Ich habe vier Zettel auf meinem Schreibtisch liegen. Rückrufe nach Arbeitsende, also, Sprechstundenende, also, wenn der letzte Patient durch die Türe ist.
Zum einen Frau Hämmerle, es geht um die Testauswertung von der ADHS-Diagnostik der letzten Woche.
Dann Frau Rundig, sie ist Logopädin und bat um Rückruf wegen der inzwischen zwei Jahre dauernden Therapie des Sigmatismus bei Alexandros Marinkow (zuletzt hatte ich die Verordnungen verweigert – zu wenig Mitarbeit der Eltern, zu wenig Erfolg. Zwei Jahre bei Lispeln, nenene).
Der nächste Zettel Frau Saft, ihre zehn Monate alte Tochter weine soviel, die Hebamme hat empfohlen, ein Sozialpädiatrisches Zentrum aufzusuchen – vielleicht “hat die Kleine ja ein KISS-Syndrom”, wie mir Moni, meine fMFA, die Aussage der Hebamme notiert hat.
Zuletzt steht da “Bitte um Rückruf Frau Sunder-Mende – es geht um die Telefonbefragung wegen Ihrer Haftpflichtversicherung, Sie wüssten Bescheid”. Mmmh. Weiß ich nicht. Name sagt mir nichts, meine Haftpflicht habe ich über einen befreundeten Versicherungsmann abgeschlossen, Telefonbefragung… Da klicken zwei oder drei Synapsen zusammen und am Ende steht “Werbung”.
Na dann. Frau Rundig ist nicht erreichbar, wen wundert´s, ich gönne jedem den Feierabend vor 19 Uhr. Außerdem hätte ich mich da nur aufgeregt. Frau Hämmerle lässt den Anrufbeantworter sprechen, die Ansage endet mit “… falls Sie unserer Familie trotzdem eine Nachricht … grmpppfl … he, lass das… menno … ich quatsch doch hier gerade auf den AaBe …. KLICK. Pieeeps.” Na gut. Ich notiere mir die Bandansage bei der Diagnostik des ADHS in der Familie Hämmerle und beschließe, dort morgen nochmals anzurufen. Frau Saft schließlich kann ich mit ein paar Worten beruhigen, erkläre ihr die allgemein verbreitete und tatsächliche Wertigkeit eines KISS-Syndroms. Das SPZ hatte sie bereits innerlich abgehakt, als eine andere Freundin erzählte, dort seien ja nur “Behinderte und Frühchen”.
Bleibt die Doppel-Namen-Werbe-Frau. Meine Hoffnung, dass die Dame im Callcenter um diese Uhrzeit nicht arbeitet, versinkt in Verzweiflung, als sich eine Stimme meldet:
Sunder-Mende: “Sunder-Mende, – Sie leben, wir haften – was kann ich für Sie tun?”
Ich: “Kinderdok, hallo, Sie baten um Rückruf.”
Sunder-Mende: “Achja?” Es blättert. “Kinderdok, Kinderdok, sind Sie denn bei uns versichert?” Fail.
Ich: “Das haben Sie meiner Arzthelferin gegenüber behauptet.”
Sunder-Mende: “Äh… ja? … Nein. Es geht um eine Telefonbefragung hinsichtlich Haftpflichtversicherungen im Gesundheitswesen.”
Ich: “Habe ich. Privat und Beruf.”
Sunder-Mende: “Ja, aber, sind Sie sich sicher …?”
Ich: “Ja, bin ich. Alles prima. Frisch ausgemacht. Frisch gecheckt. Sehr zufrieden.”
Sunder-Mende: “Dürfte ich Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen?”
Ich: “Eigentlich nicht. Danke.”
Sunder-Mende: “Nicht? Also, zunächst mal, welche Deckungssumme…?”
Ich: “Vielen Dank, dass Sie angerufen haben, aber ich habe wirklich kein Interesse.”
Sunder-Mende: “Nicht? Unsere Gesellschaft kann Ihnen ganz tolle Konditionen…”
Ich: “Danke.”
Sunder-Mende: “Ich habe wohl keine Chance bei Ihnen?”
Ich: “Mit Ihrer Versicherung nicht, nein.”
Sunder-Mende: “Äh … ok… “
Ich: “Vielen Dank, nochmal. Ich würde jetzt gerne Feierabend machen.”
Sunder-Mende: “Schon?”
Ich: “Auf Wiederhören. Und bitte nicht nochmal anrufen.”
Sunder-Mende: “Ja, das war deutlich.”
Ich: “… ehrlich. Dann haben Sie mehr Zeit für weitere Akquisen.”
Sunder-Mende: “Gut, wenn Sie kein Interesse haben… Soll ich Ihnen vielleicht mal was zuschicken?”
Ich: “Guten Abend. Und Danke, nein.”
Sunder-Mende: “Ich brauche dann noch Ihre Adresse…”
Das war der Moment, in dem ich aufgelegt habe. Ich schäme mich dafür. Aber, Leute, um diese Uhrzeit…
Da telefoniere ich lieber mit zwei Ergotherapeuten und fünf Müttern hintereinander.