„Camping“
(Trocadero)
Gerade die kleineren, ambitionierten Labels haben sich hierzulande zu Eigen gemacht, womit Galerien und Verlage schon länger erfolgreich umgehen: Was denen das Vorwort bekannter Kuratoren, Maler und Literaten für Kataloge und Bücher gilt, sind hier die Einlassungen befreundeter Musiker. Das hat unbestreitbare Vorteile. Zum einen ist der/die gewonnene Autor/in kaum der verkaufsfördernden Lobhudelei verdächtig, zudem liest ein solcher Text weitaus spannender als die ewiggleichen Promo-Hymnen, bei denen man nicht selten das Gefühl hat, sie würden von findigen Wortsuchprogrammen zusammengestöpselt, deren einzige Bestimmung es ist, möglichst viele Superlative aneinanderzureihen. Nicht zu unterschätzen ist die Erfahrung, die Künstler bei der Bewertung (wenn es denn eine sein soll) des Werkes einbringen, wissen diese doch um die Mühen der Prozesse, um die Kämpfe und hart errungenen Siege und natürlich auch um die (tunlichst verschwiegenen) Niederlagen. Was die Bilder einer Ausstellung im Idealfall also verständlicher macht, kann hier nicht falsch sein, schließlich stellen auch Musiker/innen mitsamt der Texte ihre Seelen ins Schaufenster und wir Rezipienten deuten fleißig und hoffen auf Zugang.
Dieser war für Candelilla aus München noch nie einfach zu haben, der Sound, die Worte stets angenehm störrisch, aus der Linie und möglichst gegen jede Erwartung, ein Song eine Zahl. Letzteres zumindest hat sich geändert, alles andere ist geblieben. Etwas Hilfe vielleicht von Andreas Spechtl, Kopf von Ja, Panik und auch Solist. Er klingt bei seinen Liner-Notes wie ein Fanboy aus Überzeugung, wenn er uns „Camping“ ein Stück näher bringt. Selbst auch einer, der weniger erklären möchte, der die Assoziation schätzt und die Auseinandersetzung fordert. Die Vorsicht, mit der Spechtl den Plattentitel „Camping“ zwischen Susan Sontag’s „notes on camp“ und der Deutschen liebster Urlaubsbeschäftigung, der Reise mit den eigenen vier Wänden, verortet, hat schon fast etwas Rührendes. Er weiß es nicht genau, traut sich nicht mehr als diese Vermutung und bietet dem Zuhörer somit diese Möglichkeit als eine von vielen. Und läßt sich sonst von der Bildsprache der Stücke, die bei Songs wie „Intimität“, „Atmen“ oder „Tier“ oft nur als dadaistischer Stichwortgeber daherkommt, gern zugleich verstören und faszinieren.
Auffällig, wie schon beim Vorgängeralbum „Heart Mutter“ (damals noch von Studiolegende Steve Albini produziert), sind die Härte und Schroffheit, die hier für einige der Songs auf die Spitze getrieben werden. Klirrende Synthetik gleich zu Beginn, später die wunderbar treibenden Akkorde von „Trocken und staubig“, bestimmt, geführt von Mira Manns wütendem Gesang, der wiederum von einer Intensität, die fast schon beklemmend ist. Spechtls Bewunderung angesichts der Unbedingtheit, mit der Mann selbst in den ruhigen Passagen die Songs an sich zieht, ist nachvollziehbar, nur einmal wechselt sie für „Pool“ die Perspektive und gibt die stille, distanzierte Beobachterin – der Rest ist wildes, leidenschaftliches „Ich“. Einen Song allerdings spart Spechtl bei seinem Rundgang aus, obwohl er sich in seiner Perfektion und seinem – ja, doch: Pop-Appeal so deutlich von den anderen unterscheidet: „Transformer“, gesungen von Lina Seybold, gibt sich erstaunlich zart, eingängig und harmonisch, Warpaint packen solche Dinge gern auf ihre Alben, hier irritiert er als Einzelgänger an zentraler Stelle – ist das Herz also doch ein weiches? Wohl eher nicht. Aber ein Bild mehr und wir stehen davor und staunen.
16.03. Linz, STWST
17.03. Wolfsberg, Container25
18.03. Wien, Venster99
15.04. München, Milla (Record Release)
19.04. Dresden, Ostpol
20.04. Leipzig, Spelunke
21.04. Berlin, Berghain Kantine
22.04. Hamburg, Golem
24.04. Erfurt, Frau Korte
25.04. Frankfurt, Klapperfeld Ex-Gefängnis
26.04. Nürnberg, MUZ
27.04. Karlsruhe, Kohi
28.04. Saarbrücken, tba.
29.04. Schorndorf, Manufaktur