CD-REVIEW: Tocotronic – Die Unendlichkeit

Von Bleistiftrockerde
Gespenst vertrieben

Ein Konzeptalbum von Tocotronic, noch dazu über Kindheit und Erwachsenwerden? Ja, das ist „Die Unendlichkeit" tatsächlich. Und das Konzept funktioniert sogar ausgesprochen gut.

Während die Band auf den vergangenen Alben eher mit Manifesten beschäftigt war, geht der Blick nun zurück. Das neue Album ist gewissermaßen eine Biografie.

Die Single „Hey Du" hat das schon gezeigt. Der Song handelt vom Aufwachsen als Außenseiter in der Provinz. „Bin ich was, was du nicht kennst, dass du mich Schwuchtel nennst?", blafft Dirk von Lowtzow den durchdringenden Blicken der skeptischen Erwachsenen entgegen.

„Tapfer und grausam" erzählt von einem Kind, das gerade das nicht ist, dem Neugier und Abenteuerlust jedoch anzumerken sind. Das verfestigt sich dann bei „Electric Guitar", einem großartigen Stück über erste Gehversuche als Rock-Rebell.

„Die Unendlichkeit" kann jedoch nicht nur auf das Leben von Musiker angewendet werden. Mit Songs über den Tod eines geliebten Menschen („Unwiederbringlich") oder die erste Liebe („Ich lebe in einem wilden Wirbel") wird die Platte zwischenzeitlich sehr allgemeingültig.

„Ausgerechnet du hast mich gerettet" lässt sogar offen, ob eine Stadt (Tocotronic zogen damals nach Berlin) oder eine Person gemeint ist. „Ich würds dir sagen" beschreibt der Pressetext als „eine Art dunkles Kinderlied über Begehren, erotische Phantasmen und Todessehnsucht" - ganz schön harter Stoff.

Und so vertreiben Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail das Gespenst, das mit dem Wort „Konzeptalbum" unvermeidlich hervorgerufen wird, sehr schnell. Wie immer bei den Indierock-Veteranen wächst das Album bei mehrmaligem Hören immer weiter und offenbart herrliche Kniffe. Deshalb dürfen sie sich auch großkotzige Songs wie das abschließende „Alles was ich immer wollte war alles" leisten.

Albuminfos Tocotronic - Die Unendlichkeit

Künstler: Tocotronic
Albumname: Die Unendlichkeit
VÖ: 26.01.2018
Label: Universal Music
tocotronic.de

Fotos: Michael Petersohn und Promo

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