Eifrige Bücherleser mit einem Fable für Horrorliteratur werden nicht um den Namen H.P Lovecraft herumkommen. Der schon in jungen Lebensjahren als Sonderling geltende Schriftsteller aus Neu England Providence gilt als einer der Hauptbegründer der sogenannten „übernatürlichen Horrorliteratur". Zu seinen bekanntesten Schöpfungen zählt zweifelsfrei der „Cthulhu-Mythos". Dieser Mythos umschreibt einige von Lovecrafts bekanntesten Geschichten, in denen es um gottähnliche, außerirdische Wesen geht. Kommen die Protagonisten mit dem Mythos zu sehr in Kontakt, verfallen diese meist dem Wahnsinn. Selten gehen seine Geschichten gut für die Protagonisten aus und wählen aufgrund ihrer schrecklichen Erlebnisse den Freitod oder landen im dankbarsten Fall in einer Gummizelle. Die Idee dieses Cthulhu-Mythos hat sich über die Jahre auch nach Lovecrafts Tod verselbstständigt und inspirierte zahllose kreative Autoren in Form von Filmen, Büchern oder auch Videospielen.
Focus Home Interactive hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Videospielabenteuer ganz im Stile dieser lovecraft'schen Art zu schaffen. In der Rolle des Privatermittlers Edward Pierce führen uns unsere Ermittlungen nach einer vermissten Künstlerin in das kleine Fischerdorf Darkwater. Kann ein Spiel, das hauptsächlich aus Recherchearbeiten und Gesprächen besteht für langfristigen Spaß sorgen? Und schaffen es die Entwickler den geistigen Verfall und Wahnsinn des Protagonisten und spielerisch ansprechender Form auf den Bildschirm zu zaubern? Der vorliegende Test soll für Klarheit sorgen.
Gelungener Einstieg
Bei unserem Besuch handelt es sich um den Vater der seit kurzem für Tod erklärten Sarah Hawkins. Laut Polizeiberichten kam sie bei einem tragischen Brand in ihrem Anwesen ums Leben, doch schon vor ihrem Tod veränderte sich das Verhalten der renommierten Künstlerin. Kurz vor ihrem Tod zeichnete sie mehrere merkwürdige Bilder mit surrealen Motiven. Ihr Vater glaubt den Polizeiberichten nicht und hält es für angebracht, euch als privaten Ermittler nach Darkwater Island zu schicken und dem Geheimnis von Sarahs Tod nachzugehen.
Bevor wir unser Büro verlassen, werden wir mit den Grundmechaniken des Spiels vertraut gemacht. Da es sich bei Call of Cthulhu um ein sogenanntes „RPG-Investigation-Game" handelt, können wir hier Fähigkeitspunkte auf die Werte Psychologie, Stärke, Ermittlung oder Redegewandtheit verteilen. Die Fähigkeiten über okkultes Wissen (Okkultismus) und Medizin lassen sich nur durch das Finden von Büchern und anderen Gegenständen steigern. Zum größten Teil schalten diese Fähigkeiten zusätzliche Dialogoptionen frei, die uns bei den Ermittlungen weiter helfen. Hohe Werte in Ermittlung erlauben uns mehr Gegenstände zu finden, was sich gleichzeitig positiv auf unsere medizinischen und okkulten Fähigkeiten auswirken kann. Selbst die Fähigkeit „Stärke" stellt meist eine zusätzliche Option dar, in dem wir mit unserer kraftvollen Präsenz Redepartner einschüchtern können. Nur selten brauchen wir diese Fähigkeit um vielleicht auch mal eine schwere Tür zu bewegen oder eine Truhe zu öffnen. Bewaffnet mit nichts weiter als unserem (noch) klarem Verstand und unseren ermittlerischen Fähigkeiten machen wir uns in das entlegene Fischerdorf mit dem verheißungsvollen Namen Darkwater auf, das Abenteuer beginnt...
Seltsamen Gestalten
Recherche für Anfänger
Der schleichende Schrecken
Der Mythos ist stark in diesem...
Etwas Potential wird leider bei der Inszenierung der Wahnvorstellungen und den Begegnungen mit dem Übernatürlichen verschenkt. Meist wird dieser Schrecken durch geskriptete Sequenzen dargestellt, die zwar Optisch sehr ansprechend sind, jedoch kaum spielerische Tiefe haben. Es fehlt der Nervenkitzel eines Amnesia oder Eternall Darkness.
Fazit
Fasst man meine Hauptkritikpunkte an Call of Cthulhu zusammen fällt das Urteil zunächst ernüchternd aus. Die Technik schwächelt vor allem beim Figurendesign, es gibt zu wenig Freiheit in den Punkten Erkundung und Recherche und selbst die Begegnung mit übernatürlichen Phänomenen habe ich in anderen Titeln schon besser erlebt. Trotz all dieser Kritik hat das Spiel eine gewisse Faszination in mir ausgelöst und ich kann mir selber beim besten Willen nicht mal genau erklären woran das gelegen hat. Sicherlich war es zum einen die Gelungene Handlung mit einigen spannenden Entwicklungen gerade im letzten Drittel der Geschichte oder die zum Großteil überzeugenden Charaktere. Des Weiteren war es auch sicherlich meine Affinität zum Lovecraft-Mythos, welcher im Spiel gut rüber kommt. Vielleicht war es aber auch gerade der spielerische Minimalismus der mich dazu bewegt hat am Ball zu bleiben. Dazu muss ich vielleicht erwähnen, dass meine derzeitige berufliche Situation wenig Zeit für größere Spielprojekte wie etwa ein Red Dead Redemption 2 lässt. Call of Cthulhu hat es jedoch geschafft in verhältnismäßig kurzer Zeit genug Interesse in mir auszulösen um für etwa 13 Stunden Spielzeit immer am Ball zu bleiben und mich trotz aller Defizite gut zu unterhalten. Es stellt schon eine gewisse Ironie dar, dass der sicherlich größte Kritikpunkt des spielerischen Minimalismus dafür gesorgt hat, das Spiel mit Spaß durchzuspielen. Wenn da mal nicht übernatürliche Phänomene jenseits unserer Vorstellungskraft im Spiel waren...