„Wanderer“
(Domino Records)
So recht vorstellen kann man sich das nicht. Dass also eine so renommierte Firma wie Matador eine Platte wie diese hier ablehnt. Oder besser zurückschickt mit den Worten, sie gehöre noch einmal gründlich überarbeitet, so jedenfalls ließe sie sich nur schwer verkaufen. Zur Erinnerung: Auf dem gleichen Label sind seit 1996 sämtliche Alben von Chan Marshall alias Cat Power erschienen, die Leute dort sollten eigentlich wissen, mit wem sie es zu tun haben. Ganz gleich, wie genau die Sache nun abgelaufen ist, Marshall hat der New York Times gerade von ihrer Enttäuschung erzählt und auch von der Weigerung, „Wanderer“ in ein poppigeres, hitträchtigeres Format zu zwängen. Sie hatte sich schließlich, so gestand sie weiter, schon 2012 bei „Sun“ zu weitreichenden Korrekturen überreden lassen, mit denen sie im Nachhinein gar nicht glücklich war. Und so ist diese, ihre zehnte Studioveröffentlichung dann eine sehr reduzierte geworden, stripped to the bones sagt man gern in solchen Fällen. Marshall ist eine Meisterin in diesem Metier, es ist nicht ihre erste LoFi-Platte, nicht die erste, die sich zaghaft und fast unsicher ihren Platz sucht und doch so unglaublich starke Momente hat.
Da ist zum Beispiel „Woman“, das wunderbare Duett mit Lana Del Rey – nicht wenige verstehen es als Replik auf die Komplikationen mit Matador und sie hat bislang zumindest nicht widersprochen: „Your money's like a weapon, a tool to get me, you think I'm like the other ones. Well, my money's like a weapon, tool for me, no, I'm not like those other ones.“ Ein Song, der am Ende ironischerweise ein wenig zu dem Hit geworden ist, den die Labelbosse ständig einforderten. Da ist mit „Stay“ wieder eine überaus geglückte Coverversion, hier jedoch ohne jede Schwülstigkeit, ohne den obligatorischen Augenaufschlag und das tragische Schluchzen des Originals von Rihanna (gemeinsam mit Mikky Ekko), die nur von der unbestrittenen Qualität des Songs ablenken. Und schließlich die düsteren Bassdrums, die Innerlichkeit von „Robin Hood“ oder auch die simplen Akkorde von „Me Voy“ auf der Akkustischen und dem Piano, traumwandlerisch sicher getragen von Marshalls Stimme, die vielleicht keine große, aber in ihrer Brüchigkeit eine ehrliche, anrührende geblieben ist.
Blues und Folk bestimmen und begleiten diese Platte, sie ist das beeindruckende Dokument einer Frau geworden, die schon lange als „wayfaring stranger“ (nicht selten auch im eigenen Leben) unterwegs ist, die sich durch Depression, Alkohol und Krankheiten gekämpft hat, die viel und oft an sich gezweifelt hat und immer wieder neu anfangen mußte, auch hier. Sie ist seit einigen Jahren Mutter eines Sohnes (man sieht ihn auf dem Cover der Platte), hat wohl ein Stück weit Frieden mit sich machen können und vielleicht klingen die Songs auf „Wanderer“ deshalb so vorsichtig („I felt like the songs were most direct being as simplistic as possible“, NYT), weil sie sich jeden Schritt tastend überlegen muß, um nicht wieder an den Abgrund zu gelangen – sie kennt ihn zur Genüge. Früher sagte man, Cat Power auf der Bühne zu sehen sei ein zwiespältiges, ein unsicheres Unterfangen – je nach Tagesform konnte das ein unglaublich intensives Erlebnis oder ein kläglicher Reinfall werden. Möglich, dass sich das gerade ändert. Vielleicht ist ja genau dieses Album das erhoffte Zeichen einer nachhaltigen Besserung für sie selbst. Denn so nah bei sich hat man Chan Marshall zuvor noch selten gehört. https://catpowermusic.com/
28.10. Berlin, Astra Kulturhaus29.10. Zürich, X-tra30.10. Lausanne, Les Docks