Carl Nixon. Rocking Horse Road – Fernweh NEUSEELAND

Im vorigen Jahr hatte ich mein Projekt “Fernweh” gestartet, in welchem ich an Taschenbuch-Romane erinnern möchte, die sich lohnen, wieder gelesen zu werden. Sie führen an ferne Orte und passen in jeden Koffer. Und weil es in dieser Story auch täglich mehr als 30 Grad hat, passt kaum ein Buch besser zu den überraschend hohen Juli-Temperaturen da draußen, als Rocking Horse Road. Und vielleicht kommt ja sogar noch Regen …

nixon_rocking_horse_TB… Neuseeland. The Spit ist ein kleiner spießiger Ort mit genau definierten Grenzen der “Schicklichkeit”. Bereits mit den ersten, atmosphärisch und packend erzählten, Sätzen hat Nixon mich: Es war Peter Marshall, der Lucys nackte Leiche am Strand fand, nicht weit vom Ende der Rocking Horse Road entfernt. Auch wenn seit diesem Morgen fast drei Jahrzehnte vergangen sind und ein Jahrtausend geendet hat, können wir noch immer ganz präzise sagen, wo Lucy gelegen hat.

In jenem Dezember 1980 beginnen die von Verzweiflung und Beklommenheit gepackten 15jährigen Jungs, den Mörder von Lucy zu suchen. Sie sammeln jede Menge Material, wachen nachts ständig auf, um erneut die Zeitungsartikel zu lesen und haben schwarze Ränder unter den Augen. Sie sind übernervös und wirken wie Gespenster. Doch alles ohne Erfolg. Das weiß ich als Leser deshalb, weil Nixon gleichzeitig auch von den 40jährigen Männern erzählt, die nie aufgegeben haben, den Mörder von Lucy Asher zu finden. Geschickt wechselt er beim Erzählen zwischen diesen beiden zeitlichen Ebenen hin und her. Zusätzlich bringt Nixon ein Ereignis in die Story ein, welches sich 1981 tatsächlich ereignet hat, als das südafrikanische Rugby-Team Springbroks durch Neuseeland tourte und es zu schweren Auseinandersetzungen kam. Der Protestgrund der Neuseeländer war die Apartheid in Südafrika. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten sind eine weitere traumatische Erfahrung für die Jungs.

nixon_rocking_horse_HCWas den Roman zu einem ganz besonderen macht, das ist der Erzählton. Das ist die Art, wie Nixon die Jungs beschreibt, die alle derart fixiert sind auf Lucy Asher, dass ihnen das Mädchen sogar in ihren Träumen erscheint. Über Jahrzehnte hinweg wird das Finden des Mörders zu einer Obsession, die teilweise sogar die Ehen der Männer gefährdet.

Vor der wunderbar wilden Kulisse Neuseelands ist “Rocking Horse Road” ein wundervoller Urlaubs-Roman. Nicht nur wegen der perfekt erzählten Story, sondern auch, weil man mit jedem Satz die ewige Nähe des Ozeans, die Dünen mit ihren netzartigen Pfaden, die Kabbelwellen des Pazifik und den wolkenlosen Himmel spürt. Man fühlt die Hitze genauso wie den ersten Regen des Jahres, der variiert zwischen windgepeitschtem Sprühregen und schweren Tropfen. Und wenn im März der Seenebel vom Pazifik kommt und die gesamte Küste einhüllt, dass die Menschen auf The Spit wie in einer Dämmerwelt leben, dann verwischen auch im Roman die Grenzen und Konturen lösen sich auf. Ein ganz unvergessliches Leseabenteuer.

Erstmals in der deutschen Übersetzung erschienen ist “Rocking Horse Road” im Weidle Verlag. Ich habe mir den Roman in der hier abgebildeten Ausgabe (preiswert und gebraucht) gegönnt – einfach, weil diese um so Vieles schöner ist als das Taschenbuch.

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Carl Nixon. Rocking Horse Road. Aus dem Englischen von Stefan Weidle. Weidle Verlag 2012. Fadenheftung 240 Seiten. 19,90 € / btb Verlag 2014. 238 Seiten. 9,99 €



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