch immer mal wieder geschüttet hatte... Kaum, dass ich auf dem Sattel saß, machte ich es mir auf dem Aerolenker gemütlich. Dass es aber so e-ke-lig werden musste! Die Pads des Lenkers waren eisig und durchsifft. Meine Unterarme waren etwas erschrocken. Unfassbar. Ich staune immer noch, wie man ohne Jacke mit nackten Armen auf so etwas liegen konnte.

Direkt am Beginn der Radstrecke hatten einige mit Radproblemen zu kämpfen. Ein Athlet fummelte an seiner Kette. Ein anderer musste einen Schlauch wechseln. Wie immer bei Regen schickte Stoßgebete gen Himmel, dass mein Fuji nicht schlapp machte. Reifenpannen sind ja nicht gerade unwahrscheinlich bei feuchten Bedingungen. Noch mehr Sorgen machte ich mir aber über meine Schaltung. Letztlich hielt aber so wie ich alles durch.

Ich versuchte die Gerade Richtung Kössen bis zum ersten Abzweig hinauf nach Niederbichl locker und warm zu werden. Gleichzeitig aber auch ein Gefühl für mein Fuji, die Bremswege und die Straßenbedingungen zu bekommen. Ich hatte Walchsee nicht einmal verlassen, da waren meine kleinen Neoprenhäubchen für die Schuhe komplett durchtränkt. Das Wasser lief in die Schuhe. Die Strümpfe begannen zu schmatzen. Meine Familie sagte noch am Morgen zu mir, dass wir ja meine Stiefelchen hätten mitnehmen können, wenn wir das nur gewusst hatten. Ich erwiderte, dass wir ja nicht gleich übertreiben müssten, denn so schlimm würde es schon nicht kommen. Aber doch. So schlimm war es tatsächlich! Ich hätte bei maximal 9° Tagestemperatur, Dauerregen und Wind vor allem bei den Abfahrten, Stiefel gebrauchen können. Noch vor der 5 Kilometermarke und dem Abzweig waren meine Füße kalt und ich tropfnass. Wann immer ich dran dachte und Gelegenheit dazu hatte, versuchte ich die Zehen zu bewegen. Gleiches galt für meine Hände, die ich zum Glück immer wieder in der Aeroposition über dem Lenker zusammen nehmen konnte. Offensichtlich waren auch die Handschuhe zu dünn.

Wie machen das nur die anderen?!

Ich will mit solch einem Wetter eigentlich nichts zu tun haben! Deshalb war ich froh, als uns die Challenge Kaiserwinkl-Walchsee Strecke durch ein idyllisches Örtchen bergauf führte. Zum Glück hatte ich an den Tagen zuvor, als es noch brütend heiß war, die Landschaft so traumhaft schön sehen können, wie sie sich am Wettkampftag einfach nicht zeigen wollte. In Erinnerung an diese Radausfahrten rund um den Walchsee und Kössen konnte ich unterwegs etwas schwelgen. In der Ferne sah man anfangs keinen einzigen Berg des Kaisergebirges. Alles blieb mit dichten Wolken verhangen. Die saftig grünen Wiesen zwischendrin munterten das Auge auf. So wie die Koppeln, die oft mit breiten Holzzäunen abgetrennt waren.

Es war wunderbar hier und da mal aus dem Sattel zu kommen und die Muskeln tatsächlich arbeiten zu spüren. Die waren anfangs etwas lustlos und ließen sich im weiteren Verlauf des Rennens nicht sonderlich motivieren mehr zu geben. Wann immer es bergauf ging, wurde mir etwas angenehmer. Das rächte sich dann mit jeder noch so kleinen Abfahrt, wenn der Regen wieder frontal auf einen zu kam und der Fahrtwind kalt durch die Sachen zog.

Von der ersten hügligen Passage führte unser Weg einen zweiten Anstieg weiter nach Schwendt und Unterhochstätt vorbei. Dort standen tatsächlich vom Wetter absolut unerschrocken Zuschauer an der Strecke. Unten in Walchsee war natürlich am meisten los und teilweise dicht standen dort die Schaulustigen. Aber so als wäre es ein ganz normaler Spätsommertag applaudierten, jubelten und motivierten die Zuschauer dort draußen. Diese kleinen Momente machten mir so viel Freude! Ich bedankte mich mit einem ganz breiten Grinsen und freute mich mit ihnen. Vermutlich ist sonst auch auf dem Land viel mehr los. Aber die Herzlichkeit der wenigen Zuschauer, die hier und da, zuweilen im Nirgendwo standen, war Motivation genug, zwischendrin immer wieder ordentlich in die Pedale zu treten. Selbst dann noch, wenn ich die Zehen nicht mehr spürte und ich etwas Angst hatte zu bremsen, weil meine Finger teilweise nicht so wollten wie ich.

Obwohl die Straßen der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee Radstrecke durchweg ziemlich gut waren, stand hier und da das Wasser. Pfützen waren oft unausweichlich. Dazu schoss das Wasser ununterbrochen am Hintern hoch. Auf teilweise sehr schmalen Streckenabschnitten, kam es vor allem in der ersten Runde hier und da zu kleinen Staus. Abschnittsweise passten nur zwei Räder knapp nebeneinander und ich musste mit dem Überholen etwas warten. Auf den breiteren Landstraßen konnte man schon mehr Gas geben. Auf gerader, ebener Strecke motivierten mich immer wieder Momente der aufkommenden Wärme. Ich spürte wie mein Oberkörper angenehm temperiert war. Ich wollte, dass sich dieses Gefühl verteilte. Trotz langer Hose blieben die Oberschenkel aber kühl und die Füße wie ein Stück Eis im Schuh. Mir war klar, dass ich aber nicht nachlassen dürfte, sonst würde es noch schlimmer werden. Also trat ich wann immer es ging wie eine Verrückte in die Pedale. Da kam der Spaß auch an Abschnitten ohne Zuschauer auf, den ich mir gerade auf dem Rad so erhofft habe.

Als ich nach etwa 15km das erste Mal Kössen hinter mir ließ und auf dem Weg zur ersten Verpflegungsstation war, überholte mich plötzlich das Motorrad meines Fotografen Olli. Sein Fahrer Klaus aus Innsbruck und er waren scheinbar sofort ein eingespieltes Team. Kein Wunder. Klaus ist auch ein Profi. Dieser Motorrad Einsatz war schließlich nicht sein erster. Da blieb auch Zeit bei den beiden zu scherzen und sich fotografieren zu lassen. Während Olli hier und da absprang, wartete Klaus mit dem Motorrad etwas abseits und jubelte mir zu. Mein persönlicher Ein-Mann-Fanblock! Hammer.

Klaus, dein Support war unfassbar und ich schicke dir hier auf diesem Weg ein dickes Dankeschön! Ich hätte mit dir nicht tauschen wollen bei diesem Wetter. Zum Glück durfte ich mich unterwegs richtig bewegen.

An der Verpflegungsstation nahm ich Wasser auf. Ich hielt mich strickt an meine Essenszeiten und ans Trinken. Das brauchte echt Überwindung. Während mir der Sinn eher nach einem heißen Tee am Ofen stand, schlürfte ich mein eisiges Iso-Matcha Gemisch. Ich konnte spüren, wie es sich in meinem Körper verteilte! Schon bei dem Gedanken daran fröstelt es mich. Natürlich war die erste Runde noch nicht einmal annähernd beendet, da hätte ich schon für eine Dixie-Pause absteigen können. Aber ich zweifelte daran, dass ich mich dann wieder auf meinen Flitzer gesetzt hätte. Vermutlich hätte mich dann die Jammerei vom Start wieder eingeholt. Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht schon wieder weinerlich sein. Schließlich versuchte ich Spaß zu haben! Monate hatte ich mich auf diesen Wettkampf gefreut. Auf die Landschaft. Auf einen Sommer in den Bergen mit Sonne und Bade- und Triathlon-Spaß! Nun möchte ich nicht undankbar sein. Denn schließlich hatte ich das große Glück mit meiner Ankunft die Tage zuvor bei über 30° direkt in den See hüpfen zu können und die eine und andere Runde auf dem Fuji zu genießen. Ich drohte jedenfalls bis zum Schluss auf dem Rad zu platzen.

Immer wieder sah es für einige Minuten so aus, als hätten sich die Wolken etwas erhellt und vielleicht sogar gelichtet. Dann hingen sie wieder tief über uns und warteten wie Zuckerwatte am Ende der Anstiege oder in der Ferne über den Bäumen.

Bis nach Walchsee zurück in die zweite Schleife war der Asphalt etwas gröber und nicht ganz so nass wie andernorts. Das war der Streckenabschnitt, auf dem ich neben der langen Abfahrt nach Kössen hinab am schnellsten unterwegs sein konnte. Dort warf ich mal alle Vorsicht über Bord. Die Straße war breit genug, dass man problemlos zu zweit überholen konnte. Die Motorräder, egal ob mit Fotografen, Kameramännern, Wettkampfleiter oder Kampfrichter fuhren extrem umsichtig, krochen nicht zu sehr an uns heran und waren durchweg fast unsichtbar unterwegs. Ich hatte dennoch nicht das Gefühl, dass die Kampfrichter ein Auge zu drückten bei dem Wetter. Sie waren immer präsent und gaben zumindest mir das Gefühl, dass sie uns Athleten mit einem wachenden Blick genau im Auge hatte. Wie es eben sein sollte.