Alben
Veröffentlicht am 11. Oktober 2013 | von Katja Schlitter
Er ist der Meister der Wortspielereien und bringt dennoch alles auf den Punkt. Mit seinem neuen Album Hinterland scheint Casper bei sich angekommen zu sein…
Den „16:9-Traum im Breitbildformat“ (Zeile aus dem neuen Song Endlich angekommen) hat Casper vor zwei Jahren geschafft, als er sein drittes Album XOXO veröffentlichte und Song wie So perfekt ihm zu größerem Erfolg verhalfen. Kein Wunder, dass der Nachfolger Hinterland heiß erwartet wurde und Casper noch eine Schippe drauflegen musste.
Schon der Album-Opener Ascheregen ist mit „Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen“ eine klare Ansage: Von wegen „nur“ Rapper mit Reibeisenstimme. Casper versteht es mit seinem neuen Werk Musikgrenzen- und genres auszureizen, die man ihm so gar nicht zugetraut hätte. Bruce Springsteen lässt z.B. grüßen. Ascheregen bildet jedenfalls einen beeindruckenden Auftakt: Zuerst hymnische und treibende Pianoklänge, denen Beats als Akzente folgen, die schließlich zusammen in einem Kinderchor mit Casper enden – „Die Stadt muss brennen“. Die zweite Singleauskopplung Hinterland ist da schon folkloristisch angehaucht, was wohl am schellenden Tamburin liegt. Aber auch die Gitarre pulsiert wie Pferdeschritte in einem Westernfilm und ein betörendes „Oh-ey-oh“ im Hintergrund tragen ihren Teil bei. Hieß es bei XOXO noch Auf und davon und raus in die große weite (Party-)Welt, so trittt Casper nun den Rückzug in die ländliche Ruhe, ins Hinterland, an: „So müde von der Stadt, die nie schläft“.
Dass der Rapper seinen Erfolg schätzt und am Boden geblieben ist, beweist der noch immer in einer Berliner WG lebende 31-Jährige in Ganz schön okay. Er hat Erfolge erlebt, hat viel zu erzählen, und dann kann er sich doch verdammt nochmal damit zufrieden geben. Zusammen mit Kraftklub macht Casper den Song nicht nur mit dem Beat und dem Aufruf Was geht zu einer Partyhymne, sondern definiert mit „Wir brauchen nicht viel, nur Fanta im Pappbecher“ die Zufriedenheit und den Spaß seiner Generation.
In Nach der Demo ging’s bergab schlägt der Rapper andere Töne an: „Exklusivvertrag“, „guter Start“ oder „zu viel Füllmaterial in deinem Mixtape-Herz“ ist sein textliches und freches Augenzwinkern über die Karrieren von Popmusikern, die zuerst Chartstürmer waren, am Ende ihres Feuerwerks aber ihre eigenen Scherben zusammenkehren müssen. Seine Zeiten mit gebrochenem Herzen verarbeitet er in Songs wie 20qm, in der er persönliche Anekdoten besingt. Für Lux Lisbon holte sich Casper einen vielversprechenden Duettpartner ins Boot, der englische Refrain is powered by Editors-Sänger Tom Smith. Den Song kann man ohne große, dafür in drei Worte zusammenfassen: wehmütig, ergreifend, international. La Rue Morgue ist definitiv eine Überraschung auf dem Album, typisch Casper und doch nicht. Seine raue Stimme trifft auf schlagenden Beat, doch die Instrumentierung – u.a. mit Trompeten – ist wie ein Trinkerlied mit burlesker Attitüde. Jambalaya hingegen ist wie wenn ein Ferrari im höchsten Gang auf der Autobahn an deinem Smart vorbeirauscht: Irgendwie ist es cool, aber es erschrickt dich zuerst. Denn was Casper da eingefallen ist, dass er Cheerleadergesänge einfließen hat lassen? Wir wissen es nicht. Aber wie er schon laut und deutlich im Text sagt: „tun was wer will“, und das tut er allemal. Das letzte Lied heißt bezeichnenderweise Endlich angekommen. Ein Ende mit Trompeten, aber ohne Paukenschlag – denn beweisen muss Casper nichts mehr.
Viel „oh-ey-oh“, „na na“ und „la la la“, doch keineswegs kindisch, sondern recht erwachsen. Indie-Rap mit Elektro-Beats waren gestern, der heutige Casper sieht sich selbst eher als Singer-Songwriter, der diesmal mit viel Piano-Melodien, orchestralem Sound und Folk-Rock experimentierte. Manche könnten behaupten, dass er mit seiner Einfachheit seine Ecken rund gemacht hat. Aber gerade weil Casper sein Ding durchzieht, so vielfältig und so persönlich, verdient er Applaus – und bekommt ihn diesmal nicht in Form von XOXO (Hugs & Kisses), sondern von Respektsbekundungen für seinen musikalischen Mut.
Casper – Hinterland, Four Music (Sony Music), www.casperxo.com
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Katja Schlitter