Manche singen von Liebe, Jim Kroft wollte mehr: Der britische Singer/Songwriter reiste nach Lesbos und Idomeni, lebte dort mit den Flüchtlingen und schrieb anschließend ein Album darüber. Politik und Kunst, passt das zusammen? In diesem Fall ganz klar: ja. Und wie!
„I'm walking on hell's beach" - schon die ersten Worte auf „Journeys #3" sind unglaublich eindrücklich. Überhaupt ist der erste Song „Sara" ein Schlag in die Magengrube. Kroft hat es für ein Mädchen geschrieben, das am Strand neben ihm gestorben ist, weil Ärzte ihm nicht helfen konnten - während Kroft selbst ein anderes ohnmächtiges Mädchen in seinen Armen hielt. „And I don't know what to do, sweet Sara" - Gänsehaut, wie man sie von einem Singer/Songwriter lange nicht bekommen hat.
Aufwühlend bleibt es die ganze Zeit, bei „God Knows Where" schafft das sogar schon die Musik, die immer dramatischer aufspielt. Ganz am Ende beruhigt dann ein Klavier. Dem Gesang von Jim Kroft merkt man derweil durchgehend an, wie sehr ihm die Sache am Herzen liegt.
Insgesamt drei Wochen war 37-jährige Wahl-Berliner bei den Flüchtlingen, anschließend schrieb er Songs darüber und nahm diese innerhalb von nur 48 Stunden auf. Mit seiner Band ließ er dabei immer wieder Live-Atmosphäre aufkommen, beispielsweise auf „Redemption", das durch das Mitklatschen und die Spielfreude einen hoffnungsvollen Charakter bekommt.
Überhaupt verliert das Album trotz des schweren Themas nie die Hoffnung. Selbst „Shadowland" hat diese Ausstrahlung, obwohl Kroft es in einer schlimmen Lage geschrieben hat: Er zog mit rund 3000 Flüchtlingen, die das Camp verlassen wollten, wurde von bewaffneten Soldaten festgehalten und musste die Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. „Yes I still have hope" ist dafür eine sehr bemerkenswerte Aussage.
Ob „Under The Dome Of Night" über die vor Kälte und Angst zitternden Kinder in ihren Zelten oder „House Of Many Colours" über die von Politikern missbrauchten Schicksale der Flüchtlinge, Jim Kroft trifft immer den richtigen Ton und hebt die Kunst des Singer/Songwriters auf ein neues Level. So viel Wichtiges hatte jedenfalls schon lange niemand mehr zu sagen.
Übrigens: Jim Kroft hat auf Lesbos und Idomeni nicht nur Inspiration für Songs gesammelt, sondern auch eindrucksvoll-traurige Fotos geschossen. Zu finden sind diese am Ende dieses Artikels.
Albuminfos Jim Kroft - Journeys #3
Künstler: Jim Kroft
Albumname: Journeys #3
VÖ: 15.07.2016
Label: Field Recordings
jimkroft.com
Fotos: Bastian Fischer und Promo
Extra: Fotos inklusive Original-Anmerkungen von Jim Kroft
"My friend Paco from ‚Proem Aid' wades out into the water to bring in a punctured boat. One of those moments of heroism that happens everyday in the refugee crisis. These inspiring and positive human stories are often under reported. Paco is a 50 year old unpaid Spanish firefighter."
"Each day in Idomeni people would ask me ‚when will the border open'. As the days passed the tone turned from hope to despair. The refugees realised they were caught between worlds. This represented a loneliness I'll never forget."
"A young man arrives on a new continent, with no possessions. He stares back out across the ocean. He sees a past that is gone, and a future that is unknown. And yet his eyes are glistening. I call him ‚James Dean' because in his face I saw an effortless courage."
"Dusk sets in over the 'Life Jacket Graveyard' on Lesbos. It felt like an otherworldly place, so full of stories - of survival, of life and of death. It seemed to evoke the imagery and light of Golgotha. It was one of many moments where the refugee crisis felt biblical in scale."