Aaron Hojman ist mit Herz und Seele Antiquitätenhändler. Neues sucht man in seiner Posada vergeblich. Dafür zieren liebevoll ausgewählte Antiquitäten, recycelte Materialien und Vintage Stücke die Innenausstattung der Casa Zinc. Das muss man mögen – ein Stil, der in keine Schublade passt und ungezwungen variiert. Hier ein bisschen Bohemien, da Backstein, Industrie-Chic und Architektureinflüsse aus den 50er Jahren. Dafür ein einzigartiges Flair, zugegeben auf Kosten allzu luxuriöser Annehmlichkeiten.
Wellblechverkleidet steht die Casa Zinc am Ortsrand von La Barra, einer alte Künstlerkolonie und auch heute noch ein entspanntes, rustikales Städtchen nahe Punta del Este, gesäumt von schönen Stränden, lässigen Lokalen und schmucke Läden. Die Alternative zur Jet-Set-Atmosphäre von Punta del Este und offensichtlich die Anlaufstelle junger Hipster-Familien mit Surfbrett und Hund auf einem alten Buik Pick-Up. Wir (vermeintlich) ewig Jungen mittendrin.
Ein mächtiges Werkstor markiert den Eingang zur Casa. Und trotzdem erkennen wir sie nicht gleich auf den ersten Blick, irren durch die Wohngegend. Hinter dem Tor? Ein Hof, rote Ziegelmauern, Holzstützen, verspielte Gartenmöbel und Zinkverkleidung an der Wand.
So rostig, derb und roh die Fassade, so lauschig ist’s drinnen. In den sechs Zimmern, benannt nach ihrem Einrichtungsthema (Back to School, Biblioteca, oder Estudio Arquitecto) atmet man Geschichte.
Wir bewohnen das Klassenzimmer und gehen mit kindlicher Freude in dieser Rolle auf. Jedes Stück ist hier sowie im gesamten Haus handverlesen und aus aller Welt zusammengetragen. Apothekerflaschen, Globen, Sodaflaschen in den Regalen, deutlich mitgenommene Ledersofas, in den Räumen schwarz-weißer Kachelboden. Alles ein wenig rau und unbehandelt – antik eben.
Was Punta del Este als Touristenmanet in den vergangenen Jahren an Charakter eingebüßt hat, hier in der reizenden Casa Zinc ist er gebündelt und von einem rührigen Antiquitätenhändler aufbewahrt worden.
Die warmen, hübsch verwitterten Muster und Formen und die alte Patina, strotzen nur so vor altersbedingtem Charme und bilden so den ultimativen Kontrast zu den minimalistischen Zimmern der funkelnagelneuen Hotels in Punta. Diese kleine Herberge ist optimal geeignet für Pärchen und auch Familien sind hier herzlich willkommen. In den Gemeinschaftsräumen genießt man das frisch zubereitete Frühstück oder ein Pläuschchen mit den anderen Gästen. Man ist unter sich, eine homogene Zielgruppe von Designliebhabern, Individualisten oder Spürnasen des Besonderen. Es sind diese kleinen Details, die das Casa Zinc zu etwas so Besonderen machen. Nur Gewöhnliches ist hier ungewöhnlich.
Anfahrt:
La Barra ist mit Punta del Este über eine wellenförmige Brücke verbunden, die aussieht wie ein Stück Achterbahn – und die Fahrt darüber fühlt sich ebenso an – oder, so der chilenische Dichter Pablo Neruda wie die Brüste einer schönen Frau … Nun ja,… Spaß macht die Anfahrt allemal.
Gut zu wissen:
Ganz billig ist der Spaß in der Posada zu nächtigen nicht. Je nach Saison muss man selbst für einen Standard Zimmer ziemlich tief in die Tasche greifen.
Die Casa Zinc bietet alle Vorzüge eines gut ausgestatteten Hotels, doch überschwänglichen Luxus darf man dafür dennoch nicht erwarten. Es ist eine Pension, kein 5 Sterne Hotel und der Stil bestimmt nicht jedermanns Geschmack.
Bilder: ©HIDDEN GEM
Offenlegung: Wir wurden von der Casa Zinc zu diesem Aufenthalt eingeladen und haben die Nächte im Klassenzimmer ganz ohne Schulstress genossen, auch wenn zeitweise oberlehrerhafte Züge bei einzelnen Reiseteilnehmern zum Vorschein kamen.