Doch die erzählte Geschichte geht dann doch etwas über die Wahrheit hinaus. Denn anders als in der Realität des Winters ’47 kann der Kriminaloberinspektor Frank Stave im Roman den Täter fassen.
Ihm zur Seite stehen dabei ein junger Polizist des Sittendezernates sowie ein Offizier der britischen Besatzungsmacht. Garniert mit ein wenig Liebe und Eros wird aus dem eher nichtssagenden Plot ein sehr spannender Krimi, den ich kaum beiseite legen wollte. Obwohl die Auflösung nach Dreivierteln des Buches eigentlich klar ist.
Rademacher gelingt es, den Leser die Kälte des Winters zu erleben; mitzufrieren in Zimmern, an deren Fenster dicke Eisschichten haften; den Wind zu spüren, der über die Trümmerlandschaft pfeift. Man hungert mit Stave und friert mit ihm. Und versucht zu begreifen, welchen Grund die Morde haben und wer die Opfer sind.
Hamburg im Winter nach dem Krieg ist eine Stadt, in der jeder nur um sein Überleben kämpft. Die Beschreibung des Schwarzmarkts; des Anstehens nach Lebensmitteln und der puren Verzweiflung und Einsamkeit der Bunker und Notunterkünfte ist greifbar und dicht. Rademacher beschreibt die kalte Landschaft – und meint doch die Menschen. Die ebenso kalt und zerstört sind nach diesem Krieg. Sprachlich ist das wirklich gut gelungen und daher lesenswert.
Nach einem etwas überraschendem Fast-Ende kommt dann der Frühling und ein optimistischer Klang in den Roman. Für mich klingt das zu sehr nach Happy-End. Andererseits bin ich aber auch zufrieden, in eine hoffnungsvolle Zukunft aus dem Roman entlassen zu werden.