Casper
„Lang lebe der Tod“
(Sony)
Menschen mit zerrissenem Herzen zuzuhören ist immer ein zwiespältiges Vergnügen, man fühlt sich immer ein wenig ungut dabei, wie ertappt, weil doch Melancholie, Traurigkeit, Verzweiflung und Wut zwar gut klingen, doch dem Eigentümer des Herzens weitaus mehr Probleme bereiten als einem selbst. Curtis, Cobain, würde ganz gut passen jetzt. Doch deren Herzen waren gebrochen, das von Benjamin Griffey aka. Casper schlägt uns hochtourig und widerständig in seinen Bann. Es gibt ja nicht viele, mit denen man so mitleiden kann wie mit dem Jungen aus Bielefeld, die gegerbte Stimme, Texte, Körper, Gestik, besagte Zerrissenheit war schon immer sein Programm. Liest man die Geschichte des aktuellen, vierten Albums, folgt man den neuen Stücken, dann hat sich daran nichts geändert: Selten, dass sich jemand derart offensiv und öffentlich dem Dilemma des Künstlers stellt, den es zwar nach Anerkennung verlangt und der doch, je mehr er diese Zuwendung, diese Verehrung spürt, auf Abstand mit Anstand, auf Abgeschiedenheit, auf Distanz pocht.
Ein hilfloser Zauberlehrling mit nichts mehr als dem sehnlichen Wunsch, den Beifall und die Likes ohne all die Hoffnungen und Projektionen, ohne das ein und alles zu bekommen, davon erzählen auf dieser großartigen Platte gleich drei Songs auf verschiedene Weise – „Lass sie gehen“ mischt falsche Erwartungen, Überforderung und Mutlosigkeit, „Deborah“ deutet den schlimmsten aller Abschiede an und auch „Meine Kündigung“ formuliert den Zwiespalt in erstaunlicher Deutlichkeit. Vierzig Tage Stardome, die restlichen dreihundertzwanzig als musikalischer Eremit, das entspräche, so hat es Casper gerade erzählt, seinen Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Natürlich weiß er selbst nur zu gut, dass dieser Mittelweg nicht zu bekommen ist, denn allein die Livebühnen des Landes, für die er lebt und wo er ein ums andere Mal regelrecht verschlungen wird, kosten ihn deutlich mehr Lebenszeit als die biblische Zahl. Und versorgen ihn, so darf man annehmen, wiederum mit der notwendigen Schubkraft für die weniger euphorischen Momente des Lebens.
Man wünscht ihm, dass er den Spagat weiterhin auszuhalten vermag, denn es würde eine Stimme fehlen, die vielen gerade jetzt, wo babylonisches Geplärre die Orientierung erschwert, eine wichtige ist. Und ein Sound, der in dieser Form, also der Verbindung von unglaublicher, brachialer Wucht mit melodieverliebter Schönheit und Eleganz, nahezu einzigartig ist. Wie zum Beweis die ersten vier Tracks, ein Triumphzug: „Lang lebe der Tod“ als bittersüße Gothpop-Hymne mit Blixa Bargeld, Sizarr und Dagobert, „Alles ist erleuchtet“ dann macht aus dem rettenden Lichtschein eine trügerische Hoffnung, weil er doch nur aus dem irisierenden Geflacker der Bildschirme gespeist wird, von dem wir uns nicht lösen können und wollen. Der Tanz auf den Ruinen kurz darauf, der fatalistischste Sommerhit seit langem – „Keine Angst“ mit dem wunderbaren Drangsal und einem sepiafarbenen Slomo-Clip, bei dessen Dreh man gern dabeigewesen wäre.
Und schließlich die „Sirenen“, der Rammstein-Moment für den Straßenkampf, Crossover-Mucke mit fetten Beats und rasenden Gitarren, kaltes Klirren, kehliges Geschrei und ein Vorgeschmack auf das finale Getöse ganz am Schluss des Albums. Es war im Vorfeld viel davon die Rede, dass „Lang lebe der Tod“ sein unangenehmstes Werk sei – wie die schwindelerregenden Millionensummen für halbwegs begabte Kicker zeigen, verbrauchen sich solche Superlative schnell. So platt es klingt: Die Zeiten werden härter und so klingen diejenigen, die bereit sind, das Leben draußen vor der Tür mit ungeschönter Poesie und zugleich mitmenschlicher Haltung zu begleiten, folglich genauso hart und kantig. Hierbei dennoch Zweifel, Schwächen und Ängste zuzulassen und zu benennen, kommt nicht eben häufig vor, nicht zuletzt dafür gebührt Casper größter Respekt. Er wird wohl weitermachen müssen. www.casperxo.com
31.10. Münster, Halle Münsterland
03.11. Zürich, Samsung Hall
04.11. Stuttgart, Schleyer-Halle
08.11. Hamburg, Sporthalle
10.11. Dortmund, Westfalenhalle
14.11. Wien, Stadthalle
17.11. München, Zenith
18.11. Frankfurt am Main, Festhalle
21.11. Leipzig, Arena
22.11. Bremen, ÖVB-Arena
24.11. Berlin, Max-Schmeling-Halle
25.11. Hannover, Swiss-Life-Hall
26.11. Würzburg, S. Oliver Arena
10.03. Erfurt, Messehalle
„Lang lebe der Tod“
(Sony)
Menschen mit zerrissenem Herzen zuzuhören ist immer ein zwiespältiges Vergnügen, man fühlt sich immer ein wenig ungut dabei, wie ertappt, weil doch Melancholie, Traurigkeit, Verzweiflung und Wut zwar gut klingen, doch dem Eigentümer des Herzens weitaus mehr Probleme bereiten als einem selbst. Curtis, Cobain, würde ganz gut passen jetzt. Doch deren Herzen waren gebrochen, das von Benjamin Griffey aka. Casper schlägt uns hochtourig und widerständig in seinen Bann. Es gibt ja nicht viele, mit denen man so mitleiden kann wie mit dem Jungen aus Bielefeld, die gegerbte Stimme, Texte, Körper, Gestik, besagte Zerrissenheit war schon immer sein Programm. Liest man die Geschichte des aktuellen, vierten Albums, folgt man den neuen Stücken, dann hat sich daran nichts geändert: Selten, dass sich jemand derart offensiv und öffentlich dem Dilemma des Künstlers stellt, den es zwar nach Anerkennung verlangt und der doch, je mehr er diese Zuwendung, diese Verehrung spürt, auf Abstand mit Anstand, auf Abgeschiedenheit, auf Distanz pocht.
Ein hilfloser Zauberlehrling mit nichts mehr als dem sehnlichen Wunsch, den Beifall und die Likes ohne all die Hoffnungen und Projektionen, ohne das ein und alles zu bekommen, davon erzählen auf dieser großartigen Platte gleich drei Songs auf verschiedene Weise – „Lass sie gehen“ mischt falsche Erwartungen, Überforderung und Mutlosigkeit, „Deborah“ deutet den schlimmsten aller Abschiede an und auch „Meine Kündigung“ formuliert den Zwiespalt in erstaunlicher Deutlichkeit. Vierzig Tage Stardome, die restlichen dreihundertzwanzig als musikalischer Eremit, das entspräche, so hat es Casper gerade erzählt, seinen Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Natürlich weiß er selbst nur zu gut, dass dieser Mittelweg nicht zu bekommen ist, denn allein die Livebühnen des Landes, für die er lebt und wo er ein ums andere Mal regelrecht verschlungen wird, kosten ihn deutlich mehr Lebenszeit als die biblische Zahl. Und versorgen ihn, so darf man annehmen, wiederum mit der notwendigen Schubkraft für die weniger euphorischen Momente des Lebens.
Man wünscht ihm, dass er den Spagat weiterhin auszuhalten vermag, denn es würde eine Stimme fehlen, die vielen gerade jetzt, wo babylonisches Geplärre die Orientierung erschwert, eine wichtige ist. Und ein Sound, der in dieser Form, also der Verbindung von unglaublicher, brachialer Wucht mit melodieverliebter Schönheit und Eleganz, nahezu einzigartig ist. Wie zum Beweis die ersten vier Tracks, ein Triumphzug: „Lang lebe der Tod“ als bittersüße Gothpop-Hymne mit Blixa Bargeld, Sizarr und Dagobert, „Alles ist erleuchtet“ dann macht aus dem rettenden Lichtschein eine trügerische Hoffnung, weil er doch nur aus dem irisierenden Geflacker der Bildschirme gespeist wird, von dem wir uns nicht lösen können und wollen. Der Tanz auf den Ruinen kurz darauf, der fatalistischste Sommerhit seit langem – „Keine Angst“ mit dem wunderbaren Drangsal und einem sepiafarbenen Slomo-Clip, bei dessen Dreh man gern dabeigewesen wäre.
Und schließlich die „Sirenen“, der Rammstein-Moment für den Straßenkampf, Crossover-Mucke mit fetten Beats und rasenden Gitarren, kaltes Klirren, kehliges Geschrei und ein Vorgeschmack auf das finale Getöse ganz am Schluss des Albums. Es war im Vorfeld viel davon die Rede, dass „Lang lebe der Tod“ sein unangenehmstes Werk sei – wie die schwindelerregenden Millionensummen für halbwegs begabte Kicker zeigen, verbrauchen sich solche Superlative schnell. So platt es klingt: Die Zeiten werden härter und so klingen diejenigen, die bereit sind, das Leben draußen vor der Tür mit ungeschönter Poesie und zugleich mitmenschlicher Haltung zu begleiten, folglich genauso hart und kantig. Hierbei dennoch Zweifel, Schwächen und Ängste zuzulassen und zu benennen, kommt nicht eben häufig vor, nicht zuletzt dafür gebührt Casper größter Respekt. Er wird wohl weitermachen müssen. www.casperxo.com
31.10. Münster, Halle Münsterland
03.11. Zürich, Samsung Hall
04.11. Stuttgart, Schleyer-Halle
08.11. Hamburg, Sporthalle
10.11. Dortmund, Westfalenhalle
14.11. Wien, Stadthalle
17.11. München, Zenith
18.11. Frankfurt am Main, Festhalle
21.11. Leipzig, Arena
22.11. Bremen, ÖVB-Arena
24.11. Berlin, Max-Schmeling-Halle
25.11. Hannover, Swiss-Life-Hall
26.11. Würzburg, S. Oliver Arena
10.03. Erfurt, Messehalle